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UNENDLICHE TIEFEN

Special.
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von Matthias Mahr

Rückblick auf das Hauptprogramm

Das Hauptprogramm der VIENNALE bestand auch dieses Jahr aus einer Vielzahl vorwiegend aktueller Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilme. Dazu noch ausgewählte Filme, die entweder im Bezug zu neueren Filmen standen oder neu wiederentdeckt wurden. So wurde dem neuen YAMIUTSU SHINZO (HEART, BEATING IN THE DARK) von 2005, einer Mischung aus Remake, Sequel und Making Of des gleichnamigen Films von 1982 (beide von Shunichi Nagasaki) eben dieses entgegengestellt. Das Filmarchiv Austria konnte hingegen einen österreichischen Film von 1967 zum ersten Mal wieder präsentieren. Leo Tichats DIE VERWUNDBAREN ist ein Jugenddrama, das wie sonst selten im österreichischen Film dieser Zeit, das zeitgenössische Kino außerhalb wahrnahm und reflektierte ohne einfacher Abklatsch zu sein. So lassen sich hier nicht nur die viel beschworenen Reverenzen auf die Nouvelle Vague finden, sondern natürlich auch Spuren von REBEL WITHOUT A CAUSE und einen leicht parodistischen Ansatz von WEST SIDE STORY, wobei hier natürlich auch klar herausgestrichen wird, dass die Einflussnahme der Hollywoodfilme sehr wohl auch auf die jugendlichen Protagonisten wirkt. Im Erscheinungsjahr lief der Film ausgesprochen erfolglos, machte dann aber mittels "Zweitverwertung" doch noch Geld: Gekürzt und mit hineingeschnittenen Pornoszenen lief er unter dem Titel ENGEL DER LUST in Sexkinos. Da von diesem Eingriff das Originalnegativ betroffen war, galt der Film in der ursprünglichen Fassung lange als verschollen.

Ein gewisser 60er Jahre Charme, wenn auch aus einer ganz anderen Richtung, geht auch von MUTUAL APPRECIATION aus. Andrew Bujalskis Film von 2005 spielt in der Gegenwart, erkennbar etwa durch Handys, strahlt aber dennoch ein wohliges Retrofeeling ab. Der VIENNALE-Katalog verglich diesen auf grobkörnigen 16mm gedrehten Film mit Cassavetes und dem jungen Jarmusch, Assoziationen werden aber eher zu dem auf der letztjährigen VIENNALE vorgestellten COMING APART geweckt. Nicht was den Inhalt betrifft. Ging es dort um einen Psychiater und versteckte Kameras versucht hier ein Nachwuchsmusiker der Indieszene in einer neuen Stadt Fuß zu fassen. Als verbindende Elemente kann man abgesehen von der Stadt New York eigentlich fast nur die Konzentration auf Innenlocations und seine Dialoglastigkeit anführen. Der Film und vor allem das Ende läuft auch weniger rund, dennoch ein interessanter Vertreter des heutigen US-Independent Cinema.

Noch älter die Berührungspunkte beim philippinischen A SHORT FILM ABOUT THE INDIO NATIONAL (OR THE PROLONGED SORROW OF FILIPINOS). Die recht statischen ersten 10 Minuten dieses Films zeigen eine Frau beim "Nicht-schlafen-Können". Schließlich wird es ihr zu bunt, sie weckt den neben ihr schlummernden Mann, damit dieser ihr eine Geschichte erzählt. Mit dem Ende der im Gegensatz zum Rest auf Video und in Farbe gedrehten Rahmenhandlung wird der Film zum Stummfilm. Nicht nur, dass die Handlung mit Zwischentiteln erläutert wurden, es gibt hier auch keine Tonspur. Stattdessen wählte Raya Martin, der Regisseur, Musik Tracks aus, die von CD die Projektion begleiteten. Für die VIENNALE stellte er vorrangig lokale Liebesschnulzen der 60er Jahre zusammen, doch dies variiert er jedes mal neu. Da der Film bislang ohnedies nicht allzuviele Screenings weltweit auf Festivals hatte und auch auf den Philippinen keine konventionelle Auswertung erfuhr konnte Martin noch bei jeder Vorführung anwesend sein. Die Handlung spielt Ende des 19 Jahrhunderts noch knapp vor oder in etwa zur Zeit der Erfindung des Kinos. Mit den Werken der Lumières hat er freilich keine Berührungspunkte, wohl aber, trotz leicht satirischen Ansätzen, mit frühen "Nationalepen".

Ebenfalls ohne Tonspur ist das Quellmaterial von BLOKADA. Es kommt bei dieser interessanten Mischung aus Found Footage- und Dokumentarfilm nicht heraus, ob es sich bei den hier verwendeten Aufnahmen aus den 2. Weltkrieg um wirklich ohne Ton gedrehte Aufnahmen handelt oder dieser verloren ging. Auf jeden Fall hat Sergei Loznitsa ohne das Bild links zu croppen eine neue Tonspur anfertigen lassen. Dabei wurde auf Kommentare ebenso wie auf Musik verzichtet. (Sieht man von einem kurzen Melodiefetzen ab, der einmal kurz aus der Ferne ertönt.) Stattdessen wurde ein realistisch wirkender Geräuschteppich über das Geschehen gelegt. Gezeigt wird das Leben der Zivilbevölkerung im damaligen Leningrad, das von deutschen Truppen belagert war. Vor dem nur 52 Minuten langen Film wurde bei der VIENNALE die fiktionale Miniatur GRAJDANSLOE SOSTOYANIE (CIVIL STATUS) gezeigt. Ebenfalls im (allerdings heutigen) St. Petersburg angesiedelt zeigt es humorvoll den Alltag auf einem Standesamt, wenn auch leider gedreht auf einem Videosystem, das schon so mies ist, dass man es sehen muss um das zu glauben.

Ebenfalls zwei Filme brachte das Programm KRISTALL / KOBE. Erstes war ein Found Footage-Film mit experimentellem Ansatz. Die Montage diverser Spiegelszenen, vorwiegend aus Hollywoodstreifen, ist, trotz eher unprofessionell wirkendem, weil pixeligem, Videoschnitt, ein wirklicher Genuss. Ein wenig trübte sich jedoch der Eindruck als Christoph Girardet, der diesen Film gemeinsam mit Matthias Müller realisierte, die Quellen abfällig als "Industriefilme" bezeichnete. Als Industriefilme kann man Werke wie DAS STAHLWERK DER POLDIHÜTTE oder EIN LEBEN LANG SCHUHE bezeichnen (ganz wertneutral, stammt doch zweiter Film von Kurt Steinwendner, einem herausragenden österreichischen Regisseur), zur geringschätzenden Wertung von Filmen, die auf Gewinne am Ticketschalter abzielen, ist dieser Begriff dementsprechend nicht geeignet. Rainer Komers' KOBE hingegen ist ein weiterer Dokumentarfilm der portraitiert ohne zu kommentieren - und zwar die titelgebende japanische Hafenstadt. Ein absolut ästhetischer Film bei dem trotz der Alltäglichkeit des Gezeigten so gut wie jede Szene passt. Ob die Qualitätskontrolle von Laptops, die Fischversteigerung im Hafen oder die Arbeit der Perlensortierer, die Bilder setzten sich im Gedächtnis fest. Zudem gibt es einen geradezu magischen Moment in dem man sich über das Gehörte nur wundern kann, ehe man über die geschickt inszenierte Auflösung herzlich lachen wird. Trotz der kleinen verbalen Entgleisung war dieses Programm ein echter Geheimtipp und wirklicher Höhepunkt der VIENNALE.

Eine Enttäuschung war jedoch THE JOURNALS OF KNUD RASMUSSEN. Der überhaupt erste von einem Inuit gedrehte Film ATANARJUAT - DIE LEGENDE VOM SCHNELLEN LÄUFER war einer der Überraschungshits der VIENNALE '01. Nun hat Zacharias Kunuk in Koregie mit seinem damaligen Kameramann Norman Cohn seinen zweiten Langfilm fertiggestellt, doch auch wenn das Budget wohl größer war und nicht mehr auf Digibeta gedreht wurde, die Geschichte vom skandinavischen Ethnologen hat nicht einen Bruchteil des unterhaltsamen Charmes der aus Urzeiten stammenden Eskimolegende. In diesem sperrigen Werk sitzt der Forscher vorwiegend bei seinen Begleitern im Iglu. Man erzählt sich was oder macht Musik; die Reise, auf die man sich begibt ist nur von sekundärem Belang. Eine zähe Angelegenheit.

Eine positive Überraschung, die hier zum Abschluss noch erwähnt werden soll, war hingegen COME EARLY MORNING von Joey Lauren Adams. Die Schauspielerin zeichnet in ihrem Drehbuch- wie Regiedebüt ein zwar unspektakuläres aber doch einnehmendes Frauenportrait und Ashley Judd, die nicht unbedingt auf überzeugende Rollen abonniert ist, überzeugt hier doch einmal als Bauunternehmerin die unkomplizierten Sex schätzt.

Weitere Infos gibt es unter: www.viennale.at

Der Halbzeitreport
Rückblick auf das Hauptprogramm
Rückblick auf die Schwerpunkte
Special zur Viennale '06











Eindrücke.
Eröffnungsrede
Eröffnungsfilm THE QUEEN
Blicke ins Publikum beim Eröffnungskonzert
Soffy O
Leafcutter John bestreitet das diesjährige Eröffnungskonzert
Dradiwaberl-Frontman Stefan Weber
Hans Hurch, Hannelore Elsner, Rudolf Thome
Hannelore Elsner
Regisseur Stefano Savona
Regisseur Éric Caravaca



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