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KAPITELWAHL

BUNRAKU (USA 2010)

von Alexander Karenovics

Original Titel. BUNRAKU
Laufzeit in Minuten. 119

Regie. GUY MOSHE
Drehbuch. GUY MOSHE
Musik. TERENCE BLANCHARD
Kamera. JUAN RUIZ ANCHIA
Schnitt. GLENN GARLAND . ZACH STAENBERG
Darsteller. JOSH HARTNETT . GACKT . WOODY HARRELSON . RON PERLMAN . DEMI MOORE u.a.

Review Datum. 2012-08-10
Erscheinungsdatum. 2011-10-14
Vertrieb. SPLENDID

Bildformat. 2.35:1 (anamorph)
Tonformat. DEUTSCH (DD 5.1) . ENGLISCH (DD 5.1)
Untertitel. DEUTSCH
Norm. PAL
Regional Code. 2

FILM.
Woody Harrelson, Josh Hartnett, Ron Perlman, Demi Moore. Gackt. Der Cast liest sich so zufällig wie die Besetzungsliste des neuesten Uwe Boll, wenn er mal wieder um die Gunst des Mainstreams heischt. Richtig verzweifelt muß jemand aus der Marketing-Abteilung gewesen sein, als er die Worte "Von den Produzenten von RED CLIFF und ALL THE BOYS LOVE MANDY LANE" auf das DVD-Cover druckte. Und wer ist eigentlich Gackt? Gackt (a.k.a. Gakuto Kamui) ist sowas ähnliches wie ein Rock-Musiker, der auf Konzerten schon mal für reihenweise Ohnmachtsanfälle bei seinen weiblichen u16-Groupies sorgt, wenn er seinen Gitarristen auf den Mund küsst. Iiiiiih, süüüüüüß. Ob Gackt gut küssen kann, mag ich nicht beurteilen, einen guten Film mit ihm habe ich jedenfalls noch nicht gesehen. Und, ja, ich kenne MOONCHILD.

Wie also vermarktet man einen Film wie BUNRAKU? Am besten gar nicht. Da stolpert man zufällig drüber und freut sich, daß Seijun Suzuki wieder einen Film gedreht hat. Hätte. Haben könnte. Wenn er wollte. Who the Fuck is Guy Moshe? Ob sich Suzuki mit solch einer simplen Gut/Böse-Story, die eigentlich nur lose aus Western-Klischees zusammengedübelt wurde, zufrieden gegeben hätte, steht auf einem anderen Blatt; wenn er aber jemals einen Einstand in Hollywood gegeben hätte, dann sähe das vielleicht ein bißchen aus wie wie hier: in der Welt von BUNRAKU existieren Western-Spelunken neben rosigen Sushi-Salons und rauchigen Kosakenbars, in der Luft liegt eine Atmosphäre von Prohibition, grell angezogene Fred Astaire-Killer säubern die Straße von aufmüpfigen Elementen, der Samurai auf einer Rache-Mission (Gackt) und der Cowboy ohne Colt (Josh Hartnett) legen sich mit Ron Perlman an, der als diktatorischer Gandalf mit weißen Rasta-Locken hoch oben über der Stadt thront und seinen Bonsai-Garten in Schuß hält. Zusammengehalten wird der bunte Eintopf von Woody Harrelson als philosophierendem Barkeeper und einem lakonischen Voice Over, der direkt aus SIN CITY herüberzutönen scheint.

Mit traditionellem japanischem Puppentheater hat BUNRAKU freilich nur den griffigen Titel gemein (Takeshi Kitanos DOLLS wäre beispielsweise eine authentische Live Action-Hommage), die Optik des Films ahmt eher Pop-Up-Bücher nach; da sehen Häuser aus wie aus Origami-Papier gefaltet, die phantasievoll inszenierten Szenenübergänge plazieren Charaktere zunächst als Scherenschnitte, bevor ihnen Leben eingehaucht wird, der Himmel faltet sich auf wie aus einem zerknüllten Stück Bastelpappe - mehr als nur ein visueller Leckerbissen: eine ganze Pralinenschachtel! Der Vergleich mit Seijun Suzuki kommt nicht von ungefähr: Suzuki, Meister der filmischen Dekonstruktion, der in Filmen wie PRINCESS RACCOON, PISTOL OPERA oder TOKYO DRIFTER seine Sets schon mal auf den spartanischen Rahmen einer Theaterbühne herunterstilisierte, um der psychedelischen Ausleuchtung so mehr Gewicht, ja, den Status eines Protagonisten zu verleihen.

Die zahlreichen Actionszenen sind von unterschiedlicher Qualität: damit das Geschlitze und Gehüpfe mangels ausgebildeter Martial Arts-Artisten trotzdem halbwegs schnittig rüberkommt, läßt Guy Moshe die Kamera schon mal mitkämpfen, behält dabei aber ein erwachsenes Publikum im Auge. Dazwischen immer wieder überraschende Momente, die von handwerklicher Raffinesse und Kreativität zeugen: zum Beispiel eine in einem Take gedrehte Sequenz, in der sich Josh Hartnett in OLDBOY-Manier durch mehrere Etagen eines Polizeireviers rauft und boxt, passend untermalt mit Soundeffekten aus einem Arcade-Sidescroller.

Mir hat BUNRAKU, trotz Überlänge und 08/15 Geschichte, gut gefallen: der Voice Over schwafelt nicht, sondern ist prägnant und pointiert, der visuelle Stil bleibt aufregend und folgt einem einheitlichen Konzept. Und um abschließend nochmal auf Seijun Suzuki zurückzukommen: daß sich der Meister mit einem derart generischen, langgezogenen Showdown aus dem Notfallkoffer für akute Schreibblockade zufrieden gegeben hätte, darf bezweifelt werden; stattdessen hätte er den Abschluß mit einer schelmischen Antiklimax (oder einem vergleichbaren formalen Mittelfinger) signiert ... mit der Konsequenz, daß sein Name auf einer schwarzen Liste gelandet, und er über 10 Jahre lang keine Anstellung gefunden hätte; BRANDED TO KILL hieß die Klinge, welche den Geduldsfaden seiner Geldgeber endgültig kappte.

Guy Moshe wollte halt noch ein paar Filme machen. Meinen Segen hat er.

DVD.
Wer nur den Film gucken will, macht mit der deutschen DVD nichts falsch. Der Film liegt im Original-Format vor, das Bild ist scharf, die Farben leuchten. Für den Originalton (Englisch) können wahlweise deutsche Untertitel zugeschaltet werden, allerdings fehlt hier die Option, ausschließlich Subs für japanisch gesprochene Passagen auszuwählen. "Friss oder Stirb" heißt die Devise; der deutsche Ton macht es sich gewohnt einfach: da gibt's nur deutsch. Wer Gackt süß findet, dem reicht das; wer gerne Filme guckt, dreht (zu Recht) die Augen in den Kopf und träumt von einem Rapid Eye Movies-Release. Ansonsten gibt's noch ein paar Trailer. Sicher geht das besser, ist jetzt aber auch kein Grund, den Weltuntergang auszurufen.

Und bevor ich's vergesse: Gackt ist echt okay. Als Samurai.








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