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Der Bovist (engl. PUFFBALL) gehört zur polyphyletischen Gruppe der Bauchpilze, bei denen die Sporenbildung im Inneren des Fruchtkörpers stattfindet. So oder so ähnlich ordnet sich der manchmal fußballgroße Pilz, der Nicolas Roegs erstem Film seit dreizehn Jahren den Titel schenkt, in die Welt seiner Brüder und Schwestern ein. Klingt warm, wundersam, voluminös und unglaublich fruchtbar - und so feiert PUFFBALL dann auch das Fest der Mutter, der spirituellen Sinnlichkeit und der Mystik sowie der runden Form. Magie und archaische Momente ziehen dabei pulsierend über die Leinwand. Und Roeg zaubert auch mit 79 noch fesselnde Sequenzen auf Zelluloid, die aus der warmen Höhle der 70er zu kriechen scheinen.
DON'T LOOK NOW, WALKABOUT oder THE MAN WHO FELL TO EARTH: Die Frühsiebzigerwerke von Regielegende Nicolas Roeg finden sich auf diversen Ebenen in PUFFBALL wieder. Ein Paar und die feindliche Umwelt, der langsame Niedergang und auch expressiver Sex, bei dem die Gondeln heftig schaukeln - wo Roeg draufsteht, da ist Roeg drin. Soviel ist schon nach kurzer Spielzeit klar. Doch auch andere zentrale Werke der 70s, etwa Sam Peckinpahs STRAW DOGS oder Juan Luis Buñuels RENDEZVOUS ZUM FRÖHLICHEN TOD klopfen immer wieder von Innen an den prallen Babybauch.
Konkret!? Ein Paar kommt in die Einöde, das kennen wir. Liffey, eine aufstrebende Architektin, will den Traum vom eigenen Haus in die Wirklichkeit Irlands transportieren, Richard, ein sympathischer Karrieretyp aus New York, steht ihr dabei nicht im Weg. Das gemeinsame Glück scheint perfekt. Doch bald kriechen die seltsamen Nachbarn, deren matriarchalisches Leben von einer hexenhaften Mutter dominiert wird, die Strohpuppen mit schleimigen Pilzen beschmiert oder Boviste (remember: PUFFBALL) wie Neugeborene durch den Wald trägt, in die Ritzen des neu erworbenen Gemäuers. Als die junge Städterin schließlich schwanger wird, offenbart sich zumindest eines: In der Vergangenheit liegt eine traurige Erinnerung, die die einheimischen Ruralmädchen zur Verzweiflung bringt. Ein Junge starb und der Verlust wird umso schmerzhafter, je deutlicher Liffeys Fruchtkörper unter ihren luftigen Sommerkleidern anschwillt. Dass einer der Countryboys in die Erzeugung des fremden Nachwuches involviert sein könnte, macht das Ganze ja nicht besser.
In wunderbaren Bildern, die direkt aus dem Jahr 1973 in die Gegenwart gebeamt zu sein scheinen, feiert der beste 79-jährige Regisseur der Welt die Frau als Mutter, Hexe, Hure und Heilige und zeigt als weiterer alter Herr - kurz nach William Friedkin mit seinem überwältigenden Meisterwerk BUG - ,dass früher doch manches besser war und man im Alter scheinbar keine Angst mehr hat. In Irland gedreht, werden Landschaften mit alten monolithischen Steinen, dem Mond und dem grünsten Grün seit Spaniens Blüten blühn zu Hauptdarstelleren in einer Geschichte vom Werden und Vergehen. Das ist der Anfang, das ist das Ende - in einem kugelrunden Ringschluß. Die Frau und die Natur sind die zentralen Themen, die Roeg in PUFFBALL verhandelt. Dass er dabei nicht alles so auf den Punkt bekommt wie Kollege Friedkin, das ist eine Bemerkung am Rande. Dass die Klassiker in Roegs Oeuvre im Vergleich die besseren Filme sind, auch das sollte man erwähnen. Trotz allem kann der Regierentner voll und ganz überzeugen. Und nach 13 Jahren ohne Roeg wird klar, dass dem Kino etwas gefehlt hat. Welcome back!
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