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TRAIN TO BUSAN (Korea 2016)

von André Becker

Original Titel. BUSANHAENG
Laufzeit in Minuten. 118

Regie. SANG-HO YEON
Drehbuch. SANG-HO YEON
Musik. JANG YOUNG-GYU
Kamera. HYUNG-DEOK LEE
Schnitt. JIN-MO YANG
Darsteller. YOO GONG . YU-MI JEONG . DONG-SEOK MA . SOO-AN KIM u.a.

Review Datum. 2016-11-30
Kinostart Deutschland. 2016-12-02

Die Zeiten, in denen jeder Genre-Film aus Südkorea sehnsüchtig erwartet wurde, sind mittlerweile vorbei. Nichtsdestotrotz können immer wieder echte Perlen im Output der, noch vergleichsweise jungen Filmindustrie, entdeckt werden. TRAIN TO BUSAN ist eine solche Perle. Gewohnt edel gefilmt, aber ohne die für südkoreanische Produktionen oftmals obligatorischen Längen, erweist sich der Zombiefilm aus der Feder von Sang-Ho Yeon als einer der besten Beiträge zum Thema seit langer, langer Zeit.

Ähnlich wie der gemeinhin sträflich unterschätzte WORLD WAR Z setzt Sang-Ho Yeon den Startpunkt seiner Geschichte an den Anfang der Untotenseuche. Will heißen: Die Welt ist (noch) nicht komplett aus den Fugen geraten und nach wie vor haben die Menschen das Sagen. Die Zombieapokalypse steckt also mehr oder minder noch in den Kinderschuhen. Dennoch ist bereits sichtbar, dass den Regierungen die Situation entgleitet. Dies müssen vor allem die Passagiere eines Schnellzuges feststellen, denn sowohl im Zug selbst, als auch in den angefahrenen Bahnhöfen regiert das blanke Grauen in Form wilder Zombiemassen. Ein letzter Ausweg scheint dabei die Stadt Busan zu sein, gerüchteweise noch zombiefrei und unter Kontrolle der Sicherheitskräfte. Bis dahin ist es allerdings ein weiter Weg und die Zuggäste müssen erkennen, dass die in den Abteilen lauernden Toten nicht ihr einziges Problem sind.

TRAIN TO BUSAN interessiert sich neben den jeweiligen Spannungsmomenten rund um die Zombieangriffe vor allem für sozialpsychologische Fragestellungen. Wie entstehen Gruppendynamiken im Kontext einer Extremsituation? Wie brüchig sind zivilisatorische Errungenschaften angesichts lebensbedrohlicher Umwelteinflüsse? Was passiert mit dem einzelnen Individuum, wenn jeder nur noch das eigene Überleben im Sinn hat usw.? Das sind zweifellos keine neuen, geschweige denn besonders innovative, genre-spezifischen Fragen. Romero und co. haben diese Felder schon vor Jahrzehnten ausgiebig beackert. Dennoch gelingt es Sang-Ho Yeon hervorragend diese Aspekte und ihre Implikationen herauszuarbeiten.

Anhand unterschiedlicher Charaktere (ein aufstrebender Geschäftsmann und seine minderjährige Tochter, ein prolliger Macho und seine schwangere Frau, mehrere jugendliche Sportler) und ihrer Verhaltensweisen wird fast die komplette Bandbreite möglicher Reaktionen auf eine extreme Bedrohungssituation aufgezeigt: Zusammenhalt und Solidarität, Isolation und Egozentrik. Das Positive wird dem Negativem gegenübergestellt, das Damoklesschwert der endgültigen Auslöschung durch die Zombiehorden stets in unmittelbarer Nähe. Mit seinen alters- und milieuübergreifenden Figuren zeichnet das Drehbuch hier ein sehr konkretes Abbild unserer Gesellschaft. Im Gegensatz zu vielen anderen Genre-Vertretern gesteht das Skript den Charakteren überdies nachvollziehbare Entwicklungen zu. Entwicklungen, die gerade im Falle der Hauptfigur, des zunächst als eher kaltherzig auftretenden Business-Manns, im Sinne der Dramaturgie eine immer weitreichende Zuspitzung erfahren.

Die Wandlung, die diese Figur im Film durchmacht, kommt nicht ganz ohne Sentimentalität aus. Vorwerfen kann man dies den Machern jedoch nicht. Einerseits da man die ganz großen Klippen anstrengender Rührseligkeit gekonnt umschifft und anderseits weil Vater und Tochter wirklich grandios gut gespielt sind. TRAIN TO BUSAN erzählt diesbezüglich auch von kindlicher Unschuld und dem Triumph über die Verrohung der Erwachsenenwelt. Während Hollywood einen solchen Bedeutungszusammenhang in zuckersüße Kitschorgien tränken würde, wahrt die südkoreanische Produktion einen angemessenen Abstand und gibt sich betont nüchtern.

Darüber hinaus ist TRAIN TO BUSAN aber ebenfalls eine hyper-rasante, hochspannende Tour der force, die ihrem Publikum kaum eine Verschnaufpause zugesteht. Das enorm hohe Tempo driftet dabei glücklicherweise nie in die anstrengende Hektik ab, die gegenwärtig das Event-Kino dieser Tage so unangenehm zappelig macht. Die Zombieangriffe sind jeweils perfekt getimt und treiben das Geschehen tatsächlich sinnvoll voran. Wenn im Showdown schließlich die Bedrohung eine letzte Steigerung erfährt, wird man ein letztes Mal mit einem großen Wumms in den Kinosessel gedrückt. Wer in diesen finalen Szenen nicht gehörig mitzittert und schweißnasse Hände kriegt, hasst entweder die Funktionsweise des Genre-Films zutiefst, oder ist vom stromlinienförmigen US-Mainstream schon nachhaltig versaut worden.

TRAIN TO BUSAN ist insofern endlich mal wieder ein Zombiefilm, der wirklich nachhaltig beeindruckt. Ein waschechter Horror-Volltreffer, der seine Zuschauer gehörig durchschüttelt und sie mit permanenter Hochspannung herausfordert, ihnen dabei aber gleichzeitig auch intelligenten Stoff für ihre Gehirnzellen bietet. Nicht nur für Horror-Liebhaber unbedingt sehenswert und die Begutachtung auf der großen Leinwand definitiv wert.

TRAIN TO BUSAN startet am 02.12. deutschlandweit als einmaliges Kino-Event.











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