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MOTORWAY (Hong Kong 2012)

von Björn Lahrmann

Original Titel. CHE SAU
Laufzeit in Minuten. 90

Regie. POU-SOI CHEANG
Drehbuch. JOEY O'BRYAN . KAM-YUEN SZETO
Musik. ALEX GOPHER . XAVIER JAMAUX
Kamera. KENNY TSE . YUEN MAN FUNG
Schnitt. ALLEN LEUNG . DAVID M. RICHARDSON
Darsteller. SHAWN YUE . ANTHONY WONG . XIAODONG GUO . BARBIE HSU u.a.

Review Datum. 2013-01-11
Kinostart Deutschland. nicht bekannt

Nicht, dass ich mich auch nur im Entferntesten mit Autos auskennen würde, aber das Manöver geht, glaube ich, so: Gang raus, Vollgas geben, behutsam einkuppeln, gleichzeitig hart bremsen und vorsichtig anlenken - voilà, bricht das Heck im Stand mit qualmenden Reifen zur Seite aus. Was für kühlköpfige Fahrer mit Finger- und Zehenspitzengefühl also, nichts für einen Heißsporn wie Cheung (Shawn Yue), Rookie bei der Hongkonger Verkehrspolizei, der gleich die erste Wettkampfeinladung jener illegalen Rennraser, die er eigentlich einkassieren soll, mit Kusshand annimmt.

Strafversetzt an den Handblitzer, kommt der Zen fast von allein, wobei Anthony Wong als Buddy im Vorruhestand das Gemüt des jungen Kollegen durch schiere suppenschlürfende Hintergrundpräsenz zusätzlich erdet. Er ist es folglich, der Cheung, als dem ein dämonisch begnadeter Fluchtwagenfahrer mit Diamanten im Sinn unters Radar kommt, das unbewegte Pirouettenziehen beibringt, das es für die Jagd durch die rechtwinkligen Seitengassen der Stadt braucht.

Von einem Meister hat auch Pou-Soi Cheang gelernt, dass höchste Intensität nicht allein mit formaler Outriertheit und Bluthitze zu haben ist: Seit Johnny Tos Produktionsfirma Milkyway ihn unter Vertrag genommen hat, sind seine Filme nicht mehr dieselben. Das Cholerische, Stromstoßhaft-Eruptive früherer Arbeiten wie DOG BITE DOG wich 2009 der reduzierten Oberflächenspannung von ACCIDENT, einer programmatischen Präzisionsstudie über inszenierte Unfälle ohne Zufälle, deren Drahtzieher an der selbstverschuldeten Kontingenzlosigkeit paranoid wird und bald hinter jedem noch so alltäglichen Ereignis einen unsichtbaren Regisseur vermutet - zu Recht, müsste man in Engführung mit Cheangs Karrierenarrativ vom Anarcho zum Kontrollfreak wohl sagen.

MOTORWAY ist nun restlos ein Film der klaren Linien und Strukturen, mit schnurgeradem Mentor-Schüler-Plot, so wenig Figurenpsychologie wie möglich und selten mehr als zwei Autos - Verfolger, Verfolgter -, die durch die ausgeleerten Highways und Byways fegen. Haben die großen amerikanischen Rennsequenzen immer auch was von ultrabeschleunigten Stadtführungen, dient hier das zumeist nächtliche Hongkong als schwarze, abstrake Grundfläche für karossenförmige Vektoren, von denen sich die Kamera mal analytisch fesseln, mal per gewagter Motorhaubenarettierung mitreißen lässt.

Die Vergleiche mit Nicolas Winding Refns DRIVE (dessen exaltierter BRONSON wiederum deutlich an Cheangs SHAMO angelehnt war) sind rein verpackungstechnisch nicht von der Hand zu weisen: Trockeneisiger Elektropop bei Xenonlicht, check, check. Markiert Ryan Goslings Beherrschtheit hinterm Steuer aber ein ungesund verdrängtes Gewaltpotenzial (und analog dazu Refns fugenloser Stil eine Drosselung der manischen Wut hinter den Bildern), zeugen Cheungs und Cheangs Konzentration von nichts als purer Freude an der filmisch-motorischen Bewegung und am ästhetischen Mehrwehrt, den sie am laufenden Meter produziert: Kein Reifenquietschen ohne Rauch, der sich wie ein Gazevorhang attraktiv vor rubinrote Heckleuchten legt. Außerdem - das sollte man nicht kleinreden - wird hier einfach deutlich mehr gefahren.











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