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Wolfgang Büld hat wieder zugeschlagen. Der Mann, der den Punk nach Deutschland brachte und den Klamauk auf die Leinwand und schließlich den Exploitationfilm wieder ins Gedächtnis rief. Zeit seines Lebens ein Fan des Bahnhofskinos macht der Schöpfer von PUNK IN LONDON und GIB GAS ICH WILL SPASS seit nunmehr ca. 5 Jahren endlich das, was er schon immer wollte. Mit PENETRATION ANGST schuf er einen heißgeliebten aber auch vielgescholtenen Film, der direkt einem Hirn eines italienischen Sleaze-Regisseurs der 1970er Jahre entsprungen sein könnte. 2004 legte er mit LOVESICK: SICK LOVE noch eine Schippe drauf. Seine Filme sind sexy, dreckig, brutal und schmierig, ohne wiederum auf dilettantisches Schmuddelniveau zu rutschen.
Nun gibt es den neuesten Streich: TWISTED SISTERS heißt sein neuester Film und dürfte als Höhepunkt der (eigentlich nicht als solche gedachten) Trilogie gelten. Wieder sehen wir Fiona Horsey in der Hauptrolle. Eigentlich sogar in zwei Rollen, spielt sie doch die bürgerliche Jennifer und ihre gestörte mörderische Schwester Nora. Ebendiese streicht durch die Nacht, liest Männer auf, vernascht sie und entledigt sich ihrer auf denkbar brutalste Weise. Da fliegen die Penisse und selbst eine Sylvesterrakete wird zweckentfremdet und entfacht ein rektales Feuerwerk. Gerade in dieser Szene geht Büld in die Vollen und bietet neben Sadomaso- und Analsex auch noch saftigen Splatter. Und trotz dieser Exzesse ist TWISTED SISTERS ein durchaus eleganter Film. Jennifer, die gute Schwester, wird natürlich verdächtigt, für die Taten ihrer Schwester verantwortlich zu sein und rutscht immer mehr in eine Paranoia, die sie aus ihrer heilen Welt mit bürgerlichen Idealen und festem Zukunftsglauben reißt. Nora - the dark Angel - zerstört aus Rachsucht nicht nur das Leben ihre Opfer sondern auch das ihrer heißgeliebten und -gehassten Schwester. Wenn dann im Finale die beiden zum ersten Mal aufeinander treffen, zeigt uns Büld, wo der Hammer hängt. Perfide und bösartige Plottwists reihen sich aneinander und Fiona Horsey darf auch hier wieder ihren knapp bekleideten Luxuskörper gefesselt und geknebelt dem Kameraauge darbieten.
Überhaupt: Fiona Horsey. Galt sie in den beiden Vorgängerfilmen als hübsche Darstellerin, die - durchaus talentiert - doch überwiegend aufgrund ihrer optischen Reize im Cast zu finden war, zeigt sie es diesmal allen Kritikern. Die - zugegebenermaßen dankbare - Doppelrolle der guten und der bösen Schwester bewältigt sie nicht nur mit Bravour, nein, sie verleiht ihren beiden Figuren viele Facetten und bringt sie dem Zuschauer sehr nahe. Interessant ist zu vermerken, dass Büld den Sex zwar graphisch zurückhaltender, inhaltlich aber entfesselter denn je inszeniert. So wirkt der Film sauberer als seine Vorgänger, untergräbt die eigene Wirkung jedoch immer wieder durch brutalste Entgleisungen aus dem konventionellen Thrillergenre. Natürlich atmet der ganze Film an allen Ecken und Enden den Geist eines von Bülds Vorbildern: Brian de Palma. DRESSED TO KILL, BODY DOUBLE und vor allem natürlich SISTERS
durchzieht den ganzen Film. Wobei Büld durchaus seinen eigenen Weg findet und die genannten Vorbilder mit Einflüssen aus dem Exploitationfilmen, die er so liebt, verquickt und diesen Inspirationen ein feinfühliges und schnittiges Drehbuch verpasste. Der Film ist streckenweise spannend und immer wieder sitzt man mit offenem Mund vor der Leinwand, welche Absonderlichkeit sich Büld wieder einfallen ließ. Wenn man Büld kennen lernt verliert man die Angst vorm alt werden.
Auch technisch funktioniert der Film sehr gut. Uwe Bohrer an der Kamera findet schöne Bilder und seine teilweise sehr verspielte Kameraführung ist elegant und gibt dem Film einen artifiziellen Look. Streckenweise ist der Film für die Möglichkeiten einer Kleinstproduktion wunderschön ausgeleuchtet, welches letztgenannte Stimmung formidabel unterstützt. Auch der Schnitt stellt sich angenehm in den Dienst der Sache. Mehrere dynamische Parallelmontagen erzeugen Spannung und eine etwas entrückte Atmosphäre.
Lediglich die Musikauswahl ist sehr konventionell und wirkt etwas uninspiriert. Sie stört zwar nicht, wirkt aber sehr funktional. Wenn man einen Film dreht, der an de Palma gemahnt, läuft vor dem geistigen Ohr natürlich Bernard Hermann ab. Dieser Vergleich wurde von den Produzenten mehr als deutlich heraufbeschworen. Kein Mensch erwartet, mit diesem Meister gleichzuziehen, aber ein wenig mehr Eigenständigkeit in dieser Hinsicht hätte es durchaus sein dürfen. Nun gut, ein Wehrmutstropfen in einem Meer der Freude.
TWISTED SISTERS ist ein richtig guter Film, der in Kürze beim internationalen Filmfest des fantastischen Films in Sidges offizielle Premiere feiern wird und nach weiteren nationalen wie internationalen Festivals im nächsten Jahr den Weg in die heimischen DVD-Regale finden wird. Also, Exploitationfans aufgepasst. Ein Leckerbissen wartet.
Wer sich über das wundersame Universum des Wolfgang Büld informieren will, dem sei das sehr ausgiebige Interview empfohlen.
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