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BRAUTALARM (USA 2011)

von Florian Lieb

Original Titel. BRIDESMAIDS
Laufzeit in Minuten. 124

Regie. PAUL FEIG
Drehbuch. KRISTEN WIIG . ANNIE MUMOLO
Musik. MICHAEL ANDREWS
Kamera. ROBERT D. YEOMAN
Schnitt. WILLIAM KERR . MIKE SALE
Darsteller. KRISTEN WIIG . MAYA RUDOLPH . ROSE BYRNE . CHRIS O'DOWD u.a.

Review Datum. 2011-07-18
Kinostart Deutschland. 2011-07-21

Gleichberechtigung von Frauen. Ein beliebtes politisches Thema, auch wenn vom Feminismus vergangener Zeiten inzwischen wenig übriggeblieben ist. Zuletzt berief Telekom erstmals zwei Frauen in den Vorstand und Angela Merkel ist zumindest zwei weitere Jahre noch Bundeskanzlerin. Und auch wenn Forbes die Kanzlerin zur 4. mächtigsten Frau der Welt kürte, sind zumindest die Schauspielerinnen Hollywoods im Vergleich zu den Männern stark benachteiligt. Nur vier Frauen finden sich unter den 25 bestbezahlten Stars der Filmbranche in diesem Jahr. Und nur eine von ihnen, Sandra Bullock, schafft es in die Top Ten der bestbezahlten Frauen Hollywoods. Frauen leiden unter einem dünnen filmischen Zeitfenster (ein gewisses Alter ist von Nöten, um Jugendliche wie Erwachsene anzusprechen, darf aber nicht zu alt sein, um bereits gefährlich in MILF-Gefilde abzudriften), werden meist zum love interest reduziert und spielen somit sogar in der Traumfabrik nur die zweite Geige.

Umso erfolgreicher präsentierte sich BRAUTALARM in diesem Jahr, der als Estrogen-Pendant zu den HANGOVER-Filmen bisher der achterfolgreichste Film des US-Kinojahres ist. Als R-Rated-Comedy aus der Feder von SNL-Veteranin Kristen Wiig stolpern hier sechs Frauen durch eine chaotische Hochzeitsvorbereitung. Wo Todd Phillips sein Wolfpack nach Alkoholgeschwängerter Nacht Erinnerungsfetzen chronologisch aufarbeiten lässt, fokussiert sich Wiig auf die Dekonstruktion einer Heiratsplanung. Was für die Männer das Bier und die Party ist hier also der - so das Klischee - wichtigste Tag im Leben einer Frau. Damit das Ganze nicht zu einem spröden DIE HOCHZEIT MEINES BESTEN FREUNDES oder VERLIEBT IN DIE BRAUT gerät, wird der Tacho auf der Fremdschäm- und Fäkalhumor-Skala bis in den Bereich der höchsten Umdrehungen ausgereizt. Die Folge: Motorschaden.

Denn produziert wurde der Film von Judd Apatow. Jenem Mann, dem man in Hollywood vor ein paar Jahren attestierte, er habe die Filmkomödie gerettet - und der nunmehr fast schon in die Schublade "Die Geister, die ich rief" zu stecken ist. Infolgedessen ist BRAUTALARM mit einer Laufzeit von 2 Stunden wie die meisten Apatow-Filme überlang geraten. Das macht sich besonders dadurch bemerkbar, da Wiigs Film nichts zu erzählen hat. Die beste Freundin ihrer Hauptfigur verlobt sich zu Beginn, zu einem Zeitpunkt wo Wiigs Annie in einer Negativ-Spirale fest hängt. Die Rezession kostete sie ihre Konditorei, die verlorene Konditorei ihren Freund. Nun lebt sie in einer WG mit einem widerlichen britischen Geschwisterpaar und hat augenscheinlich keine Freunde, außer Maya Rudolphs designierte Braut Lillian. Da diese inzwischen im Rund 150 Kilometer entfernten Chicago lebt und dort in Rose Byrnes Helen eine reiche neue Freundin hat, sieht Annie nun auch die letzte Lebensflamme ihres erbärmlichen Daseins der Tilgung nahe.

Der die Prämisse bildende Witz ist nun, dass ausgerechnet Annie, die ihr eigenes Leben nicht auf die Reihe kriegt, für Lillian die Hochzeit planen soll. Was von Kontrollfreak Helen kontinuierlich torpediert wird. So entpuppt sich der Besuch in einem Restaurant mit brasilianischer Küche zum Dünnschiss-Intermezzo auf Adam-Sandler-Niveau, während eine Flugreise zum Junggesellinnenabschied ein Post-9/11-Szenario entwickelt, wie es - zumindest unterhaltsamer, aber nicht wirklich besser - zuvor DIE WUTPROBE oder STICHTAG zur Schau getragen haben. Das Problem von BRAUTALARM ist seine fehlende Kreativität. So besteht die Entourage zum Beispiel wie in HANGOVER aus einem nerdigen Anhängsel aus THE OFFICE (Ellie Kemper hier, Ed Helms da) und ein überproportional selbstbewusstes Dickerchen (Zach Galifianakis versus Melissa McCarthy) ist für Furzwitze und Fremdschämaktionen gut.

Was jedoch viel schlimmer wiegt als die uninspirierte und selten wirklich lustige Handlung, ist das vollkommene Desinteresse des Films an seinen Charakteren. Unerheblich für die eigentliche Geschichte gestehen hier Nebenfiguren wie Becca (deren Mann überhygienisch ist, wenn es um Sex geht) oder Rita (ihre Kinder masturbieren nur und beschimpfen sie) in einer Szene ihre Probleme, ohne dass BRAUTALARM sich anschließend weiter für diese interessiert oder eine Lösung bietet. Ähnlich verhält es sich mit Helen, deren Stiefkinder auch nur die übelsten Schmähungen für sie übrig haben. Lillian selbst ist dabei nur ein MacGuffin, der die Handlung vorantreibt. Aber selbst Wiigs Figur bleibt durchweg ein selbstdestruktives Dilemma. So verliert sie sich in einer für den Film belanglosen, zugleich für die Figur erniedrigenden und unbefriedigenden Sex-Affäre mit einem Macho (Jon Hamm, MAD MEN), um am Ende - für das Publikum nachvollziehbar - in der einzigen männlichen Alternative, die der Film ihr bietet (Chris O'Dowd, THE IT CROWD), den hoffnungsvollen Ausstieg aus einer Geschichte zu finden, die ihr über zwei Stunden lang genüsslich ins Gesicht gerotzt hat.

Dabei ist es kein Wunder, dass diese komödiantische Geschmacksverirrung zu den Top-Erfolgen des Jahres zählen wird, wo sie in bester Gesellschaft von Filmen wie TRANSFORMERS 3, HANGOVER 2, FLUCH DER KARIBIK 4 oder HARRY POTTER 7.2 ist. Der Erfolg eines Kinofilms lässt sich proportional zu seiner fehlenden filmischen Qualität messen (ein Grund, warum die Bays und Nolans dieser Welt so erfolgreich sind). Wo das nicht verwundert, schmerzt es zumindest, bedenkt man, welches Talent Kristen Wiig an sich besitzt. Hier bewahrheitet sich wohl, dass wer lustig ist, nicht automatisch lustige Sachen schreiben kann. Ein gutes Beispiel ist die unlustige und peinliche Sexszene zu Beginn von BRAUTALARM mit Wiigs Sexszene aus - dem nicht von ihr geschriebenen - MACGRUBER zu vergleichen. Aber letztlich ist vermutlich auch das der Gleichberechtigung von Frauen zuzuschreiben. Unabhängig vom Geschlecht sollte jeder Filmschaffende in Hollywood das Recht haben, einen schlechten Film abzuliefern. Zumindest Wiig ist damit der Emanzipation einen Schritt näher gekommen.











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