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VITAL (Japan 2004)

von Björn Eichstädt

Original Titel. VITÂRU
Laufzeit in Minuten. 86

Regie. SHINYA TSUKAMOTO
Drehbuch. SHINYA TSUKAMOTO
Musik. CHÛ ISHIKAWA
Kamera. SHINYA TSUKAMOTO
Schnitt. SHINYA TSUKAMOTO
Darsteller. TADANOBU ASANO . NAMI TSUKAMOTO . KIKI . KAZUYOSHI KUSHIDA u.a.

Review Datum. 2005-12-22
Kinostart Deutschland. direct-to-video

Cyberpunk - ein Begriff, den der japanische Ausnahme-Regisseur Shinya Tsukamoto bestimmt seit geraumer Zeit nicht mehr hören kann. Leider machen fast alle, die sich über Tsukamoto äußern, die TETSUO-Schublade erstmal ganz weit auf. Die andere, kaum kreativere Schiene ist Body Horror und damit die Bezichtigung des Wilderns im Cronenbergschen Jagdrevier. Doch so wie David Cronenberg hat sich auch Shinya Tsukamoto schon längst aus den Fesseln der Festlegung befreit und zeigt nach A SNAKE OF JUNE in seinem neuesten Film VITAL, einem der Höhepunkte des diesjährigen Asia Filmfests in München, dass er schon sehr viel tiefer gedrungen ist. Jenseits der Hülle wartet das Innerste. Und so ist VITAL eine Reise ins Ich.
Hiroshi, gespielt vom herausragenden Tadanobu Asano, ist Medizinstudent und nach einem Autounfall dem Tod nur knapp entronnen. Der Weg vom ersten Erwachen zum wirklichen Weiterleben führt über eine Obduktion seiner Vergangenheit; eine Sezierung dessen, was einst sein Leben war. Denn: Das Gedächnis ist weg und die Erinnerung an und die Liebe für Ryôko, seine Freundin, die im Unfallfahrzeug ums Leben kam, ein blinder Fleck. Anhaltspunkte für das Gestern liefern ihm zunächst nur Bücher und Aufzeichnungen aus dem Studium. So begibt sich Hiroshi, auf der Suche nach der eigenen Vergangenheit, zurück an den Seziertisch. Und hier brechen erste grelle Risse der Erinnerung ins leere Alltagsleben. Während der angehende Arzt Sehnen, Muskeln und Organe freilegt, kehrt die Erinnerung zurück. Und mit ihr die Erkenntnis, dass die Leiche auf dem Tisch seine tote Freundin ist.
Wer jetzt mit Body Horror rechnet, wird enttäuscht. Vielmehr ist die "Liebe zum Detail" das, was VITAL in der Folge ausmacht. Hiroshi zerlegt die Freundin bis in die kleinsten Teile, zeichnet jede Einzelheit gewissenhaft auf große Papierbögen und dringt in jede Pore des Körpers und damit auch der Vergangenheit. Er trifft Ryôko in einer Welt, die jenseits der auch filmerisch isolierten Realität liegt, sucht den Beginn der Beziehung im grünen Garten Eden, geht zurück an den Beginn der Schöpfung, und findet auf diesem Weg Stück für Stück seine "Vitalität" zurück. Je tiefer er in Ryôko eindringt, desto klarer wird das Paradies seiner Erinnerung. Schließlich kehrt sogar die Liebe wieder und Hiroshi ist bereit, seine Freundin zu Grabe zu tragen und zu betrauern, ohne die gewonnene Erinnerung zu verlieren. Und am Ende wird er auch bereit sein für das Leben danach.
Mit VITAL hat Shinya Tsukamoto nach A SNAKE OF JUNE seinen zweiten sehr reifen Film abgeliefert. Der Streifen ist ein Sinnbild für das Überwinden, Verarbeiten und Bewahren einer verlorenen Liebe, das mit kraftvollen und wahrhaft schönen Bildern überzeugen kann. Auch TETSUO wird auf der Metaebene zu Grabe getragen. Die Erinnerung an den Erstling des Regisseurs sollten wir nicht verlieren, doch die Vitalität Tsukamotos liegt in seinem gegenwärtigen Werk.











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