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PENINSULA (Korea 2020)

von André Becker

Original Titel. PENINSULA
Laufzeit in Minuten. 116

Regie. YEON SANG-HO
Drehbuch. YEON SANG-HO . PARK JOO-SUK
Musik. MOWG
Kamera. LEE HYEONG-DEOK
Schnitt. YANG JIN-MO
Darsteller. GANG DONG-WON . LEE JUNG-HYUN . LEE RE . KWON HAE-HYO u.a.

Review Datum. 2020-11-01
Kinostart Deutschland. 2020-10-08

Vier Jahre sind heutzutage für Fortsetzungen eine lange Zeit. Üblicherweise vergehen selten mehr als zwei Jahre bis das Sequel zum Erfolgsfilm in den Startlöchern wartet. Diese kurze Zeitspanne erweist sich häufig als eher ungünstig. Insbesondere Fortsetzungen von Box-Office-Hits, die eher unverhofft Kasse gemacht haben, bleiben oftmals stark hinter den Erwartungen zurück. Ausnahmen gibt es natürlich, aber meist gilt die simple Erkenntnis, dass ein bisschen mehr Zeit für Produktion und Drehbuch dem jeweiligen Endprodukt gutgetan hätte. Die vergleichsweise lange Wartezeit auf den Nachfolger von TRAIN TO BUSAN weckte insofern durchaus die Hoffnung kein hastig hinterher geschobenes Reißbrettprodukt vorgesetzt zu bekommen.

Regisseur Yeon Sang-Ho hat PENINSULA zwar in der Welt des Vorgängers angesiedelt, auf die Einbindung von Charakteren aus dem Erfolgsfilm von 2016 wird allerdings verzichtet. Das Sequel setzt vier Jahre nach den Ereignissen von TRAIN TO BUSAN an und lässt in einer Art Prolog (in Form eines Fernsehinterviews) noch einmal Revue passieren, was Südkorea so in den Abgrund gestürzt hat.

In PENINSULA ist die Halbinsel vom Rest der Welt komplett abgeschottet. Das Land steht alleine da, internationale Hilfe ist nicht in Sicht. Einige Einwohner haben es dennoch geschafft und sind der todbringenden Seuche, die Menschen in Untote verwandelt, entkommen. Einer von ihnen ist der Soldat Jung-seok (Gang Dong-won), der es zusammen mit dem Mann seiner verstorbenen Schwester gerade noch rechtzeitig ins sichere Hong Kong geschafft hat. Sein Leben in der Ferne ist jedoch alles andere als glücklich. Sein Aufenthaltsstatus ist ungeklärt und auch die Einwohner der ehemaligen Kronkolonie verhalten sich feindselig. Er zögert daher nicht lange, als er das Angebot erhält zusammen mit seinem Schwager und weiteren Landsleuten nach Südkorea zurückzukehren und dort einen Transporter mit mehreren Millionen US-Dollar aufzuspüren. In ihrer ehemaligen Heimat angekommen erkennt die bunt zusammengewürfelte Truppe rasch, dass die Untoten nicht die einzige Gefahrenquelle sind. Eine marodierende Bande mit Namen Unit 631 hat das, was vom Land übriggeblieben ist, fest in ihrer Hand und terrorisiert die letzten Einwohner mit menschenverachtender Härte. Als die Einheit von Jung-seoks Mission erfährt, beginnt eine gnadenlose Hetzjagd durch die Straßen und Häuserschluchten der Millionenmetropole.

TRAIN TO BUSAN sorgte 2016 für frischen Wind und neue Impulse im Zombie-Genre und zeigte, dass diese Spielart des Horrorfilms noch für die eine oder andere Überraschung gut ist. Vier Jahre sind seitdem vergangen und wenn man sich einmal anschaut welche Produktionen mit Zombie-Thematik seitdem veröffentlicht wurden, dann sticht der actionlastige Film aus Südkorea weiterhin heraus. PENINSULA tritt daher in große Fußstapfen und trifft auf hohe Erwartungen. Insbesondere da Yeon Sang-Ho wieder auf dem Regiestuhl sitzt und mit seinem letzten Film, der via Netflix verfügbaren Comedy TELEKINESE bewies, dass er auch in anderen Genres nicht daneben greift.

PENINSULA setzt noch stärker als der Vorgänger auf die Actionmomente seiner Story. Dies wird bereits nach knapp einer halben Stunde deutlich, als Jung-seok und Co. in der Hauptstadt ankommen und auf den verlassen wirkenden Straßen mit viel Feuerkraft einen Zombieangriff abwehren müssen. Erneut sind die Zombies dabei unfassbar schnell und speziell in ihrer massenhaften Zusammenrottung besonders heimtückisch. Yeon Sang-Ho fokussiert sich insofern abermals auf die Gefahrenquellen Schnelligkeit und Masse, die seit 28 DAYS LATER und WORLD WAR Z fest im Mainstream-Kino etabliert sind und auch hier gekonnt als Spannungstreiber eingesetzt werden.

Im Gegensatz zu TRAIN TO BUSAN, bei dem sich die in einem Zug eingeschlossenen Fahrgäste nur mit bloßer Körperkraft und einigen wenigen zur Waffe umfunktionierten Gegenständen (Baseballschläger etc.) wehren konnten, wird im Sequel aus allen Rohren gefeuert. Das sorgt für zahlreiche brachiale Actionhighlights, deren Höhepunkt eine rasante Verfolgungsjagd bildet, die sehr offenkundig als Hommage an die Mad-Max-Filme inszeniert wurde. Nicht nur diese Sequenz strotzt vor Energie und erhält durch das perfekte Zusammenspiel von Schnitt und Sound eine atemlose, filmeigene Dynamik. Lediglich die teils zu offensichtlichen CGI trüben das Sehvergnügen und lenken davon ab, dass man bei der Fortsetzung ansonsten rasantes Actionkino im besten Sinne geboten bekommt.

Blitzen in TRAIN TO BUSAN immer wieder deutliche Horrormomente auf, so sind sie in PENINSULA nahezu verschwunden. Die Produktion wirkt somit beinahe wie ein annähernd jugendfreier Abenteuerfilm im apokalyptischen Setting. Die Zombies werden als konstante, aber fast schon nebensächliche Bedrohung abgehandelt. Eine Bedrohung, für deren Bekämpfung man (bzw. eine Jungdarstellerin) zwar auf diverse Tricks zurückgreifen muss, die dann aber durchaus handhabbar ist. Nicht umsonst werden die Untoten in gefühlt jeder Szene einfach von den vollautomatischen Waffen niedergemäht (oder im Finale einfach mit ps-starken Vehikeln überfahren). Als viel gefährlicher wird die Einheit 631 gezeichnet. Die von ihr ausgehende Gefahr und ihre menschliche Verrohung vermittelt Yeon Sang-Ho über die Darstellung eines grausamen Spiels, bei dem die Einheit ausgehungerte Menschen gegen Zombies in einer Art Arena antreten lässt. Weitere Ebenen bei der Charakterzeichnung gibt es leider kaum auszumachen.

Dies ist dann auch der zentrale Kritikpunkt, der einen geradezu anspringt, wenn man sich noch einmal die vielseitigen Qualitäten von TRAIN TO BUSAN vor Augen führt. Die Charaktere in PENINSULA bleiben in den knapp zwei Stunden Laufzeit größtenteils skizzenhaft ausgearbeitet. Ihre Motivation, ihr Innenleben, all das bleibt wenig greifbar. Lediglich dem Hauptcharakter gesteht das Skript eine Entwicklung zu, die von Gang Dong-won auch glaubhaft erfahrbar gemacht wird. Die ausnahmsweise mal nicht (wie sonst im Kino aus Südkorea) zum Overacting tendierenden Fieslinge sind halt zutiefst böse und verkommen, die weiteren Sympathieträger nur dazu da im ausgedehnten und pathosgetränkten Finale starke Emotionen zu wecken. Emotionen für die es eine solide Ausgangsbasis bei der Charakterzeichnung gebraucht hätte, was der Film jedoch nicht wirklich vermag umzusetzen.

Alles in allem weiß PENINSULA also als anspruchsloses Popcorn-Kino durchaus zu gefallen, schafft es aber nicht mehr zu bieten, als Fun und Entertainment. Mit entsprechend angepassten Erwartungen wird man ordentlich bei der Stange gehalten. Das auf jeden Fall. Wer allerdings genauer hinschaut wird in Yeon Sang-Hos Film diverse Dinge finden, die die Wertung weiter nach unten ziehen. Sei es die Drehbuchdefizite bei den Figuren oder die verschenkten Möglichkeiten mit der Geschichte auch gesellschaftspolitische Fragen anzugehen. Insbesondere die in den Anfangsminuten erwähnte Isolation Südkoreas und die internationale Abwehrhaltung gegenüber den koreanischen Geflüchteten hätte einige Ansatzpunkte für eine mehrdeutige Hinwendung zum Thema geboten. Yeon Sang-Ho verschenkt dieses Potential jedoch und schneidet die politische Dimension eher alibimäßig an. Schade.

PENINSULA ist somit trotz der massig vorhandenen Schauwerte dennoch eine kleine Enttäuschung und weit davon entfernt nachhaltig im Gedächtnis zu bleiben. Da wäre mehr drin gewesen. Manchmal sind vier Jahre eben doch nicht genug.











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