FILM.
Als vor einigen Monaten bekannt wurde, dass der walisische Regisseur Gareth Evans und Hauptdarsteller Iko Uwais nach ihrem vielerorts gefeierten Erstling MERANTAU - MEISTER DES SILAT gemeinsam an einem neuen Projekt arbeiten, war die Vorfreude entsprechend groß. Obwohl ihr erstes Werk nicht überall gut aufgenommen wurde, sah man bereits deutlich das Potential das in Regisseur und Hauptdarsteller gleichermaßen schlummerte. MERANTAU - MEISTER DES SILAT war sicherlich nicht der große Wurf. Die schnörkellose Inszenierung und die perfekt choreographierten Fights ließen jedoch viele Konkurrenten (vor allem aus dem thailändischen Raum) ziemlich alt aussehen.
Der Hype begann schließlich als die Trailer zu Evans und Uwais neuem Output THE RAID im Netz auftauchten. Schnell herrschte Einigkeit, dass sich Indonesien als neues Actionmekka empfiehlt und Actionjünger eine atemberaubende Tour-de-force schweißtreibender Martial-arts-Kämpfe und knallharter Shootouts erwarten können. Nach ersten Lobeshymnen im Web und gefeierten Festivalauftritten überschlugen sich die Kritiker mit Superlativen und priesen den Film als ultimativen Must-see-Reißer für ein erwachsenes Publikum an, dass es gründlich satt hat mit verwackelten Actionszenen à la EXPENDABLES genervt zu werden und endlich mal wieder knallharte, gänzlich ironiefreie Randale ohne CGI-Gedöns sehen will.
Die größte Sorge war es insofern, dass all die Versprechungen gebrochen werden, sich sämtliche Erwartungen als vollkommen übertrieben herausstellen und man letztendlich doch nur den gleichen, weichgespülten Murks nur halt mit asiatischen Akteuren und leicht exotischem Setting vorgesetzt bekommt. Und hier muss wieder Stallones Versammlung rüstiger Actionrentner herhalten, denn der entpuppte sich vor gut einem Jahr auch nicht als das prophezeite Comeback des achtziger Jahre Action-Kloppers, sondern als ziemlich herbe Enttäuschung. Es kann jedoch aufgeatmet werden, THE RAID ist tatsächlich das erhoffte Meisterstück sinnloser Zerstörung und beinharter Action geworden, dass sich insgeheim auch all die skeptischen Zeitgenossen gewünscht haben.
Alles beginnt wie ein Routineeinsatz. Ein verdeckt agierendes Einsatzkommando der Polizei soll ein von einer Gruppe Krimineller bevölkertes Hochhaus räumen und den sich dort aufhaltenden Gangsterboss Tama (diabolisch: Ray Sahepaty) dingfest machen. Kurz nachdem die Polizisten, den Wohnblock betreten eskaliert jedoch die Situation. Das Sondereinsatzkommando wird entdeckt und unter Beschuss genommen. Nur wenige Polizisten können sich in eine Wohnung retten und dort verschanzen. Die Lage scheint aussichtslos, denn es stellt sich heraus, dass der Einsatz geheim war und Verstärkung nicht zu erwarten ist. Ferner gleicht das Hochhaus einer Festung aus der es kein Entkommen gibt. Die einzige Hoffung für die Überlebenden ist der junge und idealistische Cop Rama (Iko Uwais) der sich der Übermacht der Feinde todesmutig stellt.
Regisseur Evans nutzt das triste Setting eines heruntergekommenen Wohnblocks um eine unheilvolle, aus der Zeit gefallene, Stätte von Kriminalität und Parallelgesellschaft zu skizzieren. Das Hochhaus erscheint als Brutstätte delinquenten Verhaltens, in dem Junkies in verschmutzten Wohnungen hausen und illegale Drogenlabore die Dealer der Stadt mit gestrecktem Stoff beliefern. Bereits in den ersten Minuten ist klar, dass sich die Spezialeinheit in eine Welt mit eigenen Gesetzen begibt, in der sie von allen Anwesenden nur als Störfaktor gesehen werden können.
Das bedrohliche Setting, dass Evans stilistisch mit matten, schmutzigen Farben auch optisch kongenial darzustellen weiß, bildet schließlich den adäquaten Rahmen für eine atemlose Hetzjagd, die kaum Luft zum Atmen lässt und nur durch wenige ruhige Passagen gebremst wird. Während Evans in der ersten halben Stunde auf rasante Schusswechsel setzt und Spezialeinheit und Gangster dutzende Magazine leer ballern, verlagert sich der Fokus der zahlreichen Acitonszenen im weiteren Filmverlauf verstärkt auf Auseinandersetzungen Mann gegen Mann. Gekämpft wird mit allen zur Verfügung stehenden Utensilien und Waffen. Egal ob mit Messern, Äxten oder den bloßen Fäusten, die Choreographie ist roh und brutal, aber auch bis ins letzte Detail perfekt arrangiert und in ihrer kinetischen Wucht fast nicht zu toppen.
Am ehesten lassen sich die Kämpfe als Mischung aus old-school Hong-Kong-Action im Stile der frühen neunziger Jahre und den Einflüssen der neueren Werke aus Thailand beschreiben. Aber auch Vergleiche mit Klassikern wie IN THE LINE OF DUTY 4 oder ONG-BAK sind nicht wirklich angemessen, da THE RAID innerhalb der Actionchoreographien ganz eigenen Qualitäten entwickelt, von denen man sich am besten selber überzeugen sollte. Jede Acitonszene ist für sich schon ein Highlight, aber Evans und Uwais schaffen es erstaunlicherweise sich im Laufe des Films kontinuierlich weiter zu steigern. Der ausgedehnte Showdown ist dann noch einmal an Rasanz und Dynamik kaum zu überbieten und zeigt fulminante Action auf allerhöchstem inszenatorischen Niveau.
Zu einem wirklichen grandiosen Film wird THE RAID aber in erster Linie, weil neben all den virtuosen Kämpfen und Verwüstungen auch die Zeit zwischen den Actionsequenzen überzeugt. Hier wird es nicht peinlich wie in einigen ähnlich gelagerten Werken made in Thailand und auch nicht ärgerlich pathetisch wie in vielen amerikanischen Produktionen über Spezialeinheiten. Die Charaktere sind zwar eher simpel angelegt, aber insbesondere die Polizisten werden, abgesehen vom Hauptprotagonisten, nicht als Helden mit sauberer Weste verklärt, sondern als schießwütige Gesetzeshüter, die mitunter auch die falschen Entscheidungen treffen. Darüber hinaus sind ebenfalls die Dialoge bemerkenswert pointiert und punktgenau auf das Geschehen abgestimmt. Der gelungene Soundtrack von Linkin Park Sänger Mike Shinoda überzeugt zudem mit treibenden und kraftvollen Beats, die sich perfekt der Dynamik der Bilder und Bewegungen anpassen und auf der akustischen Ebene für den nötigen Wumms sorgen. Bleibt als letzter Pluspunkt Hauptdarsteller Iko Uwais zu nennen, der nicht nur die kämpferischen Fähigkeiten besitzt, sondern auch über das nötige Charisma verfügt um Tony Jaa vom Actionthron zu stoßen.
All das macht THE RAID schon jetzt zum besten Actionfilm des Jahres. Ein durchweg empfehlenswertes Spektakel, das den derzeitigen Standard im modernen Actionkino neu definiert und das Zeug zum Alltime-Classic hat. Bitte weitersagen!
DVD.
Die deutsche Fassung (KJ Freigabe) enthält im Verleih und Verkauf die ungeschnittene internationale Kinofassung. Technisch gesehen ist diese Version absolut vorbildlich und hinsichtlich Bild- und Tonqualität makellos. Auch die Synchronisation ist wertig und überzeugt durchweg. Die indonesische Fassung, die in zwei Szenen wenige Sekunden länger läuft ist in der limitierten Ultimate Editon erhältlich.
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