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GOEMON (Japan 2009)

von Andreas Neuenkirchen

Original Titel. GOEMON
Laufzeit in Minuten. 128

Regie. KAZUAKI KIRIYA
Drehbuch. KAZUAKI KIRIYA . TETSURO TAKITA
Musik. AKIHIKO MATSUMOTO
Kamera. KAZUAKI KIRIYA
Schnitt. KAZUAKI KIRIYA . CHISAKO YOKOYAMA
Darsteller. YOSUKE EGUCHI . TAKAO OSAWA . RYOKO HIROSUE . JUN KANAME u.a.

Review Datum. 2010-01-05
Kinostart Deutschland. nicht bekannt

Kazuaki Kiriyas Filmdebüt CASSHERN war 2004 ein ziemlicher Flop, muss aber mit seinen digital verfremdeten Bildern und virtuellen Kulissen als wegbereitend für Filme wie 300 oder SIN CITY gelten, ob das nun ein Verdienst ist oder nicht. Diesem Stil ist der gewohnheitsmäßige Clip-Regisseur und Fotograf treu geblieben mit seinem zweiten Spielfilm GOEMON. Diesmal aber hatte er mehr Personal, mehr Budget und mehr Arbeitsspeicher zur Verfügung.

Goemon ist eine Art japanischer Robin Hood im 16. Jahrhundert mit Batman-Ausrüstung und ähnlichem Trauma. Früh verwaist, aufgezogen von Ninjas, in jungen Jahren unstandesgemäß hingezogen zur Dame Chacha (Ryoko Hirosue aus NOKAN - DIE KUNST DES AUSKLANGS), deren Schutz ihm obliegt. Irgendwann quittiert er den Ninja-Dienst und macht sich als Meisterdieb selbstständig. Als er ein geheimnisvolles Kästchen klaut, wird sein Leben und das seiner Gefährten ordentlich durcheinandergewirbelt. Der fiese Kriegsherr Hideyoshi ist hinter dem Kästchen her, das Gelehrte im Film als Büchse der Pandora, Gelehrte im Kinosaal als MacGuffin erkennen. Neben der Büchse liegt dem Schurken auch Chacha am Herzen, und so kommt es zu einem großen Wiedersehen, das nicht gut enden kann. Zumindest nicht ohne Blutverspritzen.

CASSHERN war ein in Schönheit erstarrter Videoclip, bei dem die Handlung extrem störte. GOEMON ist sein Aussehen mindestens genau so wichtig, aber er hebt sich gerade durch die äußerst komplexe Handlung positiv von all dem Greenscreen-Photoshop-Action-Einerlei der Nullerjahre ab. Nicht, dass es nicht sogar alles ein bisschen zu viel der Handlung wäre. Man hätte wohl in der ersten Hälfte mitschreiben müssen, um in der zweiten noch zu wissen, welcher Kriegsherr welchem Kriegsherrn wie gesonnen ist und warum, welche Seite genau diverse Helfer und Helfershelfer beschäftigt, und wie unsere Helden zu dem Ganzen stehen. Selbst wenn etwas weniger Details es auch getan hätten: Die Handlung treibt die Action voran, anstatt ihr im Wege zu stehen. Dass der Zuschauer ihr gerne folgt (so gut es geht), bewirkt Kiriya mit einem bewährten Trick, den er offenbar bei CASSHERN noch nicht kannte: Anstatt endlose Exposition an den Anfang zu stellen, eröffnet er den Film fetzig. Mit einem Feuerwerk, einem tollkühnen Einbruch, einer abenteuerlichen Flucht über die Dächer der Stadt und schließlich der Landung in einem knallbunten Freudenhaus mit discotanzenden Leder-Geishas. Da hat man sich längst in den Film verliebt und folgt ihm, wohin er auch gehen mag. Er geht in eine andere Richtung, als der unbeschwerte, augenzwinkernde Auftakt vermuten lässt. So ist das im Leben: Alles ist nur so lange Jux und Tollerei, bis einer heult. GOEMON wird bald zum Blut- und Tränental, kein noch so ans Herz gewachsener Charakter ist vor der Grausamkeit des Schicksals sicher. Als naturalistischer Realfilm wäre das kaum zu ertragener Melodram-Schwulst. Aber der Hyper-Irrealismus der Bilder, der Tom-&-Jerry-Realismus der Kampfszenen, die Musik zwischen Kirche und Metal und die völlig entfesselte Kamera nehmen dem Tod und Leiden einen Teil des Schmerzes, ohne den Stachel ganz zu entfernen.

Eine Frage wird nicht zufriedenstellend beantwortet, aber das wird sie in solchen Filmen nie: Warum vergessen Helden wie Goemon immer in den Momenten, in denen sie es besonders dringend bräuchten, um die eigene Haut oder die anderer zu retten, dass sie die Fähigkeit besitzen, aus dem Stand 100 Meter hoch und weit zu springen? Vielleicht sind sie einfach manchmal kaputt. So wie man nach dem Anschauen von GOEMON kaputt ist. Aber so kaputt ist man gerne.











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