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CAPTAIN AMERICA - THE FIRST AVENGER (USA 2011)

von Sebastian Moitzheim

Original Titel. CAPTAIN AMERICA - THE FIRST AVENGER
Laufzeit in Minuten. 125

Regie. JOE JOHNSTON
Drehbuch. CHRISTOPHER MARKUS . STEPHEN MCFEELY
Musik. ALAN SILVESTRI
Kamera. SHELLY JOHNSON
Schnitt. ROBERT DALVA . JEFFREY FORD
Darsteller. CHRIS EVANS . HUGO WEAVING . TOMMY LEE JONES . HALEY ATWELL u.a.

Review Datum. 2011-07-28
Kinostart Deutschland. 2011-08-18

Captain America, das dürften selbst die überzeugtesten Marvel-Fans zugeben, ist nicht unbedingt ein Superheld, der sich für eine Verfilmung aufdrängt. Sein Pathos und sein Patriotismus bieten heute weniger Identifikationspotential als unfreiwillige Komik - in Deutschland wohl noch mehr als in den USA. Es fällt plötzlich auch viel schwerer, Nazis als Bedrohung ernst zu nehmen, wenn sie zu einer Kult-ähnlichen Organisation namens "HYDRA" gehören und einem auch entsprechend aussehenden Anführer namens "Red Skull" (Kommunisten-Nazis?) unterstehen. Dass der einzig interessante Konflikt der Figur - ein Soldat des Zweiten Weltkriegs "strandet" im 21. Jahrhundert - erst in THE AVENGERS (hoffentlich) thematisiert wird und CAPTAIN AMERICA - THE FIRST AVENGER nicht viel mehr ist als ein zweistündiges Setup für diesen interessanteren Teil der Geschichte, ist den Erwartungen an den Film auch nicht unbedingt zuträglich.

Glücklicherweise scheinen die Beteiligten um die Einschränkungen des Charakters zu wissen. Die Autoren Christopher Markus und Stephen McFeely und Regisseur Joe Johnston treffen den perfekten Ton zwischen ernsthafter Verfilmung und liebevoller Parodie der Vorlage - CAPTAIN AMERICA - THE FIRST AVENGER ist, obwohl er dessen Klasse nicht ganz erreicht, näher an IRON MAN als am misslungenen THOR.

Chris Evans spielt den schmächtigen Steve Rogers, der im Jahre 1942 nichts mehr will, als für sein Land gegen die Nazis zu kämpfen, aber immer wieder bei der Musterung scheitert - bis ihm der Militärarzt Dr. Abraham Erskine (Stanley Tucci), ein Deutscher im Exil, die Teilnahme an einem Trainingscamp ermöglicht. Das Trainingsprogramm dort stellt sich heraus als ein Auswahlverfahren für den geeigneten Kandidaten für ein Experiment: Durch Injizieren eines von Erskine entwickelten Serums soll ein "Super-Soldat" geschaffen werden. Gegen den Willen des Ausbildenden Colonel Chester Phillips (Tommy Lee Jones) fällt die Wahl auf Rogers, der so zu Captain America wird. Der Superheld wird im Krieg dringend gebraucht, denn in Europa baut Superschurke Red Skull (Hugo Weaving) seine eigene, ihn kultisch verehrende Armee auf.

CAPTAIN AMERICA - THE FIRST AVENGER ist kein Film über den Zweiten Weltkrieg. Hitler kommt lediglich als Schreckgespenst für Kinder vor und die einzigen nicht-HYDRA-Nazis, die wir zu sehen bekommen, werden nach einer Minute Screentime von Red Skull ausgelöscht. Versuchte X-MEN: ERSTE ENTSCHEIDUNG noch, die Ereignisse des Films glaubhaft mit dem historischen Hintergrund zu verknüpfen, lässt CAPTAIN AMERICA - THE FIRST AVENGER keinen Zweifel: Wir haben es mit einem reinen Fantasy-Film zu tun, der kein Interesse an einer wie auch immer gearteten Verbindung zur Realität hat.

Tatsächlich wird es genau dadurch einfacher, den befremdlichen Patriotismus, aber auch die völlig überzeichneten Charaktere zu akzeptieren. Red Skull ist ein so eindimensionaler Villain, wie man ihn heute selten zu sehen bekommt: keine nachvollziehbare Motivation, keine innere Zerrissenheit, nicht einmal eine Backstory. Er will Macht, dafür ist ihm jedes Mittel recht - und viel mehr gibt es über ihn nicht zu sagen. Auf der anderen Seite steht ein Held, der zu keinem Zeitpunkt mit seiner Superkraft (die auch tatsächlich nichts anderes ist als, nun ja, große Kraft) im Konflikt steht, sondern sie von vornherein annimmt und für das Gute nutzen will (auch, wenn er es zeitweise nicht darf). Für die typischen Superhelden-Plotpoints bietet CAPTAIN AMERICA - THE FIRST AVENGER einfach keine Gelegenheit. Stattdessen bekommen wir einen Abenteuer-Film, der stellenweise mehr an INDIANA JONES erinnert als an die meisten Comic-Verfilmungen - und dabei eine Menge Spaß macht.

Denn anstatt zu versuchen, die unfreiwillig komischen Aspekte der Figuren zu umgehen oder mehr Tiefe vorzutäuschen, als die Geschichte hergibt, umarmen alle Beteiligten genau diese. Der Patriotismus wird nicht heruntergespielt, sondern in einer großartigen, Musical-ähnlichen Montage auf die Spitze getrieben. Die Darsteller verzichten auf subtile Charakterisierungen und haben sichtlich Spaß daran, ihre Rollen als die Karikaturen, die sie sind, zu verkörpern. Evans mag kein großer Charakterdarsteller sein, doch er ist ein hervorragender Actionheld mit viel Charme, Weavings Red Skull wirkt wie eine Art laufendes Anti-Nazi-Propagandaposter und Jones parodiert sich als knarziger Army-Veteran genüsslich selbst (und hat nicht eine Szene ohne Lacher). Die Action ist, im positiven Sinne, überraschend "klein" geraten - anstatt riesige, unübersichtliche Action-Spektakel gibt es viele kleinere, gut getimte und inszenierte Szenen und viele Location-Wechsel, was das "Abenteuer-Feeling" noch verstärkt.

Natürlich stellt sich so auch nie echte Identifikation oder auch nur Empathie mit den Figuren ein. So unterhaltsam CAPTAIN AMERICA - THE FIRST AVENGER ist, so oberflächlich ist er auch und schon die obligatorische Romanze wirkt hier erzwungen, weil zu keinem Zeitpunkt nachvollziehbar (und, mit dem bereits in den ersten zehn Minuten vermittelten Wissen, dass der Captain am Ende des Films für Jahrzehnte eingefroren wird, auch reichlich bedeutungslos). Auch die Laufzeit von knapp über zwei Stunden ist problematisch, wenn man als Zuschauer nie wirklich eine Beziehung zu den Figuren entwickelt. Der 3D-Effekt, hier ähnlich schlimm umgesetzt wie in KAMPF DER TITANEN macht es noch schwerer, sich zwei Stunden lang zu konzentrieren.

Letztlich ist CAPTAIN AMERICA - THE FIRST AVENGER aber wohl das Beste, was aus dem Material herauszuholen war. Als ein Film über eine ohnehin problematische Figur, der auch noch auf das beste Material verzichten muss, schafft er es nicht nur, als letztes der Prequels noch einmal wirklich Lust auf THE AVENGERS zu machen, sondern bietet auch für sich genommen erstaunlich gute, angenehm selbstironische Unterhaltung.











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