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MACABRE (Indonesien 2009)

von Andreas Neuenkirchen

Original Titel. DARA
Laufzeit in Minuten. 95

Regie. THE MO BROTHERS
Drehbuch. THE MO BROTHERS
Musik. YUDHI ARFANI . ZEKE KHASELI
Kamera. RONI ARNOLD
Schnitt. HERMAN PANCA
Darsteller. ARIO BAYU . SHAREEFA DANISH . JULIE ESTELLE . RULY LUBIS u.a.

Review Datum. 2011-04-11
Kinostart Deutschland. nicht bekannt

Indonesien-Hype, zweiter Versuch: Nachdem der Martial-Arts-Murks MERANTAU - MEISTER DES SILAT nicht recht zünden wollte, leuchtet der Splatter-Spaß MACABRE ein wenig heller, kämpft allerdings mit der gleichen Problematik des alten Weines in neuen Schläuchen. Wobei alter Wein ja nicht generell schlechter Wein ist.

Eine Clique junger Leute mitsamt frisch Vermähltem Paar in freudiger Erwartung nehmen eines Nachts ein desorientiertes Mädchen mit ins Auto, um es nach Hause zu bringen. Dort werden sie aus Dankbarkeit gleich der Mutter vorgestellt: Ein heißer Feger, der die Herzenswärme eines frühen Terminator-Modells ausstrahlt. Dara wirkt kaum älter als ihre Tochter, ist aber schon über 100 Jahre alt. Ihr Geheimnis für einen perfekten Teint: Sie und ihre Sippe essen gerne Menschenfleisch, insbesondere das Fleisch neugeborener Menschen. Erwachsene auf der Durchreise sind aber als Appetizer auch nicht zu verachten.

Diese Story erinnert frappierend an eine Million andere Filme, allen voran DAS KETTENSÄGENMASSAKER. Variationen sind in der Tat minimal. Tendierte die Familie im älteren Film stark in Richtung Messie-Syndrom, sind Dara und Konsorten eher Neat-Freaks des Grauens. Hier hängen zwar auch Knochen an den Wänden, aber es sind akkurat angebrachte Jagdtrophäen. Geizte zumindest das originale KETTENSÄGENMASSAKER mit Blut und Glibber, gibt es in MACABRE daran keinerlei Mangel. MACABRE eilt der Ruf des großen, neuen Asia-Splatter-Dings der Woche voraus, ähnlich wie DREAM HOME letzte Woche. Nicht ganz zu Unrecht, dies ist kein Film, den man mit Kindern oder Eltern schauen sollte. Dennoch dient die Gewalt in MACABRE wie die in DREAM HOME allein Unterhaltungszwecken. Sie geht zwar an Grenzen, aber nie darüber hinaus zu Orten, an denen es erfahrenen Genrefans unangenehm wäre. Bei beiden Filmen macht die Gefährdung Schwangerer als vermeintlicher Tabubruch einen großen Teil der fragwürdigen Reputation aus. In beiden Filmen stellt sich dieser Aspekt aber als ein Brei heraus, der nicht so heiß gegessen wird, wie er gekocht wurde. Sicherlich ist keineswegs schön, was hier werdenden Müttern widerfährt, aber im Gesamtkontext ist dieses Handlungselement nur eines von vielen, zudem auch eines der (etwas!) dezenter behandelten, und es gerät vielleicht am Ende sogar in Vergessenheit. Das ist weit entfernt von der Radikalität, Traurigkeit und verqueren Schönheit eines INSIDE, der diese Thematik mutig und konsequent in den Mittelpunkt stellte.

Nichts Neues auch beim üblichen Horrorfilmpersonal. Mitunter ist die Häme des abgeklärten Zuschauers ungerecht, wenn es um Kritik am irrationalen Verhalten von gestressten Filmfiguren geht. In ähnlichen Stresssituationen hat man sich selbst bestimmt noch nicht befunden, also kann man sich kaum ein Urteil erlauben, ob man selbst im richtigen Augenblick die Treppe runter statt rauf gelaufen wäre. Aber ein paar Verhaltensweisen gibt es wohl tatsächlich, die nur Horrorfilmmenschen in Horrorfilmen an den Tag legen. Etwa mit Ohrkontakt an einer Holztür lauschen, an der Sekunden zuvor noch ein wütender Killer mit einem langen, spitzen Messer gerüttelt hat. Oder, wenn man einen wütenden Killer schon erfolgreich zu Boden gebracht hat, nicht sicherzugehen, dass er nicht sofort wieder aufsteht, sobald man ihm den Rücken zugekehrt hat. Die MACABRE-Helden tappen in jedes erdenkliche Fettnäpfchen. Sie sind ohnehin ein eingeschworenes Team. Werden sie vergiftet, schlafen sie alle exakt zur selben Zeit ein und wachen zur selben Zeit wieder auf, ohne Rücksicht auf Körpermasse, Dosis und Tagesform.
Ihre Häscher sind dabei selbst nicht vor filmtypischen Fehlleistungen gefeit. Klar, dass in Schlüsselmomenten wütende Killer vor dem bereits am Boden liegenden nächsten Opfer erst mal innehalten und zu einem so langen Monolog ansetzen, dass sich hinter ihnen der unbemerkte Retter in aller Ruhe anschleichen kann.

All dies vermindert die Strahlkraft des Films, verdirbt aber keineswegs den Spaß. Was Kimo Stamboel und Timo Tjahjanto, die MACABRE als The Mo Brothers geschrieben und inszeniert haben, an Kreativität fehlt, machen sie durch großes handwerkliches Geschick wett. Die Inszenierung des Old-School-Splatters ist modern und elegant, aber nie verbissen hip. Langweile kommt keine auf, bisweilen funktioniert trotz großer Vorhersehbarkeit sogar die Suspense.
Mitunter liest man insgesamt wohlwollende Kritiken, die ihre Leser allen Ernstes davor warnen, dass der Film rund 20 Minuten bräuchte, bis das Gemetzel losgeht. Das ist Unsinn. Es sind locker 30. Na und? Es wird ja wohl hoffentlich keine Menschen geben, die nervös mit dem Hosenboden rutschen, wenn mal 30 Minuten kein Leib aufplatzt. Die blutfreie halbe Stunde von MACABRE vergeht wie im Flug, weil sie die Zeit nutzt, detailliert und mit unterschwelliger Spannung den Handlungsort und die Antagonisten einzuführen. Die Protagonisten allerdings bleiben zunächst eigenschaftslose Pappkameraden. Sie kommen einem erst später näher, im Leiden. Dann haben sie immerhin tatsächlich die Sympathien auf ihrer Seite, was in diesem Genre keine Selbstverständlichkeit ist. Man jubelt eher bei jedem kleinen Sieg, den sie gegen ihre Peiniger davontragen, als bei den Untaten der Schurken.

Das reicht aber (noch) nicht, um Indonesien als neues Lieblingsland für Freundinnen und Freunde des Horror-Weltkinos auszurufen. Filme wie JU-ON, A TALE OF TWO SISTERS oder HIGH TENSION, die den Liebhaber in jüngerer Vergangenheit für längere Zeit der US-Einheitskost entsagen ließen, waren genuin originell, frisch, anders und landestypisch. MACABRE hingegen erzählt uns nur, was wir längst kennen. Bloß in einer anderen Sprache. Das hört man zwar immer wieder gerne, wenn es so flott erzählt ist wie hier, aber langfristig bannen will es einen nicht mehr.
Die Gebrüder Mo stellen in Aussicht, dass als nächstes ein Pre- oder Sequel zu MACABRE uns Haus stünde. Beides kann man sich gut vorstellen. Noch besser wäre die Vorstellung, sie würden ihr beachtliches handwerkliches Talent einem Stoff andienen, mit dem niemand jemals gerechnet hätte.

MACABRE ist ab dem 15.04.2011 von SPLENDID/I-ON NEW MEDIA auf DVD erhältlich.











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