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EXILED (Hong Kong 2006)

von Hasko Baumann

Original Titel. FONG JUK
Laufzeit in Minuten. 100

Regie. JOHNNY TO
Drehbuch. KAM-YUEN SZETO . TIN-SHING YIP
Musik. DAVE KLOTZ . GUY ZERAFA
Kamera. SIU-KEUNG CHENG
Schnitt. DAVID M. RICHARDSON
Darsteller. ELLEN CHAN . NICK CHEUNG . ROY CHEUNG . FRANCIS NG u.a.

Review Datum. 2007-02-17
Kinostart Deutschland. direct-to-video

Johnny To ist angekommen. Noch viel mehr als die Teilnahme im Wettbewerb von Venedig zeigt das die Tatsache, daß das Arte-Magazin "Tracks" ihm in der aktuellen Ausgabe einen Beitrag widmet. Daß man ihn dort als "Hoffnung des Hongkong-Kinos" bezeichnet, ist der reine Hohn - nicht nur, weil sein internationaler Durchbruch bereits 1999 mit THE MISSION erfolgte, sondern weil die Titulierung zu kurz greift. Johnny To ist die Hoffnung des Kinos.

Wie momentan kein zweiter Regisseur bringt To seine Vision auf die Leinwand, wie kein anderer spielt er meisterhaft mit den Möglichkeiten des Films. Was ihn auszeichnet, sind die Tugenden europäischen Kinos in seinen gesündesten Tagen. Er hat den Einfallsreichtum eines Fellini, die Lakonie eines Melville, die Musikalität eines Hitchcock. Er ist ein Stilist, keine Frage; er ist aber ein Stilist, der anders als italienische Größen wie Argento und Leone nicht nur die Grandezza des Bildes, sondern auch die Wucht der kleinen Geste erfaßt.

EXILED spielt in Macao, kurz vor der Integration der portugiesischen Kolonie durch die Volksrepublik China. Hier lebt Wo (Nick Cheung) im Exil, seit er sich gegen Boss Fay (Simon Yam) gewandt hat. Blaze (Anthony Wong) und Fat (Suet Lam) sind gekommen, um ihn zu töten; Tai (Francis Ng) und Cat (Roy Cheung) wollen Wo schützen. Tatsächlich aber sind diese fünf Männer alte Freunde, und als das Geschrei von Wos Kind das erste Feuergefecht in Wos Wohnung unterbricht, schlägt Wo vor, sich erst einmal zu unterhalten. Blaze - und einen solchen Moment kann nur der grandiose Anthony Wong spielen - sieht sich kurz um und bemerkt: "Du hast keine Möbel!"

Was nun folgt, ist eine Montage, die das Quintett beim Einrichten der Wohnung und dann beim gemeinsamen Essen zeigt, beim Wiedererleben und Wiederauflebenlassen der Freundschaft. Diese Sequenz vermittelt noch mehr Gemeinschaft und Ehrlichkeit als der Scheunenbau in Peter Weirs WITNESS, es ist ein magischer Moment, der sich mit der Kissenschlacht aus Jean Vigos ZERO DE CONDUITE messen darf. Das ist die pure Zauberei, das ist Kino.

EXILED bringt die Besetzung von THE MISSION wieder zusammen und fühlt sich daher manchmal an wie ein Klassentreffen. Tatsächlich aber sieht man im direkten Vergleich, wie sich Johnny To von einem talentierten zu einem großen Regisseur entwickelt hat. In seinem Film stimmt jede kleine Bewegung, jede seiner zahlreichen Verdichtungen hat die richtige Länge und exakt die richtige Geschwindigkeit, jeder Schnitt sitzt an exakt der richtigen Stelle, jeder Raum ist fehlerlos ausgeleuchtet - und doch ist Tos Perfektion nicht erkaltet, im Gegenteil. Was hier passiert, die Lässigkeit und der Humor, die furiose und brutale Action, die Tragik der Unausweichlichkeit des Todes - das berührt, begeistert und reißt mit. Tos Flirt mit dem Übermut des Hongkong-Kinos verlangt vom unvorbereiteten Zuschauer hier und da noch Toleranz, aber was er ihm dafür schenkt, ist ein funkelnder Diamant, der einen ohne Bemühen eines allzu ausgeklügelten Plots vor Demut in die Knie zwingt, vor Dankbarkeit, daran erinnert zu werden, wie sich Kino anfühlen kann.

Johnnie To spielt mittlerweile allein in seiner Liga. EXILED ist der schönste Film des abgelaufenen Kinojahres und, so wage ich zu prognostizieren, auch des kommenden. Bis To uns wieder beschenkt.











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