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DOG BITE DOG (Hong Kong 2006)

von Thorsten Hanisch

Original Titel. GAU NGAO GAU
Laufzeit in Minuten. 109

Regie. POU-SOI CHEANG
Drehbuch. MATT CHOW
Musik. BEN CHEUNG
Kamera. FUNG YUEN MAN
Schnitt. ANGIE LAM
Darsteller. EDISON CHEN . SAM LEE . SUET LAM . SIU-FAI CHEUNG u.a.

Review Datum. 2007-01-05
Kinostart Deutschland. direct-to-video

Pang (einfach großartig und konträr zu seinen sonstigen Rollen gecastet: Edison Chen) kommt eines Tages von Kambodscha nach Hong Kong und begeht einen Auftragsmord.
Wai (gigantisch und ebenfalls treffend gegen den Strich besetzt: Sam Lee), ein junger, aufbrausender, undisziplinierter, psychisch angegriffener Polizist hegt zuerst nur wenig Interesse an diesem Fall. Als er aber auf Pang trifft und dieser vor seinen Augen brutal einen Polizistenkollegen ermordet, mutiert Wai zum Rachengel, der Pang um jeden Preis zur Strecke bringen will. Doch Pang hat seit frühsten Kindesjahren nur eins gelernt: Fight To Survive. Als die Tötungsmaschine auf einer Müllkippe ein behindertes Mädchen kennen lernt, gesellt sich zu seinem Killer- auch ein Beschützerinstinkt. Er sorgt für herbe Verluste bei Wais Männern, was diesen noch rasender und fanatischer macht. Mordend und prügelnd schlingern beide Protagonisten auf einen absolut irren Showdown zu, bei dem man entweder weinen, lachen oder sich nur noch ungläubig die Augen reiben (oder alles gleichzeitig) kann.

Ich habe seit Beginn meiner filmjournalistischen Tätigkeiten vor vielen Jahren immer versucht, gerne genutzte Wörter und Phrasen wie "Meisterwerk" oder "Der beste Film, den ich je sah" zu vermeiden. Bei Ersterem schwingt immer ein leichter, eher unangenehmer Pathos mit und Zweiteres ist sowieso Unsinn. Allerdings habe ich auch vollstes Verständnis für diejenigen, die sich in derlei Höhen begeben, denn es fällt manchmal schwer, seine Gefühle und Ansichten in vernünftige, nüchterne Worte zu fassen, vor allem gerade dann, wenn man so kalt erwischt wird wie bei DOG BITE DOG.

Was Pou-Soi Cheangs Film so großartig macht, ist die Reduktion auf das Wesentliche: Während der Hong Kong-Film an sich gerne dazu neigt, vollkommen überladen daherzukommen (schönes Beispiel: der unterhaltsame, aber unter seiner inhaltlichen Last schwer schnaufende SPL: SHA PO LANG) oder in den koreanischen Cops VS. Thugs-Vertretern gerne Posing mit Emotion verwechselt wird, konzentriert sich Cheang auf größtmögliche Effizienz. Das Drehbuch hat die beiden Protagonisten deutlich im Fokus und lotet deren Charaktere behutsam aus, ohne in irgendwelche Klischee-Fallen zu tappen. Pang z.B. erinnert etwas an Jet Lis Titelrolle aus dem letztjährigen DANNY THE DOG, aber im Gegensatz zu Danny oder ähnlichen oft leicht mythisch überhöhten Charakteren wie in THE KILLER oder BEYOND HYPOTHERMIA entdeckt Pang durch das Mädchen zwar seinen Beschützerinstinkt (vielleicht auch einen letzten Rest von Menschlichkeit), aber er schwört der Gewalt nicht ab und ist auch - nach vorerst geglückter Flucht - bereit, weiterhin gegen Geld zu morden, um sich und seine Liebste am Leben zu erhalten, schließlich kann er halt auch nichts anderes.
Im Gegensatz zu Wai: Während Pang im Verlauf des Films zumindest ansatzweise menschliche Züge zeigt, verliert Wai immer mehr den Boden unter den Füßen und weiß sich in seiner Hilflosigkeit nur noch der rohen Gewalt zu bedienen, die im übrigen eine zentrale Stellung in DOG BITE DOG einnimmt:
So kaltschnäuzig und brutal wurde schon lange nicht mehr im HK-Kino gemordet, das legendäre "Category III"-Siegel wurde nach Ewigkeiten mal wieder aus nachvollziehbaren Gründen verliehen, dennoch: Angesagte, trendige Brutalität zum Beklatschen und Begrölen, wie sie derzeit im US-Kino gerne abgefeiert wird, sucht man vergeblich. Die Gewalt in DOG BITES DOG gehört zum Wesenszug der nahezu tollwütigen Charaktere, die jede andere Möglichkeit zur Konfliktlösung längst verlernt haben, der Tod kommt erbarmungslos und grausam.
Das äußere Erscheinungsbild des Films passt sich dabei der Gefühlswelt seiner Protagonisten an: Kameramann Fung Yuen Man liefert schlichtweg fantastische, sehr atmosphärische und sehr, sehr - den Begriff Film noir kann man hier wirklich wörtlich nehmen - düstere Bilder: Hong Kong wird als versiffte, kalte, Großstadt-Hölle präsentiert, in dessen Dunkelheit die Protagonisten oftmals nur teilweise zu erkennen sind, zentrale Sequenzen des Films spielen auf Müllhalden oder Schrottplätzen. Ein klein wenig schleicht sich hier und da Endzeitfilm-Atmosphäre ein. Begleitet wird die optische Wucht von einem erstaunlich akzentuiert eingesetzten, zum Teil recht ungewöhnlichen, minimalen Soundtrack, echte Songs, wie man es vor allem aus dem Mainstream-Kino gewohnt ist, folgen erst in den letzten Minuten, oft herrscht auch einfach nur Stille vor. Einzig und allein die Mensch-/Hund-Analogie, die durch das Unterlegen der Kampfszenen mit Hundegeräuschen erreicht werden soll, haut nicht so wirklich hin. An dieser Stelle trägt der ansonsten vorzüglich komponierte Film dann doch etwas zu dick auf, was man aber locker und lässig verzeiht.

Ich werde auch hier nicht das Wort "Meisterwerk" gebrauchen oder behaupten, dass DOG BITE DOG der beste Film ist, denn ich je sah, soviel kann aber gesagt werden: Hier haben einige Leute sehr gute Arbeit geleistet und eine tiefschwarze Perle abgeliefert, die man mit Sicherheit für lange Zeit nicht mehr vergessen wird.











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