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SUCKER PUNCH (USA 2011)

von Sebastian Moitzheim

Original Titel. SUCKER PUNCH
Laufzeit in Minuten. 109

Regie. ZACK SNYDER
Drehbuch. ZACK SNYDER . STEVE SHIBUYA
Musik. TYLER BATES . MARIUS DEVRIES
Kamera. LARRY FONG
Schnitt. WILLIAM HOY
Darsteller. EMILY BROWNING . ABBIE CORNISH . JENNA MALONE . VANESSA HUDGENS u.a.

Review Datum. 2011-03-30
Kinostart Deutschland. 2011-03-31

Es fällt schwer, SUCKER PUNCH unvoreingenommen zu betrachten. Regisseur Zack Snyder ist für die einen ein visionärer Meisterregisseur, für die anderen spätestens seit seinem aufgrund seiner homophoben Untertöne mindestens bedenklichen 300 ein Dilettant, der sich mit allen Mitteln bei seinem fast ausschließlich männlichen, heterosexuellen Publikum anbiedert. Eines sei vorweg gesagt: Egal, wie man zu Zack Snyder steht - nach SUCKER PUNCH wird sich diese Meinung mit großer Sicherheit noch verfestigen.

Snyder inszenierte zum ersten Mal einen eigenen Stoff und der bietet inhaltlich ziemlich genau das, was man von ihm erwartet: Babydoll (Emily Browning) wird von ihrem Vater, nachdem der ihre Schwester getötet und den Mord auf sie geschoben hat, in eine geschlossene Anstalt abgeschoben. Dort besticht ihr Vater einen Pfleger (Oscar Isaac), eine Lobotomie für Babydoll anzusetzen. Babydoll flüchtet sich nun in eine Traumwelt, in der sie mit vier anderen Mädchen (Abbie Cornish, Jena Malone, Vanessa Hudgens und Jamie Chung) aus einem Bordell flüchten will und dazu vier Gegenstände sammeln muss: eine Karte, Feuer, ein Messer und einen Schlüssel - das hat ihr in einer Vision Der Weise (Scott Glenn) verraten. Der Plan: Babydoll verführt die Männer, die die Gegenstände hüten, indem sie für sie tanzt, die anderen Mädchen stehlen die Gegenstände. Der Zuschauer sieht Babydolls Tänze nicht, stattdessen sehen wir in diesen Momenten eine zweite Fantasie-Ebene, in der Babydoll und die anderen Mädchen in verschiedenen Szenarien gegen Horden von Feinden kämpfen.

SUCKER PUNCH enthält eine Menge Elemente, die anderswo funktioniert haben. Warum der Film trotzdem so kläglich scheitert, lässt sich vielleicht am besten anhand der Werke, die diese Elemente besser nutzen, erklären. So ist uns zum Beispiel die offensichtlich von Videospielen inspirierte Story inklusive von allem, was die Nerd-Kultur zu bieten hat, inspiriertem Stil noch frisch in Erinnerung von SCOTT PILGRIM GEGEN DEN REST DER WELT. Das funktionierte, weil die Charaktere des Films selbst Videospiel-begeistert sind, selbst Teil der Kultur sind, an der der Film sich bedient. Die Figuren in SUCKER PUNCH haben keinen Charakter, weswegen auch kein einziges der Szenarien, egal ob Nazi-Zombies oder Tolkiensche Fantasy, Babydolls Charakter widerspiegeln könnte. Es gibt letztlich keinen Grund, warum sie sich genau diese Szenarien vorstellt, außer den, dass sie Zack Snyder gefallen.

Ähnlich verhält es sich mit der Idee des Traums in einem Traum. Es gibt wohl kaum einen Zuschauer, der hier nicht an INCEPTION denkt - ein Film, dem man vieles vorwerfen kann, nicht jedoch einen Mangel an Exposition. Es war stets (über-)deutlich, wie sich Traum und Realität zueinander verhalten, welche Konsequenzen Ereignisse in der Realität auf den Traum haben. In SUCKER PUNCH sind diese Relationen wenn überhaupt nur diffus vorhanden. Wenn es um das Feuer geht, stellt Babydoll sich Drachen vor und wenn der Plan nicht ganz so verläuft wie gewünscht, geht auch in der Traumwelt irgendetwas schief - doch welches Mädchen im Traum welche Aufgabe erfüllt, wie genau das Stehlen der Gegenstände in der Realität abläuft und was um alles in der Welt eine Bombe mit einem Küchenmesser zu tun hat, das bleibt offen. So entsteht auch in den Actionszenen leider nie das Gefühl, dass etwas auf dem Spiel steht, weil eigentlich nie ganz klar ist, was die Ereignisse in der Traumwelt zu bedeuten haben.

Zu guter Letzt, vielleicht am ärgerlichsten, steht Zack Snyders Behauptung im Raum, die Flucht der leicht bekleideten Mädchen aus dem Bordell sei empowering, transportiere eine feministische Botschaft - eine Behauptung, die auch im unsäglich pathetischen Schlussmonolog des Films mitschwingt. Als Vergleich bieten sich hier als Musterbeispiel BUFFY THE VAMPIRE SLAYER, deren Sexappeal ebenfalls ein wichtiger Teil der Serie war, sowie, vielleicht noch etwas passender, die Braut aus KILL BILL an. Beide lassen sich zu unterschiedlichen Teilen (letzterer enthält durchaus auch ein Exploitation-Element) als feministisch deuten, doch es ist falsch, daraus (wie Snyder es offenbar tut) die einfache Gleichung "sexy Frauen treten Männern in den Arsch = Feminismus" abzuleiten. Die genannten Figuren zeichnen sich dadurch aus, dass sie runde Charaktere sind, dass sie eine echte, glaubhafte Backstory und nachvollziehbare, eigenständige Emotionen haben. Babydoll, noch die charakterlich am deutlichsten herausgearbeitete Figur, definiert sich, wenn auch negativ, letztlich doch nur über einen Mann - über die Misshandlung durch ihren Vater hinaus erfahren wir nichts von ihr. Dass wir ihren Tanz nie sehen, hält Snyder vielleicht für subversiv, es ändert aber nichts daran, dass sie sich, um Freiheit zu erlangen (und sei es nur die Freiheit ihrer Traumwelt), letztlich auf ein Objekt reduzieren lassen muss - eine zweifelhafte, jedenfalls keine feministische Botschaft.

Es muss auch gesagt werden, dass wer Snyder wegen seiner angeblich "stylischen" Inszenierung mochte, ihn nach SUCKER PUNCH wohl lieben wird - all seine Trademarks, vom exzessiven Zeitlupeneinsatz über die wirklich ansehnlichen Set Pieces bis hin zu seinem brachialen Einsatz von Musik sind hier im Überfluss vorhanden. Wer aber nicht gerade überzeugter Snyder-Fan ist, findet in SUCKER PUNCH lediglich einen unkonzentrierten, heuchlerischen Film, der nicht nur seine angebliche Botschaft, sondern auch eine stringente, nachvollziehbare Story, eine irgendwie glaubhafte Welt sowie originelle Ideen bestenfalls vortäuscht.











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