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THOR (USA 2011)

von Florian Lieb

Original Titel. THOR
Laufzeit in Minuten. 114

Regie. KENNETH BRANAGH
Drehbuch. ASHLEY MILLER . DON PAYNE . ZACK STENTZ
Musik. PATRICK DOYLE
Kamera. HARIS ZAMBARLOUKOS
Schnitt. PAUL RUBELL
Darsteller. CHRIS HEMSWORTH . NATALIE PORTMAN . TOM HIDDLESTON . ANTHONY HOPKINS u.a.

Review Datum. 2011-04-22
Kinostart Deutschland. 2011-04-28

Die einen kriegen ein Super-Serum verpasst, andere werden von einer radioaktiven Spinne gebissen, die Blitzgescheiten basteln sich einen eigenen Super-Anzug und wer Glück hat, braucht gar nichts davon - denn er ist ein Gott. Mit THOR geht Marvels Filmprolog-Reihe zum 2012 startenden THE AVENGERS in die nächste Runde. Und wohl kaum einer der Marvel-Helden dürfte es so schwer gehabt haben auf der großen Leinwand zu landen, wie der Gott des Donners. Schließlich verschmelzen in THOR, der wie seine Kollegen natürlich aus der Feder von Stan Lee und/oder Jack Kirby stammt, doch unsere Gegenwart und die nordische Göttermythologie zu einem kohärenten Ganzen. Entsprechend belächelt wurden auch erste Stills, die zu Kenneth Branaghs Adaption veröffentlicht wurden. Während die beiden Trailer als kruder Mix aus SUPERMAN und DER TAG, AN DEM DIE ERDE STILL STAND erschienen und ein Trash-Fest erster Güte versprachen. Der fertige Film bewegt sich nun irgendwo dazwischen.

Wie es sich für einen Prolog gehört - und mehr als eine Charakterexposition ist in THOR nicht zu sehen - ist sein Inhalt recht kurz und simpel. Und durch seine Lokalisierung in ein Könighaus zugleich wie geschaffen für Shakespeare-Regisseur Branagh, der seine Comicverfilmung als FX-Action-Crossover aus HEINRICH V. und KÖNIG LEAR anlegte. Seinen Antrieb gewinnt der Film dann auch primär aus seiner Dreiecksbeziehung zwischen Thor (Chris Hemsworth), Göttervater Odin (Anthony Hopkins) und Bruder Loki (Tom Hiddleston). Jene von Neid und Eifersucht angetriebene Beziehung der Brüder, das gereizte Verhältnis der Thronfolgererben zu ihrem Vater und das coming of age eines Helden, der erst zu einem solchen heranreifen muss, bilden das Fundament des Films. Infolgedessen fallen die Szenen in Asgard und Jötunheim auch weitaus interessanter aus, als Thors Reifeprozess, der inklusive des obligatorischen love interest (gespielt von Natalie Portman) in einem kleinen Kaff im US-amerikanischen Bundesstaat New Mexico von Statten geht.

In seiner Kontemporäradaption ging Marvel nunmehr Kompromisse ein, um sowohl Nerds als auch die Massenklientel zufrieden zu stellen. Die Frostriesen rund um Laufey (Colm Feore) geben die Antagonisten, mit von der Partie sind die drei Krieger (u.a. Ray Stevenson) sowie Sif (Jaimie Alexander), es gibt einen kleinen Querverweis zu Thors Alter Ego Donald Blake und natürlich den unabdingbaren Cameo von Stan Lee. Um die Götter der Filmbranche zufrieden zu stellen, verfügt THOR zugleich in Kat Dennings über einen comic relief-Sidekick, Stellan Skarsgård gibt einen unterforderten Mentor und Portmans Jane Foster wird von der einfachen Krankenschwester zur renommierten Astrophysikerin befördert. Und weil alles politisch korrekt zugehen muss, stellt Idris Elba den einzigen afroamerikanischen Asen in Asgard dar, während Asano Tadanobus Hogun zur Identifikation der asiatischen Bevölkerungsgruppe dient. Das Schöne ist: Im Grunde geht das alles weitestgehend auf, selbst die vollkommen unerhebliche Integration von S.H.I.E.L.D. und ein belangloser Cameo von Jeremy Renners THE AVENGERS-Figur Hawkeye.

Als neuerliches Charakter-Prelude ist das Endresultat fast durchweg sympathisch, was sich auch der Tatsache verdankt, dass Branagh dem narzisstischen Asen genug Raum für Humor und Selbstironie lässt. Und in Form eines Comics wäre die Geschichte von THOR in all ihrer plakativen Anlehnung an DER TAG, AN DEM DIE ERDE STILL STAND auch durchaus annehmbar und unterhaltsam. Als eigenständiger Kinofilm, losgelöst von der Historie der fast 50-jährigen Comicfigur und dem nächstes Jahr aufbauenden THE AVENGERS, fällt THOR jedoch reichlich durchwachsen aus. Die Simplizität der Handlung ist erschreckend banal - im Grunde ließe sich die Geschichte mit vier Figuren erzählen - und vieles, darunter auch Hintergrund, wird scheinbar als selbstverständlich erachtet. Warum wird Thor zum Beispiel ausgerechnet in ein Am-Arsch-der-Welt-Kaff in New Mexico verbannt? Und wieso landet sein Hammer Mjölnir praktischer Weise nur 50 Meilen entfernt? Warum ist ein Krieg zwischen Asgard und Jötunheim so dramatisch, wo die Frostgiganten doch in ihrer Welt festzusitzen scheinen?

Beginnt man das Gezeigte zu hinterfragen, bröckelt der Glanz. Wenn Thor sich auf der Erde aufführt wie ein alter nordischer Gott, und seine Weggefährten um Sif als verirrte Comic-Con-ler anmuten, dann ist das ganz amüsant und charmant, wie auch der klassische Vater-So(e)hn(e)-Konflikt in seinen Momenten unterhält. Vom rasanten Trash-Fest des Trailers ist dies jedoch meist meilenweit entfernt, das mentale Schulter-zucken ob des Gezeigten an sich vorprogrammiert. THOR verkommt zu einem zwiespältigen Produkt, mit dem man wenig anfangen kann. Die Kostüme und Asgard selbst (ein Amalgam des Olymps aus CLASH OF THE TITANS und Coruscant der STAR WARS-Filme) sehen weniger bescheuert aus, wie erste Bilder befürchten ließen, das Ensemble von Hopkins über Portman und Hiddleston bis hin zu Hemsworth schlägt sich angesichts der enormen campness ihrer Umgebung erstaunlich gut. Über den 3D-Effekt, um den auch dieser Film nicht herum gekommen ist, lässt sich das weniger sagen. Nutzlos wie ein Kropf raubt er den Bildern das Licht, ohne das die Dreidimensionalität wirklich positiv bemerkenswert, geschweige denn der Narration selbst zuträglich wäre.

Letztlich merkt man es THOR durchgehend an, dass es sich um eine reine Charakterexposition handelt. Der Donnergott ist nur einer von mehreren Gefährten, das mordor'sche Auge lastet jedoch auf dem ultimativen Familientreffen, das ab Mai von Joss Whedon inszeniert wird. Angesichts der Leichtigkeit, mit der sich die Thors, Hulks und Iron Mans in ihren jeweiligen Abenteuern schlagen, und der Fülle an Ego und Pathos, wird es für Whedon eine Herkules-Aufgabe sein, seine Helden - inklusive der zweiten Garde um Renner und Johansson - nicht nur bei Laune zu halten, sondern ihnen auch (einen) Gegenspieler zu liefern, der eine Kräftebündelung dieser Form rechtfertigt. Als kurzweiliges Comic-Fest mit Augenzwinkern lässt sich Branaghs Götterdämmerung (bevorzugt in 2D, so möglich) durchaus genießen, fällt er doch sehr viel runder und gelungener aus, als die IRON MAN-Filme oder DER UNGLAUBLICHE HULK. Das uns ein THOR 2 nicht erspart bleibt, ist angesichts der nicht enden wollenden Sequel-Manie wenig überraschend. Immerhin hat die Fortsetzung die Chance, mehr zu sein, als ein reiner Prolog für einen anderen Film. Nötig wäre es jedenfalls nicht, denn unsterblich ist der Odinssohn auch ohne ein andauerndes Franchise.











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