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KAPITELWAHL

WALKABOUT (Großbritannien 1971)

von Hasko Baumann

Original Titel. WALKABOUT
Laufzeit in Minuten. 96

Regie. NICOLAS ROEG
Drehbuch. EDWARD BOND
Musik. JOHN BARRY
Kamera. NICOLAS ROEG
Schnitt. ANTONY GIBBS . ALAN PATTILLO
Darsteller. JENNY AGUTTER . LUC ROEG . DAVID GUMPILIL . JOHN MEILLON u.a.

Review Datum. 2005-08-21
Erscheinungsdatum. 2005-06-09
Vertrieb. MC-ONE

Bildformat. 1.78:1 (anamorph)
Tonformat. DEUTSCH (DD 2.0) . ENGLISCH (DD 2.0)
Untertitel. DEUTSCH
Norm. PAL
Regional Code. 2

FILM.
Wildes Treiben in der australischen Großstadt. Die Kamera findet Bilder für das urbane Gewirr aus eiligen, stoischen Menschenmassen, die sich durch die Straßen von Sydney (klar erkennbar, auch wenn später von Adelaide die Rede sein wird) wühlen. Dann gleitet sie eine Mauer entlang, die das Bild freigibt für die australische Wüste; Hitze, Einsamkeit, pure Natur. Gestört wird das Bild nur von einem knatternden VW Käfer, drinnen schwitzen ein Vater, seine 14jährige Tochter und der 6jährige Sohn. Aus dem geplanten Picknick wird die Katastrophe: Der Mann schießt auf seine Kinder und richtet sich schließlich selbst, bevor er sie töten kann. Das Mädchen und der Junge sind auf sich gestellt und beginnen, sich durch die Wildnis zu schlagen. Schließlich treffen sie einen jungen Aborigine, der sich gerade auf seinem rituellen Wüstengang, dem "Walkabout", befindet. Obwohl es ihnen an Verständigungsmöglichkeiten mangelt, sehen die Kinder ihn ihm den Retter, der sie in die Zivilisation führen wird - und er sieht ihn ihnen vielleicht noch unverdorbene Kinder der industrialisierten Welt, die es vor ihrer Heimat zu retten gilt. Die Konsequenz dieses Mißverständnisses kann nur eine weitere Katastrophe bedeuteten.

Nicolas Roeg führte mit WALKABOUT zum ersten Mal allein Regie und verantwortete zum letzten Mal die Kamera. Der Mann, der 1973 mit WENN DIE GONDELN TRAUER TRAGEN unsterblich wurde, ist unzweifelhaft einer der großen Visualisten des Kinos. WALKABOUT ist ein Zeitzeugnis der 70er Jahre, aber in seiner ebenso simplen wie zwingenden narrativen Struktur ein zeitloses Exemplar großen Kinos. Natürlich dominieren in WALKABOUT die visuellen Eindrücke, die Roeg in gewaltigen Bildern einfängt - das Verhalten des Vaters wird nie erklärt, noch nicht mal von den Kindern diskutiert -, jedoch erzählt Roeg mit diesen Bildern etwas, all das, was nötig ist. Über dem Geschehen schwelt eine subtile Sexualität, vielleicht das sexuelle Erwachen des Mädchens: die Schlangen, die über ihr im Baum hängen; der anfängliche, verbotene Blick des Vaters; der weiße Baum, der wie zwei gespreizte Beine aussieht; und insbesondere ihr Nacktbad, das Roeg unterschneidet mit Jagdaufnahmen des Aborigine - Sinnlichkeit und Tod, eine Verbindung, die das Jagdverhalten des Jungen fast zu einer sexuellen Handlung macht, das Erschießen der Tiere durch vermeintlich zivilisierte Jäger aber zur reinen Barbarei verdammt. Was die gesamte im Film zu sehenden modernen Menschen betrifft: Selbst die Frau, die in einem Team von Wetterforschern sitzt, macht ihre Kollegen zu geifernden Lüstlingen. Vollzogen wird aber nie etwas. Das Mädchen findet ihre Unschuld und wird sie erst mit der Rückkehr in ihre Welt verlieren müssen. Die Zeit in der Wildnis wird ihr eine sehnsüchtige Erinnerung bleiben. Roeg erzählt eine symbolhafte Geschichte des Erwachsenwerdens, eine letztlich tieftraurige Allegorie, die unbekümmerte Freiheit und Unschuld als unwiderbringliches Paradies begreift.

Daß Jenny Agutter nach dieser fantastischen Darstellung nicht mehr geworden ist in unseren Köpfen als Michael Yorks Gefährtin in LOGAN'S RUN, ist kaum zu begreifen. Mit Nicolas Roegs Sohn Luc an ihrer Seite bildet sie ein unvergeßliches Gespann. WALKABOUT mag heute, in der postmodernen "Ich weiß alles besser"-Welt mitunter antiquiert wirken, ein beeindruckendes, mitreißendes Kunstwerk wird er dennoch immer bleiben.

DVD.
Die DVD zeigt die bei der Wiederveröffentlichung des Films integrierten Szenen im Originalton. Dazu gehört erstaunlicherweise ein Moment, in dem recht früh klar wird, daß der junge Aborigine niemals vorhatte, seine Schützlinge der Zivilisation zurückzugeben. Erfreulicherweise kann sich der Anbieter darüber hinaus mit der weltweit besten Bildqualität brüsten: Eine erstaunliche saubere Kopie, die im anamorphen Filmbild erstrahlt und nur minimal gecroppt ist. Beim Ton jedoch muß ausnahmsweise dringend zum deutschen Ton geraten werden, der klar und verhältnismäßig satt klingt. Der Originalton ist sehr dumpf, die Stimmen wollen sich manchmal verzweifelt ihrer Rauschfilter befreien. Gelegentlich sind die Musikeinsätze beider Fasungen unterschiedlich.

Leider haben es die Specials ausländischer Fassungen nicht auf die DVD geschafft - der Audiokommentar wird schmerzlich vermißt. Bio- und Filmografien sowie die Bildergalerie sind schön, werden aber dem Film nicht ganz gerecht. Das ändert nichts an der grundsätzlichen, von Herze kommenden Empfehlung.








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