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FILM.
Duftender Hafen heißt Hong Kong in direkter Übersetzung. Ein poetischer Name, der wohl noch aus anderen Zeiten stammt. Denn das Hong Kong der Gegenwart riecht eher nach staubiger Korruption und dreckigem Kapital, nach kaltblütigem Mord und schwerer Melancholie. Jedenfalls dann, wenn man die Lupe zückt und auf den Stadtteil Mongkok richtet, in dem sich einzelne Protagonisten im wohl am engsten besiedelten menschlichen Ameisenhaufen der Welt zusammenfinden. Genau das tut Derek Yee in seinem Film ONE NITE IN MONGKOK - und er tut es gut, um gleich zu Anfang alles zu verraten. Denn auch Verrat gehört zu diesem Film.
Mongkok in Hong Kong. Gaunermilieu. Eine Momentaufnahme, die mal wieder einen Youngster der örtlichen Mafia zeigt, der aus unerfindlichem Grund ins Gras beißen muss. Wahrscheinlich einfach deswegen, weil er zur falschen Zeit am falschen Ort ist. Oder so. Und da es sich um den Filius eines ortsansässigen Gangsterbosses handelt, schwört dieser natürlich Rache. Doch: Die Drecksarbeit sollen andere machen. Und so kommt Lai Fu ins Spiel, ein Auftragskiller mit emotionaler Ader. Denn: Ein Killer kostet nur Geld, eine echte Lösung Gedanken. Der simple Lösungsansatz dringt auch zu den Cops durch, die sich auf meist verlorenem Posten auch gerne der unlauteren Methoden der Gegenseite bedienen. Und so verrät schließlich jeder jeden, und am Ende sind alle schlicht allein auf weiter Flur.
Derek Lee zeichnet das Hong Kong des 21. Jahrhunderts in mehr als düsteren Farben. Die Protagonisten bilden gemeinsam die Biosphäre Mongkoks, sie haben den gleichen Traum vom schnellen Geld, den gleichen Ursprung irgendwo im Hinterland und mit dem Auftragskiller auch den selben Sündenbock. Ob Gangsterbosse, Polizei, geldgeile Prostituierte oder schlicht die getriebenen Menschenmassen Hong Kongs - alle jagen nur die Abstraktion von Glück, die sie irgendwann aus ihren Heimatdörfern in die Stadt getrieben hat und sie dort vergiftete. Und so ist ONE NITE IN MONGKOK nicht zuletzt auch als eine Kritik am neokapitalistischen China zu lesen, die oft ganz unverblümt zwischen den 24 Bildern pro Sekunde hindurch blitzt. Immer wenn die Erkenntnis eins der Rädchen im Getriebe trifft, wird es ganz still - und das erheiternde Lachen im Anschluss ist nur noch mit radikalem Eskapismus zu ertragen. Die Lüge ist das, was vom Leben noch übrig bleibt.
ONE NITE IN MONGKOK ist unter seiner dünnen Gangsterfilmoberfläche also vor allem ein hervorragendes politisches Sozialdrama. Die Konflikte zwischen Dorf und Stadt, zwischen Daheimgebliebenen und Weggegangenen demaskieren die Probleme der chinesischen Gesellschaft auf radikale Art und Weise, ohne den unterhaltenden Aspekt aus den Augen zu verlieren. Gut und Böse, Schwarz und Weiß sind am Ende nur Schattierungen von dreckigem Grau. Und so geht von diesem Film ein unangenehmer Geruch der Wahrheit aus, der am Ende im finalen Monolog die Frage rechtfertigt: "Warum heißt diese Stadt eigentlich Hong Kong?".
DVD.
Leider lag für die Rezension nur eine extrem reduzierte Presse-DVD vor. Nicht zuletzt wegen des durchlaufenden Timecodes, der immer wieder von der Bildqualität ablenkt, kann leider keine Aussage über Optik und Sound getroffen werden. Auch Extras waren auf der vorliegenden DVD nicht enthalten.
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