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NIGHTMARE DETECTIVE (Japan 2006)

von Björn Eichstädt

Original Titel. AKUMU TANTEI
Laufzeit in Minuten. 106

Regie. SHINYA TSUKAMOTO
Drehbuch. SHINYA TSUKAMOTO
Musik. TADASHI ISHIKAWA . CHU ISHIKAWA
Kamera. SHINYA TSUKAMOTO
Schnitt. SHINYA TSUKAMOTO
Darsteller. RYUHEI MATSUDA . HITOMI . MASANOBU ANDO . SHINYA TSUKAMOTO u.a.

Review Datum. 2007-03-20
Kinostart Deutschland. direct-to-video

Träume sind der Spiegel der Seele. Wer offenen Auges in diesen blickt, der bekommt die ansonsten in jahrelanger psychoanalytischer Kleinarbeit herausgeschälten Traumata, die verdrängten Ängste und Sehnsüchte eines Menschenlebens mit einem Schlag auf dem Silbertablett serviert. Das kann Aufschluss und detaillierte Erkenntnis liefern, gleichzeitig aber zutiefst verstören. Wenn man es dann noch mit dem Unterbewussten einer ganzen Gesellschaft zu tun bekommt, ist das kein Spaß mehr. Doch Shinya Tsukamoto wäre nicht der wichtigste Regisseur des japanischen Gegenwartskinos, wenn er seinen NIGHTMARE DETECTIVE - allein für das gute Gefühl im Kinosaal - schonen würde.

Dass mit der japanischen Gesellschaft vieles nicht stimmt, wissen Filmgourmets schon länger. Die Werke Shinya Tsukamotos, aber auch die seines Bruders im Geiste, Kiyoshi Kurosawa, illustrieren bereits seit Jahren die Schieflage einer Nation, deren Zugang zu primärer Lebenslust verstellt scheint, die zunehmend in den kollektiven seelischen Selbstmord abdriftet. Die faktischen Ursachen dieser japanischen Krankheit lotete der Amerikaner Michael Zielenziger in seinem im vergangenen Jahr erschienenen Buch Shutting Out The Sun aus externem Blickwinkel en Detail aus. Tsukamoto findet jetzt eine triste quasimonochrome Optik in Blau und Beige, um die Emotion seines Volkes aus der Innensicht heraus auf die Leinwand zu bringen. Und um die Gefühlslage Japans ist es weiterhin keineswegs gut bestellt; so viel ist bei NIGHTMARE DETECTIVE bereits nach wenigen Minuten klar.

Da watet die Polizistin Keiko gerade zielstrebig durch ein Meer aus Blut. Menschen töten sich selbst im Schlaf, während sie träumen. Zuvor haben alle Opfer scheinbar mit ein und demselben Menschen über ihr Mobiltelefon gesprochen. Doch ansonsten ist die Faktenlage äußerst mager. Die Lösung der mysteriösen Selbstmorde ist in der Folge nicht zuletzt die Bearbeitung eines psychoanalytischen Falls: wer den Mörder findet, der findet auch den Schlüssel zum eigenen Überleben. Zu Hilfe kommt Keiko bei ihrer Mission der NIGHTMARE DETECTIVE, gespielt von Ryuhei Matsuda aus BIG BANG LOVE: JUVENILE A, der die Fähigkeit besitzt in die Träume Fremder einzutauchen. Das ist natürlich nicht immer von Vorteil für sein eigenes Seelenleben, doch gerade diese Tatsache rettet Keiko schließlich das Leben: Sie ist gezwungen, sich mit der eigenen Todessehnsucht zu konfrontieren.

Nach seinen drei Meisterwerken A SNAKE OF JUNE, VITAL und HAZE wechselt Shinya Tsukamoto mit NIGHTMARE DETECTIVE sanft die Richtung. Wo die Vorgänger vor allem das Innenleben einer einzigen Person beleuchteten, da weitet der aktuelle Film den Blick auf das Dilemma einer ganzen Nation: Die Sprachlosigkeit, die fehlende Selbstreflexion und den Verlust des Zugangs zum emotionalen Ich. Extrem krudes und hämmerndes Sound-Design, aufdringliche, teils plakative Bilder und eine vordergründig zugänglichere Geschichte sind die Zutaten, die aus Tsukamoto den künstlerischen Analytiker für alle Japaner machen könnten. Bis dahin ist es sicher noch ein weiter Weg. Doch nicht zuletzt das hoffnungsvolle Ende zeigt, dass der erste Schritt mit diesem Film getan ist. Ein weiteres Meisterwerk des Regisseurs von Tetsuo.











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