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Godzilla war genau einmal erwachsen: 1954. Zehn Jahre später ist er unter der Regie seines Schöpfers zurück im Sandkasten angekommen, wird größere und größere Burgen bauen und wieder einreißen, hin und wieder versuchen, auszubrechen (z.B. im 1984er Reboot), aber letztendlich immer auf denselben Spielplatz zurückkehren.
Dies ist der von Fans gemeinhin am meisten geliebte Teil der Showa-Ära (wenn nicht sogar der gesamten Reihe; dann muß er sich allerdings mit Shusuke Kanekos GIANT MONSTERS ALL-OUT ATTACK messen). Tatsächlich muß man der Fraktion radikaler Godzilla-Hasser angehören, respektive ein Herz aus Stein besitzen, um Schlechtes daran zu finden. Während im beiden Vorgängern noch keine klare Linie zu erkennen war, als vielmehr ein vorsichtiges, unentschlossenes Ausprobieren, hat eigentlich erst GODZILLA UND DIE URWELTRAUPEN das entscheidende Fundament für die weitere Entwicklung der cholerischen Echse errichtet.
Was also macht MOTHRA VS. GODZILLA (Originaltitel) so einzigartig? Zunächst schafft es der Film, viele abwechslungsreiche Elemente (Action, Fantasy, Kitsch und Krimi) in einer in sich schlüssigen, geradlinigen Geschichte zu verpacken, ohne daß man sich ob der Vielfalt den Magen verdirbt. Zweitens weiß GODZILLA UND DIE URWELTRAUPEN als erster Film seit 1954 was er wirklich will. Seine zwei Protagonisten, ein ehrgeiziger Reporter (Akira Takarada) und seine schusselige, aber mit einem Herz aus Gold ausgestattete Fotografin (Yuriko Hoshi) haben wir von der ersten Szene an lieb gewonnen, wenn sie ihr Equipment aufbauen um über einen Tornado zu berichten, der in vergangener Nacht ein gewinnträchtiges Bau-Projekt der suspekten Happy Enterprise-Firma beschädigt hat. Weitaus interessanter ist jedoch ein mysteriöses Ei, das von dem Sturm an Land gespült wurde. Wurde es von Menschenhand gefertigt? Von einem Tier ausgebrütet? Was für ein Monstrum mag daraus schlüpfen? Und wann? Gefunden wurde es von den einfachen Bewohnern des in Küstennähe gelegenen Dorfes, die es in ihrer Not direkt an einen gierigen Mogul der Happy Enterprise-Gruppe weiterverkauft haben. Moralische Werte sind ihm ein Gräuel, ehren tut er ausschließlich den Yen. Sein Plan ist es, einen Vergnügungspark mit dem Ei (und was immer daraus schlüpfen mag) als zentrale Attraktion zu errichten.
Was niemand (im Film) weiß, aber alle (auf dem Sofa) bereits ahnen: das Ei gehört Mothra, einer gigantischen Motte mit bunten Flügeln und (im Gegensatz zu Godzilla) sanftem Gemüt. Die freundliche Kreatur hat in den Herzen der Zuschauer rasch ein Zuhause gefunden; kein Wunder also, daß Mothra noch viele Male zurückkehren, und sogar in einer eigenen kleinen Trilogie (1996-1998) primär die Kinder erfreuen würde. Wenn Mothra mal nicht in ihrer Höhle schlummert, löst sie mit Flügelschlägen Orkane aus und wirft böse Monster mit rabiaten Sturzflugattacken zu Boden. Zwei liebreizende Priesterinnen wachen über sie und kommunizieren mittels süßlicher Gesänge, die Shobijin (jap. für "kleines, schönes Mädchen"), ein von dem Popduo "The Peanuts" gespieltes Zwillings-Pärchen (Emi und Yumi Ito). Diese elfengleichen Wesen, kaum größer als die Fläche einer Hand, wachen über Mothra auf Infant Island, die einst ein blühendes Paradies war, bevor Menschen ihre Oberfläche mit Wasserstoffbomben-Tests in eine Mondlandschaft verwandelten.
Natürlich ist auch Godzilla mit von der Partie und zerstört, was ihm in die Quere kommt. Der Film bietet schöne Panik-Szenen von davonlaufenden Menschenmassen, allerdings gibt sich Big G mit der Zerstörung urbaner Architektur zurückhaltender als noch in der Showstopper-Randale des zweiten Teils. Knallen tut es dennoch ausreichend; außerhalb der Metropole, ein Candlelight-Dinner auf dem Land mit dem All-you-can-Eat des japanischen Militärs, wo dank Bomben, Elektroschocks und Artillerie-Feuer im wahrsten Sinne des Wortes die Nacht zum Tag wird. In der US-Fassung des Films (GODZILLA VS. THE THING), welche diesmal überraschend gemäßigt in ihren Änderungen daherkommt, feuert die amerikanische Flotte in einer zusätzlichen Action-Szene eine neuartige Waffe, die Frontier-Missile, auf Godzilla ab. Selbstverständlich ohne Erfolg. Und spätestens, wenn die Menschen Mothra um Hilfe bitten, ist die Zeit im Rampenlicht unserer beiden sympatischen Reporter abgelaufen und sie werden zu reinen Beobachtern des Monster vs. Monster-Spektakels. Das ist zu verzeihen, waren sie doch zuvor dankbare Identifikationsfiguren und hatten ausreichend Gelegenheit, ihren eigenen Konflikten ins Auge zu sehen.
GODZILLA UND DIE URWELTRAUPEN ist phantasievolles Event-Kino aus dem obersten Regal, reich an menschlichen und monströsen Konfrontationen. Tricktechnisch schöpft der Film tief aus der Nostalgie-Kiste und zieht alle Register dessen, was man damals für perfektes Make Believe gehalten hat. Selbst auf Blue-Screen basierende visuelle Effekte können überzeugen, und fusionieren mit liebevoll designten Kostümen, detailreichen Miniaturen und animatronischen Konstrukten zu einem Fest an abenteuerlichen Impressionen. Kein Vergleich zum dilletantischen Behelfs-Gewurschtel in DIE RÜCKKEHR DES KING KONG.
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