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UNENDLICHE TIEFEN

Reportage.
Eine Pressekonferenz mit Arnold Schwarzenegger am 21.01.2013 im Hyatt Regency, Köln
von Benjamin Hahn

Eine Pressekonferenz mit Arnold Schwarzenegger am 21.01.2013 im Hyatt Regency, Köln

Ein Montagvormittag im Januar. Im Kölner Hyatt direkt am Rhein herrscht deutlich mehr Gewusel als sonst üblich um diese Zeit. Kein Wunder, denn hier wird heute eine große Pressekonferenz mit Arnold Schwarzenegger, Jaimie Alexander und Johnny Knoxville zur Deutschlandpremiere von THE LAST STAND stattfinden.

Die erste Frage des Tages kommt von Wolfram Kons, der zugleich die Pressekonferenz moderiert und gibt unmissverständlich den Ton der kommenden 40 Minuten vor: "Johnny, hast Du eigentlich für die Stunts trainiert oder es so gemacht wie bei JACKASS?" - "Bei JACKASS habe ich oftmals trainiert, wie die Stunts danebengehen können. Für diesen Film habe ich aber richtig professionell trainiert." Eine Aussage fast ohne Wert, trotzdem schreiben die Kollegen eifrig mit. Denn was hier sitzt, das ist zu 90% Boulevard. Man ist nicht wirklich interessiert an denen da oben auf dem Podium, man will nur ein paar menschelnde Stories, die sich in den TV-Magazinen am frühen Abend schnell versenden lassen.

Deshalb sind auch Alexander und Knoxville schnell abgemeldet und die Arnie-Show eröffnet. Wie es denn sei, wieder zurück in Deutschland zu sein? "Wunderschön, denn Deutschland war das Sprungbrett für meine Karriere", sagt Arnie auf Deutsch. Ob es denn etwas gäbe, das ihn mit Köln verbinden würde? "Nein, nicht mit Köln. Aber ich mag München und vor allem Essen sehr gerne, da ich dort mehrere Siege gefeiert habe".

Angesichts solcher Fragen bekommt man Mitleid mit denen da oben. Vor allem auch mit Johnny Knoxville und Jaimie Alexander, die von der deutschen Presse fast gar nicht beachtet werden und zur reinen Staffage verkommen. Als dann endlich mal jemand feststellt, dass es die beiden auch noch gibt, wird Alexander allen Ernstes gefragt, ob man eigentlich wegen Johnny Knoxville und seiner Späße mehr Takes als üblich brauchte. Alexander antwortet darauf pflichtschuldig: "Nein, es waren nicht viele Takes nötig, aber die Arbeit mit Johnny hat natürlich sehr viel Spaß gemacht".

Man will aufspringen und schreien. Irgendetwas tun, um diese unwürdig banale Veranstaltung zu beenden. Zum Glück übernimmt diesen Job eine österreichische Kollegin, die wild gestikulierend auf sich aufmerksam macht. Als Wolfram Kons ihr das Wort erteilt, stellt sie eine der klügsten Fragen des Vormittags. Sie will wissen, warum sich Schwarzenegger dafür eingesetzt hat, dass eine Umweltkonferenz seiner R20-Initiative nach Wien kommt. Die Frage ist eine Steilvorlage für den Politiker Schwarzenegger. Lange monologisiert er darüber, wie wichtig eine grüne Umweltpolitik sei und wie dieses Verständnis auch endlich bei den Republikanern ankommen muss. Dann erzählt er über das Burgenland, das ein Positivbeispiel in Sachen Umweltschutz und Nachhaltigkeit sei. Es entspinnt sich ein kurzer Dialog zwischen der Journalistin und Schwarzenegger, der schließlich den Bogen zu seiner politischen Karriere in den USA schlägt: "Als Immigrant, der in den USA gut gelebt hat, hatte ich das Gefühl, das ich dem Land, das mich groß gemacht hat, etwas zurückgeben musste". Es sind diese Momente wie diese, in denen man merkt, dass der Mann etwas zu sagen hat. Schwarzenegger ist keineswegs nur ein alternder Actionstar, sondern ein reflektiert denkender Mensch mit ökologischem und politischem Problembewusstsein. Jemand, der als Republikaner die Obamas zwar nicht ins Weiße Haus gewählt hat, nun aber darauf hinweist, dass man dem gewählten Präsidenten loyal sein muss, egal zu welcher Partei man gehört: "Man ist den Interessen der Menschen und dem Land verpflichtet, nicht der eigenen Partei".

Man hätte noch lange mit Schwarzenegger darüber sprechen können. Man hätte sogar den Bogen zum Film spannen können, indem man die Frage stellt, ob das schlechte Einspielergebnis am Startwochenende in den USA nicht auch damit zusammenhängt, dass sich die US-amerikanische Gesellschaft in Sachen Waffenpolitik bewegt und waffenverliebte Neo-Western eben diesem Wandel nicht mehr entsprechen. Aber bevor ich meine Frage stellen kann, hat schon wieder das Boulevard die Oberhand gewonnen: Was wollen Sie den Amerikanern in Deutschland noch zeigen? Warum ist ihr Sohn mit auf Reisen? Soll der mal Europa kennenlernen? Dreimal dürfen Sie raten, welche Antworten im deutschen Fernsehen gesendet wurden. Kleiner Tipp: Die politischen Aussagen waren es nicht.

Eine Pressekonferenz mit Arnold Schwarzenegger am 21.01.2013 im Hyatt Regency, Köln

Die Gier meiner Kollegen nach boulevardesken Belanglosigkeiten ist unerträglich. Glaubt eigentlich irgendwer, dass die Menschen da draußen wirklich sowas interessiert? Ich kann und will mir das nicht vorstellen. Natürlich fordere ich nicht, dass gleich jedes Interview das Niveau von Truffaut und Hitchcock haben muss, aber etwas mehr Anspruch ist doch wirklich nicht zu viel verlangt. Klar, sowas kann auch mal kolossal scheitern, wie mein Interview mit Ti West bewiesen hat. Aber dass es mal nicht aufgeht, ist doch keine Begründung dafür, es nicht wenigstens mal zu versuchen. Und wenn sich schon die Fragenden nicht ändern, warum machen dann nicht mehr Schauspieler das, was kürzlich Katja Riemann bei ihrem Auftritt im NDR machte: sich dem ganzen Dreck zu verweigern. Denn diese PR-Auftritte haben längst nichts mehr von einem gemütlichen Plausch, einer netten Unterhaltung im gegenseitigen Einverständnis. Sie demonstrieren zunehmend eine ganz eigene Form der Boulevard-Diktatur. Denn so einfach, wie es sich die vielen Kritiker an Riemanns Verhalten machen, ist die Sache dann eben doch nicht. Berichterstattung ist heute keine mehr alleine durch Interesse gesteuerte Angelegenheit. Eine Zeitung, ein Fernsehsender, der Hörfunk - sie berichten nur noch selten darüber, was die Menschen interessieren könnte. Sendeplatz und mediale Beachtung muss heute mit PR erkauft werden. Und nicht selten werden Schauspieler und Regisseure bereits im Vorfeld vertraglich durch die Produktionsfirmen an PR-Auftritte gebunden. Das vergisst man gerne. Ebenso wie die verbreitete Haltung gegenüber medialer Abstinenz verdrängt wird, die "kamerascheuen" Schauspielern Arroganz vorwirft oder sie zum Sonderling abstempelt. So stecken Schauspieler in einem unauflöslichen Dilemma: Entziehen sie sich körperlich den PR-Auftritten, werden ihre Produkte mit Nichtbeachtung gestraft, verweigern sie sich während der Auftritte dem dümmlichen Boulevard, ernten sie im Anschluss noch mehr Kritik an ihrer vermeintlichen Arroganz.

Vielleicht können wir Filmjournalisten uns darauf einigen, diesen ganzen Schwachsinn nicht mehr mitzumachen. Respektieren wir doch lieber unser Gegenüber und versuchen es zu fordern, als es von vornherein dem Diktat der menschelnden Klatsch-Story zu unterwerfen. Denn wenn man merkt, dass ein Gesprächspartner mit dem Niveau dann doch mal nicht klarkommt, kann man immer noch das Thema wechseln. In diesem Sinne: Respekt und Anspruch, statt Boulevard.




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