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UNENDLICHE TIEFEN

Special.
Godzilla: Märchen von einer Echse, die auszog Karate zu lernen
von Alexander Karenovics
FRANKENSTEINS MONSTER IM KAMPF GEGEN GHIDORAH (Japan 1964)

Original Titel. SAN DAIKAIJU: CHIKYU SAIDAI NO KESSEN
Laufzeit in Minuten. 92

Regie. ISHIRO HONDA
Drehbuch. SHINICHI SEKIZAWA
Musik. AKIRA IFUKUBE
Kamera. HAJIME KOIZUMI
Schnitt. RYOHEI FUJII
Darsteller. YOSUKE NATSUKI . AKIKO WAKABAYASHI . YURIKO HOSHI . EMI ITO . YUMI ITO u.a.

DREI MONSTER: DER ERDE GRÖSSTER KAMPF (so die wortgetreue Übersetzung des japanischen Titels) ist King Ghidorahs Eintrittskarte in das Kaiju-Universum. Der dreiköpfige, geflügelte Drache sollte sich zu Gozillas bislang stärkstem und hartnäckigstem Gegner etablieren, und ist, um es mal mit den Worten eines Fans zu sagen "definitiv eines der coolsten Monster aller Zeiten". Ghidorahs Design war so eindrucksvoll geraten, daß er sich, genau wie Mothra, rasch zum Publikums-Liebling mauserte, und sein gefährliches, hochfrequentes Krächzen noch in vielen weiteren Filmen der Reihe von sich geben durfte.

Für sein Debüt hätte Ghidorah jedoch besseres verdient, als diesen durchwachsenen (wenn auch sehr farbenprächtigen) Sci-Fi/Fantasy-Kuddelmuddel. Der Plot um eine morgenländische Prinzessin namens Selina, die auf ihrem Besuch in Japan knapp einem politischen Attentat entgeht und daraufhin spurlos verschwindet, wird rasant erzählt, darf aber nicht auf Logik oder dramaturgischen Zusammenhalt abgeklopft werden. An Bord der royalen Maschine geht eine Bombe hoch, das Flugzeug zerschellt im Gebirge noch bevor es japanischen Boden erreicht. Kurz darauf taucht Selina inmitten von Tokyo auf, quicklebendig, aber mit radikal veränderter Persönlichkeit (behauptet sie doch, vom Planeten Venus zu kommen) und verunsichert das gemeine Volk mit prophetischen Weltuntergangs-Szenarien. Unter anderem soll auch Rodan wieder auferstehen ... der dem Pteranodon nachempfundene Urvogel feierte sein Debüt bereits 1956 in einem eigenen, vom Godzilla-Universum abgekoppelten Film. Rodans (manchmal auch Radon genannt) Spezialität sind rabiate Pick-Attacken und Zugluft, die ganze Landstriche verwüstet.

Akiko Wakabayashi in der Rolle des VIP-Fräuleins hatte ihren vielleicht bekanntesten Auftritt als Bond-Girl in MAN LEBT NUR ZWEIMAL an der Seite von Sean Connery. Big G hat zwar nicht ganz soviele Haare auf der Brust, ist aber ebenfalls ein verdammt sexy Kerlchen (und mindestens genauso bissig). Einen filmübergreifenden Versuch von Kohärenz findet man in der Rolle von Yuriko Hoshi; in GODZILLA UND DIE URWELTRAUPEN noch als schusselige Fotografin unterwegs, hier leider nur sehr blasses Anhängsel von Detective Shindo (Yosuke Natsuki), dem die Aufgabe zuteil wurde, Selina zu beschützen. Auch die putzigen "Peanuts" Emi und Yumi Ito sind wieder als Botschafter von Mothra unterwegs; und endlich hat man die Tricktechnik soweit im Griff, daß sich das winzige Zwillings-Duo auch ohne blauen Rahmen durch die Szenerie bewegen kann. Eigens konstruierte Studio-Sets, um den Größenunterschied der Shobijin noch überzeugender zu verdeutlichen, wurden ebenfalls eingesetzt. Arg langatmig ist lediglich Mothras Erweckungsritual ausgefallen, mit wesentlich eintönigerem Singsang als noch im Vorgänger.

Diverse kollidierende Interessengruppen mögen sich auf dem Papier spannend lesen, letztendlich sind Menschen aber wenig mehr als planlos umherstolpernde Bauern in einem weitaus größeren Monster-Schach ohne Rochade, welches alleine von der Frage beherrscht wird, wann die erste Kreatur auftaucht und im Namen welcher Partei seinem Gegner die Fresse poliert. Dies ist nämlich zugleich der erste Film, in dem Godzilla nicht länger als reiner Bösewicht austeilt und einsteckt. King Ghidorah ist der wahre Badass, spuckt verheerende Blitze aus seinen drei Mäulern, und überhaupt ist das goldgeschuppte Drachentier ein derart übermächtiger Gegner, daß Mothra, Godzilla und Rodan schon im Team antreten müssten, um ihn zu besiegen. Letztere beide sind allerdings mehr beschäftigt sich die Schuppen vom Kopf, bzw. das Gefieder zu rupfen, und müssen erstmal überredet werden ... Enttäuschend sind die Zerstörungs-Szenarien ausgefallen. Das Militär bleibt gänzlich zuhause (muß sich anscheinend von den Schlappe des letzten Films erholen), und abgesehen von einer beeindruckenden Sequenz, in der King Ghidorah wie ein Orkan über Tokyo fegt und keinen Stein auf dem anderen lässt, täuschen Rauch und Staub darüber hinweg, daß in Wirklichkeit gar nicht so viel kaputt geht. Weitere Szenen von einstürzenden Gebäuden (und sogar ein Waldbrand) sind kontextlose Momentaufnahmen, wohingegen GODZILLA UND DIE URWELTRAUPEN ein durchgängig chaotisches Konzept zu erarbeiten vermochte.

Die Monster-Kämpfe sind eine Lachnummer. Allemal kreativ choreographiert, werden auch individuelle Fähigkeiten des Teams einfallsreich kombiniert (wenn z.B. die Mothra-Larve auf Rodans Rücken klettert und von dort ihre Kokon-Seide auf Ghidorah spuckt), ein wirklich episches Gefühl stellt sich aber selten ein. Schuld daran trägt vor allem Godzillas zunehmend menschelnder Habitus; das fängt an, wenn er mit beiden Pranken Steinbrocken aufhebt und Rodan an den Kopf semmelt, bis hin, wie er sich an den Hintern packt, als Ghidorahs Blitzstrahl ihm selbigen verkokelt. Schade, daß statt eines wuchtigen Finales nur ein antiklimaktisch recycelter URWELTRAUPEN-Showdown herhalten muß, und am befriedigenden Finishing Move wurde ebenfalls gespart.

Ein kleiner Schritt für Godzilla, aber ein großer Schritt für die Serie: im Rahmen seiner Entwicklung von Nemesis zum Beschützer Japans mag dies für Big G ein bedeutsamer Film gewesen sein, seine Performance (und die von Rodan) ist deswegen aber noch lange nicht zitierfähig. Ein unausgegorener Handlungsrahmen tut sein übriges; kein wirklich abgründiges Erlebnis, aber wie hoch der vierte Teil die Meßlatte tatsächlich angelegt hat, wird rasch deutlich. Daß Schnüre, mit denen die Mothra-Larve und Ghidorahs Köpfe herumgerissen werden, nicht immer perfekt mit der Umgebung verschmelzen, wird Komplettisten mit gesunder Trash-Laune kaum davon abhalten, sich den Titel trotzdem auf die To-Do-Liste zu schreiben. Auch Fans von King Ghidorah dürfen einen Blick riskieren; der macht von allen nämlich noch die beste Figur.











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