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BABY DRIVER (USA/Großbritannien 2017)

von André Becker

Original Titel. BABY DRIVER
Laufzeit in Minuten. 113

Regie. EDGAR WRIGHT
Drehbuch. EDGAR WRIGHT
Musik. STEVEN PRICE
Kamera. BILL POPE
Schnitt. JONATHAN AMOS . PAUL MACHLISS
Darsteller. ANSEL ELGORT . KEVIN SPACEY . JON HAMM . JAMIE FOXX u.a.

Review Datum. 2017-07-26
Kinostart Deutschland. 2017-07-27

Kann ein Film, der auf dem SXSW-Festival frenetisch abgefeiert wurde überhaupt schlecht sein? Selbstverständlich! Im Falle von BABY DRIVER ist der aus allen Kanälen gefeuerte Applaus aber absolut berechtigt. Edgar Wrights (HOT FUZZ, THE WORLD'S END) neuester Streifen ist nicht nur ein Film über den Rausch der Geschwindigkeit, sondern auch eine Ode an die Liebe und die Musik. Hach, wie schön. Und wenn die Konkurrenz pennt (wovon auszugehen ist), könnte dies tatsächlich der Actionfilm des Kinojahres 2017 werden.

Der Fluchtwagenfahrer ist eine im Genre-Kino fest verankerte Figur, die meist mit stoischer Ruhe, pfeilschnellen Reflexen und unendlicher Coolness assoziiert wird. Die Fluchtwagenfahrer-Figur von BABY DRIVER ist dabei näher an der verhuschten Persönlichkeit eines Scott Pilgrim (dessen irrwitzige Abenteuer Wright 2010 auf unwiderstehliche Weise verfilmte), als an der unterkühlten Outlaw-Männlichkeit von Ryan O'Neal (1978 in DRIVER) oder Ryan Gosling (2011 mit DRIVE).

Der auf den schlichten Namen Baby hörende Fahrer in Wrights wildem Genre-Mix arbeitet nicht auf eigene Rechnung, sondern muss eine Schuld bei dem Edel-Gangster Doc abzahlen. Ansel Elgort, der mit seiner Darstellung in der Young-Adult-Buchverfilmung DAS SCHICKSAL IST EIN MIESER VERRÄTER vielerorts Häme einheimste, spielt diesen Baby sehr charmant als coolen, aber auch butterweichen Jungspund, den man schnell ganz tief ins Herz schließt. Klar, der Junge erledigt seinen Job effizient, aber das er das nicht ganz freiwillig macht, liegt auf der Hand. Der Grund warum Baby für Doc (gewohnt großartig gespielt von Kevin Spacey) arbeitet, wird zwar eher unspektakulär aufgelöst, erfüllt als Background innerhalb der Narration aber ihren Zweck.

Viel wichtiger sind eh die in die Handlung involvierten Figuren rund um Baby. Da wären die beiden Bad guys Jon Hamm (mit MAD MEN längst im Serienolymp angekommen) als super-lässiges Raubein und Jamie Foxx als undurchsichtiger Straßengangster sowie Lily James als schnuckeliger Love interest. All diese Figuren werden von Wright in ihren Charaktermerkmalen und Handlungsmustern als jeweils filmeigene Highlights inszeniert. Wer diesbezüglich am meisten Eindruck schindet ist schwer zu sagen. Die Auftritte von Jamie Foxx knallen schon ordentlich, bekommen im Filmverlauf durch mehrere sehr knackige Momente von Jon Hamm aber mächtig Konkurrenz. Kurzum: BABY DRIVER punktet mit dem gesamten Figurenensemble, welches von Wright auf wirklich fetzige Art und Weise aufeinander losgelassen wird.

Insofern ist es ein verschmerzbares Manko, dass die eigentliche Story auf den Kreditkarten-Beleg einer Tankstelle passen würde: Baby will, nachdem er die Kellnerin Debora kennen und, logo, lieben gelernt hat, aussteigen und die Fluchtwagenfahrerei endgültig an den Nagel hängen, was wiederum Doc wenig erfreut und ihn dazu veranlasst seinen Goldjungen stärker unter Druck zu setzen. Ein letzter Auftrag mit alten Bekannten soll noch einmal das große Geld bringen. Den eisernen Regeln des Genres folgend geht dieser natürlich schief. Baby muss nun nicht nur seine eigene Haut, sondern auch die seiner großen Liebe retten.

BABY DRIVER bringt mit viel Verve Actionfilm, Romanze und Comedy unter einen Hut und inszeniert diese Melange als hinreißenden Adrenalinrausch mit einem Soundtrack zum Niederknien (u.a. The Damned, Isaac Hayes, Jon Spencer Blues Explosion, Queen, Beck und und und). Im Gegensatz zu den gegenwärtig oftmals arg willkürlich zusammen gestellten Soundtracks (z.B. das furchtbare Musik-Chaos in der Gurke SUICIDE SQUAD) generiert die Mischung aus Klassikern, Alternative-Rock und aktuelleren Pop-Songs in Wrights vor popkulturellen Referenzen nur so berstendem Werk eine sehr spezifische Dynamik, die auf der bildästhetischen Ebene auf eine für das Publikum sehr einnehmende Choreographie trifft. Die gar nicht so wenigen, sagen wir es ruhig, Quasi-Tanzeinlagen, geben einen Rhythmus vor, den die Actionkomödie in fast jeder Szene auskostet. Edgar Wright appelliert somit an alle zur Verfügung stehenden Sinne. Herausgekommen ist ein Filmkunststück, das man sehen, hören und dessen Stimmung man mit jeder Faser spüren muss.

BABY DRIVER ist zum Glück kein Film, der seine Welt komplett in Watte packt und alles in einer LaLa Land-Glückseligkeit auflöst. Wright findet ebenso Zeit für dramatische, bittere Momente, die er den zuckersüßen Sequenzen gekonnt gegenüberstellt. Die große Kunst dabei: Auch in diesem Punkt reißt der Film sein Publikum mit und packt es genauso wie mit den rasanten Actionszenen oder den treffsicheren Gags. Wright gelingt es mit sparsamen Dosierungen tonale Wechsel vorzunehmen, die im Gesamtergebnis dennoch eine harmonische Einheit bilden. Das nach dem sehr beschwingten Start, die Zahl der Toten ab der Mitte des Films beständig zunimmt, wird vom Drehbuch ebenfalls auf stimmige Weise als unvermeidliche Eskalationsstufe vermittelt.

Über BABY DRIVER könnte und sollte man vielleicht noch viel mehr schreiben, z.B. wie wunderbar die Love Story zwischen Baby und Debora funktioniert und wie charmant dort ein Ritt durch die Musikhistorie unternommen wird. Nichtsdestotrotz muss diese (von dem einen oder anderen Leser vermutlich wieder als viel zu lang empfundene) Rezension irgendwann enden. Als knappes Fazit soll daher nicht viel mehr folgen als diese Empfehlung: Kinoticket lösen, Popcorn (süß, nicht salzig!) kaufen und diese enorm spaßige und rasante Action-Mixtur mit offenen Augen und Ohren genießen.











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