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Was ist schlimmer: Der Kater im Kopf oder der Tiger im Bad? Das fragen sich Phil (Bradley Cooper), Stu (Ed Helms) und Alan (Zach Galifianakis) am Morgen nach der Junggesellenparty, die sie für ihren besten Freund Doug geschmissen haben. Sie erinnern sich noch, wie sie am Vortag in Vegas eingefahren sind, wie sie im Caesar's Palace die 4000-Dollar-Suite bezogen und auf dem Casinodach mit Jägermeister angestoßen haben – aber danach? Filmriss, im wahrsten Sinne des Wortes. Jetzt blockiert eine Raubkatze die Toilette, im Flur geht ein Huhn spazieren, im Schrank liegt ein Baby – und von Doug fehlt jede Spur. Ein Tag bleibt ihnen, um den Bräutigam zu finden und die Ereignisse der vergangenen Nacht zu rekonstruieren.
Wie in einem Whodunit krempelt HANGOVER die Kausallogik des Exzesses auf links und liefert damit eine der inspirierteren Prämissen jüngerer Kumpelkomödien. Vor allem der Absurditätsfaktor aberwitziger Folgeerscheinungen, deren Ursachen im Dunkeln und Benebelten liegen, wird anfangs durchaus reizvoll ausgekostet. Schlag auf Schlag treten neue Indizien des wüsten Gelages zutage: Wieso fehlt Stu ein Zahn? Was macht die Matratze auf dem Dach? Wieso steht anstelle des Mercedes plötzlich ein Streifenwagen vor der Tür? Und was, in drei Teufels Namen, hat Mike Tyson mit der ganzen Sache zu tun?
Leider sind die Antworten hierauf nicht halb so interessant wie die Fragen. Das liegt zum einen daran, dass HANGOVER von Rückblenden gar keinen und von multimedialen Erinnerungsstützen nur sehr begrenzt Gebrauch macht; die rätselhaften Vorgänge werden zumeist in recht lapidaren, witzlosen* Dialogszenen aufgeklärt, wogegen das einzige zum Einsatz kommende Überwachungsvideo prompt zum Highlight avanciert. Zum anderen ist die humoristische Katerstimmung darin zu suchen, dass sich noch hinter der bizarrsten Entdeckung ("Ein nackter Chinese im Kofferraum?") ein höchst geradliniger, einfallsloser Grund verbirgt ("Hat halt jemand da reingesteckt"). Statt der versprochenen Suffsubversion bekommt man also biedere Bierbauchbanalitäten vorgesetzt, jenen nicht unähnlich, die selbsterklärte Helden der Trunksucht einem immer vom letzten Himmelfahrtstag vorprahlen, während man mit Mühe ein Gähnen unterdrückt.
Im Bromedy-Sektor scheint ein Vergleich mit den zu Recht branchendominierenden Apatow-Produktionen der letzten Jahre (SUPERBAD, BEIM ERSTEN MAL) unabdingbar, läuft hier aber einigermaßen ins Leere: Regisseur Todd Phillips orientiert sich weniger an Apatows bewährtem RomCom-mit-Sauereien-Rezept als vielmehr an den vergleichsweise stupiden, zwischentonfreien Highschool-Komödien der Endneunziger, die er mit ROAD TRIP auch selbst bereichert hat. Zwar ist auch in HANGOVER der Ehehafen das nominelle Ziel, doch zählt ein emotional involvierender Schmusesubplot nicht mehr zu den Reiseetappen. Das Hauptaugenmerk liegt vielmehr auf einer losen Nummernrevue von seltsam züchtigem Jungshumor: Es gibt Nacktheit, aber nie full frontal, Schmerz-Slapstick, der nie richtig weh tut, und eine Kissenschlacht mit vollgewichstem Kondom ohne Flüssigkeitsaustritt. Sex findet dezidiert nicht statt. Wird mal ein böser Witz gewagt (wie etwa der um den "Holocaust-Ring" von Stus Großmutter), wird er so oft wiederholt, bis er sich selbst annulliert. Nicht mal der titelgebende Kater scheint echte Spuren zu hinterlassen, alles ist ein harmloser, bunter Plastiktraum mit Eurodance-Untermalung, wie man ihn von Las Vegas wohl nicht anders erwartet.
Wo Apatow auf die glänzende Chemie eines eingespielten Ensembles vertrauen kann, fällt hier das Sympathisieren mit den Hauptfiguren schwer: Bradley Coopers jungenhafte Unschuldsblässe, die schon im MIDNIGHT MEAT TRAIN das nötige Charisma vermissen ließ, kollidiert hier vollends mit der am Maß vorbeigeschneiderten Rolle des gelfrisierten Porno-Machos Phil. Ed Helms (THE OFFICE) tut sein bestes, um dem kastenbebrillten Nerd Stu jene liebevollen Facetten abzugewinnen, die seit Kevin Smith eigentlich zum Gattungsinventar gehören, hier aber einem altbackenen Eierkopf-Einmaleins weichen müssen: Stu ist duckmäuserisch, penibel, rechthaberisch, nervös und fängt in Gefahrensituationen an zu keifen wie ein Mädchen. Das Typenkabinett setzt sich bis in die Nebenrollen fort, vom gewaltgeilen Polizisten, der die Freunde zum Tasertraining missbraucht, über die Stripperin mit dem goldenen Herzen (Heather Graham, sträflich unterrepräsentiert) bis zum schwulen asiatischen Gangster, einer überkandidelten Mischung aus Liberace und Don Knotts (kennt den noch wer?).
Einen nicht zu unterschätzenden Lichtblick hat HANGOVER allerdings zu bieten: er heißt Zach Galifianakis. Ein heimlicher Held der amerikanischen Independent-Comedy-Szene, hat Galifianakis in den letzten Jahren eine absurde Impro-Masche kultiviert, die völlig irrational zwischen stoischem Nonsens und beiläufigen verbalen Ausbrüchen changiert. Die Figur des Alan passt ihm wie angegossen, ein schratiger Soziopath, der gern unbehost rumläuft und aufgrund einer dubiosen Gerichtsverfügung nicht in die Nähe von Schulhöfen und Spielplätzen kommen darf. Sein Weltverständnis ist von solch bahnbrechender Naivität, dass er sogar einen Schlag in die Fresse ohne Murren hinnimmt, und dank seines grenzautistischen Gebarens kommt noch die gröbste Unangemessenheit wie unbedarfte Herzensgüte rüber. Seine komische Meisterschaft besteht, auf einen Nenner gebracht, darin, in der totalen Unauffälligkeit äußerst auffällig zu sein. Und was er mit dem Baby veranstaltet, ist der beste Witz im ganzen Film. Das mag nicht genug sein, um selbigen vorm Mittelmaß zu bewahren, sorgt aber immerhin dafür, dass man am Ende dieses Katers nicht gänzlich ernüchtert aus dem Kino kommt.
* Ohne eine alte, leidige Debatte wieder aufwärmen zu wollen: Sollte es so etwas wie Wortwitz im amerikanischen Original gegeben haben, wurde er in der gezeigten Synchronfassung gründlich getilgt.
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