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STADT DER GEWALT (Hong Kong 2009)

von Andreas Neuenkirchen

Original Titel. SAN SUK SI GIN
Laufzeit in Minuten. 120

Regie. DEREK YEE
Drehbuch. DEREK YEE . TIN NAM CHUN
Musik. PETER KAM
Kamera. NOBUYASU KITA
Schnitt. KA-FAI CHEUNG . CHI-LEUNG KWONG . MAN TO TANG
Darsteller. JACKIE CHAN . NAOTO TAKENAKA . DANIEL WU . JINGLEI XU u.a.

Review Datum. 2010-01-12
Kinostart Deutschland. nicht bekannt

Ein freudig erregter Kinobesucher, belauscht vor der Eröffnungsvorstellung des Asia Filmfests 2009: "Endlich! Ich wollte schon immer mal Jackie Chan im japanischen Original sehen!" Sein verdutzter Begleiter klärte ihn auf, dass Jackie Chan keineswegs Originaljapaner sei, noch der folgende Film in irgendeiner Weise ein Jackie-Chan-Film wäre, sondern die sanftmütige Bestattungstragikomödie NOKAN - DIE KUNST DES AUSKLANGS.

Und doch: Ein paar Tage später ging der Wunsch des schlecht informierten Filmfreundes endlich in Erfüllung. In STADT DER GEWALT reist Jackie Chan nach Japan und spricht auch ein paar Brocken der Landessprache. Als Bauer Tietou kommt er in 1990ern nach Tokio, um nach seiner Freundin zu suchen, die dort verschollen ist. Sie ist inzwischen die Frau eines Yakuza, der auch Tietou unter seine Fittiche nimmt, nachdem der ihm das Leben gerettet hat. Der Chinese wird selbst zu einer Nummer in der Unterwelt des Regierungs- und Vergnügungsviertels Shinjuku, aber lange kann das nicht gut gehen, denn den konservativeren Yakuza ist er ebenso ein Dorn im Auge wie einer taiwanesischen Gang, mit der er und seine chinesischen Einwandererfreunde immer wieder aneinandergeraten.

STADT DER GEWALT ist der erste richtig ernsthafte Film mit Jackie Chan, deshalb gleich die Antwort auf die brennendste Frage: Yes, he can. Schauspielern. Und das ist doch eine gehörige Überraschung, denn – seine sportlichen Leistungen in allen Ehren – in seinen komischen Filmen schien er Schauspielerei stets mit wildem Grimassieren und Armewedeln zu verwechseln. In STADT DER GEWALT spielt er seine Rolle mit stoischer, sympathischer Glaubwürdigkeit. Dass man die Figur am Ende nicht mehr abkauft, ist nicht Chans Schuld. Regisseur Derek Yee bringt einem Tokio genauso souverän atmosphärisch näher wie seine eigene Heimat in Hongkong-Filmen wie ONE NIGHT IN MONGKOK - NACHT DER ENTSCHEIDUNG oder PROTÉGÉ, aber das Drehbuch, das er mitverantwortete, überzeugt insbesondere in der zweiten Hälfte kaum. STADT DER GEWALT wirkt wie ein Gangster-Epos im Zeitraffer. Die Wandlung der Hauptfigur vom gutmütigen, naiven Landei zum kaltblütigen Killer und Machtmenschen ist in ihrer Plötzlichkeit nicht nachvollziehbar. Auch andere Figuren machen gar seltsame Wandlungen durch. Ein Freund Tietous wird so schnell vom redlichen Snack-Verkäufer, der selbst bei kleineren Gaunereien seiner Kumpel Schweißausbrüche bekommt, zu einem lärmenden, koksenden Tokio-Hotel-Punk, dass man meint, der Filmvorführer hätte eine Rolle ausgelassen. Sicherlich ist es so, dass die Handlung einige größere Zeitsprünge macht, aber sie sind zum einen nicht immer eindeutig als solche auszumachen, zweitens als erzählerischer Kniff äußerst unglücklich gewählt.

Gerne wird um die Gunst hartgesottener Filmfans mit der Tatsache geworben, dass es STADT DER GEWALT wegen der Gewalt in der Volksrepublik China nicht durch die Zensur geschafft hätte. Zwar ist der Film nicht zimperlich in entscheidenden Momenten, dennoch darf bezweifelt werden, dass die Brutalität der einzige oder überhaupt ein Grund für das Verbot war. Viel kontroverser mag die Vorstellung sein, dass es in China so schlimm sein könnte, dass man ausgerechnet nach Japan auswandern muss. Eine Schrifteinblendung vor dem Abspann, die klarstellt, dass es China ja inzwischen wirtschaftlich viel besser gehe und kaum einer mehr auswandern müsse, hat wohl auch nicht geholfen. Möglicherweise mochte man Volkshelden Chan auch nicht als skrupellosen Killer sehen, der schon mal bei Huren liegt. Wir aber sehen das gerne. Noch lieber hätten wir es jedoch in einem besseren Film gesehen.











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