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Alles ist immer politisch, selbstverständlich auch und gerade im Horrorfilm, besonders im Nachhinein. Schaut man sich die kleinen und großen amerikanischen Klassiker der Siebziger Jahre im Lichte des Nachglühens von Vietnamkrieg und Sommer der Liebe an, kann man vieles herrlich überinterpretieren, wird aber auch einiges Wahres zutage fördern. Der Zeitgeist und das Unterbewusstsein beflügeln des Filmemachers Geiste zur Genüge, der unbedingte Wille zur politischen Äußerung ist gar nicht notwendig. Im Gegenteil. Man nehme an, einer stelle sich hin und riefe: "Ich mache jetzt einen ultrabrutalen Slasher-Film, der die unverschämten Quadratmeterpreise auf Hongkongs Immobilienmarkt anprangert!" Das wäre ja lächerlich.
Und so ist DREAM HOME von Ho-cheung Pang selbstverständlich ein lächerlicher Film geworden. Aber einer, der beinahe die Kurve kriegt.
Josie Ho, in guter Erinnerung aus Johnnie Tos schönsten Film EXILED, spielt Cheng Li-sheung, die sich gerne eine bestimmte Wohnung an der Victoria Bay leisten möchte. Als sie trotz ausreichender Ersparnisse den Zuschlag nicht bekommt, macht sie sich daran, die aktuellen Mieter des Hauses abzumurksen.
Mehr Handlung im Sinne von Plot hat es nicht. Dass es nicht gänzlich langweilig wird, liegt nicht nur an der oft originellen, nie zimperlichen Abmurkserei, sondern auch an erstaunlich sensiblen Rückblenden in die Kindheit und Jugend der Hauptfigur, die ihre Fokussierung auf diese eine Wohnung schlüssig machen. Was sie allerdings nicht schlüssig machen, ist das Umkippen von Entschlossenheit in Verrücktheit. So hanebüchen die Prämisse des Films klingt, so ernsthaft ist er inszeniert und gespielt. In erster Linie ist es Josie Ho zu verdanken, dass das nicht katastrophal schief geht. Sie spielt Cheng nicht als sexy Comic-Killerin oder unkaputtbaren Standardschlitzer, sondern als innerlich und äußerlich verletzliche Frau wie du und ich (abgesehen davon vielleicht, dass wir nicht alle Frauen oder Gewaltverbrecher sind).
Und so ist die Figur interessanter als die Geschichte. Auch wenn der Film mit Textinformationen über die Diskrepanz zwischen Mietpreisen und Monatsgehältern beginnt, und zum Schluss der Fernseher von Bankenkrise schwadroniert: DREAM HOME ist nicht AMERICAN PSYCHO. Die durchgehende optische Ästhetisierung ist reiner Selbstzweck. Wenn eine Gruppe von Angestellten vor dem Bürogebäude raucht, muss man das dann abwechselnd aus Sicht des Aschenbechers, aus Augenhöhe und Vogelperspektive zeigen? Nö, sieht aber gut aus. Genauso folgt die Gewaltdarstellung den Anforderungen der Unterhaltungsindustrie, nicht denen des vorgeschobenen politischen Anliegens. Eingeweide, Augäpfel und Geschlechtsteile wollen frei sein. Dabei helfen ihnen nicht nur Messer und Hämmer, sondern auch Staubsauger, Bügeleisen, Golfschläger, Tischkanten, Bongs und Kloschüsseln. Die meisten Unfälle passieren halt im Haus, auch wenn sie keine Unfälle sind. Die Gewalt ist dabei stets Horrorfilmgewalt, also gut gemacht aber unrealistisch und unbedrohlich. Wer einigermaßen genreaffin ist, wird hier kaum an seine Ekelgrenzen stoßen. DREAM HOME ist kein transgressiver Mutproben-Film, sondern einer, der sein Publikum bedient. Leider nicht durchgehend gut. Ein großer dramatischer Showdown wird verweigert, und spannend ist hier nichts, selbst wenn (gelungene) Bedrohungsmusik einem das weismachen möchte. Dafür kennt man die Opfer zu wenig. Der Film handelt nicht von ihnen, er handelt von ihrer Mörderin. Zudem sind die meisten (aber nicht alle) Opfer einigermaßen unsympathisch, was sie zwar in der wirklichen Welt nicht gleich zu unwertem Leben machen würde, aber im Unterhaltungsfilm eben schon.
Wenn also alles politisch ist, aber das vordergründige Anliegen von DREAM HOME nur Kosmetik bleibt, wo steckt dann die tatsächliche Aussage des Films? Dafür lohnt es, sich eingehender mit der Hauptfigur zu befassen, und der Tatsache, dass sie weiblich ist. Ihr kompliziertes Verhältnis zu ihrem Vater und zu ihrem Kindheitsfreund sowie ihre unbefriedigenden Männerbeziehungen in der Gegenwart scheinen über den Kontext des Einzelschicksals hinaus gesellschaftlich relevanter als der Unsinn über Mietpreise und Monatsgehälter.
Oder man schaut sich DREAM HOME einfach an, weil man gerne Filme sieht, in denen Leute versehentlich auf herausgeflutschte Augäpfel treten. Für einen reinen Old-School-Partyfilm ist das Ganze aber dann doch nicht dauerhaft spektakulär genug.
DREAM HOME erscheint am 25.03.2011 in Deutschland um einige Minuten gekürzt auf DVD und Blu-ray von Splendid/I-On New Media, dafür aber mit einem umso blutrünstigeren sexy Fantasie-Covermotiv, das im Film keine Entsprechung findet.
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