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Special.
Genre-Filmfestivals 2018 - Ein Blick zurück
von André Becker

Genre-Filmfestivals 2018 - Ein Blick zurück

Die Filmfestival-Landschaft in Deutschland ist nach wie vor sehr vielseitig. Neue Festivals kommen zwar nur sehr zögerlich hinzu, dennoch ist man als Filmfan in einer sehr komfortablen Situation. Fast alle großen Städte haben ihr Festival bzw. werden von den Big Playern (zu nennen natürlich das Fantasy Film Fest) mehrmals im Jahr angesteuert. Und das deutschlandnahe Ausland hat auch so einiges zu bieten. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit soll hier deshalb ein kleiner Jahresrückblick zu den wichtigsten Genrefilm-Festivals folgen. Beginnend mit den bekanntesten Festivals im süddeutschen Raum, über das Randfilmfest in Kassel bis hin zum Fantasy Film Fest und dem NIFF in der Schweiz.

Das Hard:Line Festival (Regensburg) und das Shivers Film Festival (Konstanz) haben sich im Laufe der Jahre als kleine, aber feine Festivals mit familiärer Atmosphäre und sorgfältig kuratiertem Programm einen Namen gemacht. Auf dem Hard:Line Festival gab es neben deutschen und europäischen Premieren mit SPLINTERED zudem eine Weltpremiere zu sehen. Das Erstlingswerk von Simeon Halliga, der in der Sektion Directors Spotlight seinen Film HABIT vorstellen durfte, wurde bereits 2010 fertiggestellt. Auf dem Hard:Line Festival konnte man schließlich eine neu geschnittene Version bewundern. Viel positive Resonanz erhielt speziell das mexikanische Drama TIGERS ARE NOT AFRAID, dass auch auf internationalen Festival-Bühnen gut ankam und sich schnell einen Geheimtipp-Status erarbeitet hat. Neben dem Nicolas-Cage-Überhit MANDY, den man nun wirklich nicht mehr vorstellen muss, gab es für den neuen Film von Chad Archibald viel Lob. Archibald, der seit einigen Jahren als verlässliche Größe im B-Movie-Sektor gilt (u.a. für die Horror-Streifen BITE oder THE DROWNSMAN) bewies mit I'll TAKE YOUR DEAD, dass der kanadische Genre-Film weiter spannende und innovative Stoffe parat hält.

Das 6-Tage-Festival Shivers Film Festival überraschte in diesem Jahr vor allem mit einem erstaunlich horror-armen Programm. Tatsächlich fanden sich im Spielplan mit BIRDS OF PASSAGE (vom Regisseur von < strong>DER SCHAMANE UND DIE SCHLANGE), der auf der Berlinale ausgezeichneten polnischen Geselllschaftsstudie TWARZ – DIE MASKE und HIGH LIFE von Claire Denis gleich drei Filme, die eher die Arthouse-Nische bedienten. Daneben gab es mit z.B. dem HK-Actionkracher PARADOX aber ebenfalls klassische Genre-Ware mit ordentlich Dampf unter dem Kessel zu sehen (2017 übernahm diese Position übrigens der nicht ganz so gelungene Klopperstreifen JAILBREAK aus Kambodscha). Klare Must-See-Titel wie Gaspar Noés atemloser CLIMAX zeigten dann einmal mehr die enorme Vielseitigkeit des Festivals.

Das Randfilmfest in Kassel ist ebenso seit ein paar Jahren eine feste Größe im Festival-Kalender. 2018 lockte die fünfte Ausgabe ihr Publikum in die Nachrichtenmeisterei in der Nähe des Hauptbahnhofs. Wie bereits in den Vorjahren konnte man mit einer tollen Mischung aus Klassikern und neuen Genre-Filmen (u.a. REVENGE, BLUE MY MIND) überzeugen. In diesem Jahr ließ das Programm besonders aufhorchen. Unter dem Motto Final Girls, Guilty Guys gab es jede Menge All-Time-Favorites wie BEIM STERBEN IST JEDER DER ERSTE, UNDER THE SKIN oder selten gezeigte Meilensteine wie ONIBABA – DIE TÖTERINNEN zu begutachten. Mit Werken wie Asia Argentos niederschmetterndem THE HEART IS DECEITFUL ABOVE ALL THINGS, früher deutscher Exploitation wie DIE WEIBCHEN und Grindhouse-Classics wie dem gemeinhin unterschätzten DIE BRONX KATZEN ausgesprochen abwechslungsreich, verdeutlichten die Machen ihren Anspruch Filmkunst über Genre-Grenzen hinaus einem aufgeschlossenem Publikum zugänglich zu machen. Die vielen Vorträge und Podien (zu Gender & Film, zur noch immens wichtigen Metoo-Debatte etc.) lieferten außerdem ein gewohnt anspruchsvolles (aber keineswegs intellektuell verschwurbeltes) Rahmenprogramm, dass das Festival-Thema angemessen vielschichtig beleuchtete. Bravo.

Das Fantasy Film Fest konnte mit den jeweiligen Ausgaben (die White Nights, die Nights sowie natürlich das große Festival im September) abermals überzeugen. Fairerweise muss man jedoch sagen, dass der Abschlussfilm des Hauptfestivals, das Zombie-Musical ANNA UND DIE APOKALYPSE, nicht der erhoffte Konsens-Film war. Da waren die Closing Nights der Ausgaben 2016 (TRAIN TO BUSAN) und 2017 (THE VILLAINESS) deutlich stärker. Highlights gab es freilich dennoch. Etwa PIERCING von Noch-Newcomer Nicolas Pesce, die extrem stylische Verfilmung von Ryu Murakamis gleichnamigen Roman, oder die einprägsame philippinische Daueraction BUYBUST. Wie immer versteckten sich auch reichlich überflüssige Werke wie der bräsige Cronenberg-Verschnitt AWAIT FURTHER INSTRUCTIONS im Programm. Eine Erfolgsquote von annähernd 100% ist aber bei einem so programmstarken Festival eh reichlich illusorisch. Eine Neuerung betraf 2018 die Spielorte. In Berlin fand das Festival wie gewohnt im Cine Star am Potsdamer Platz statt. Ein paar Filme, wurden allerdings ebenfalls an einem Tag im noblen Zoo Palast in der Nähe der Konsummeile Kudamm aufgeführt. Eigentlich eine feine Idee, da dieser Spielort nicht ganz so schmucklos wie der Kino-Klotz am Potsdamer Platz ist und dadurch ein bisschen mehr Festival-Feeling aufkam. Die Verlegung hatte jedoch ebenso Auswirkungen auf die Ticketpreise. Und 12 Euro für eine Vorstellung sind dann doch ein bisschen happig. Aber genug gemosert. Auch 2018 ist das Festival wohl das Nonplusultra für den deutschsprachigen Raum.

Abschließend noch ein kleiner Blick in die Schweiz. Dort gastiert jedes Jahr das Neuchâtel International Fantastic Film Festival (kurz NIFF). 2018 mit Stargast David Cronenberg und einem wie gewohnt sehr breit gefächerten Programm, das insbesondere das asiatische Kino mit zahlreichen Titeln würdigte. Mit dem New Cinema from Asia hat das NIFF definitiv Vorbildfunktion, denn hierzulande und im deutschsprachigen Ausland ist die Anzahl asiatischer Filme im Festival-Programm (gefühlt) seit einigen Jahren stark rückläufig. Beim NIFF gab es hingegen die volle Bandbreite des asiatischen Kinos zu sehen: Pathosgetränkte, chinesische Big-Budget-Action wie Dante Lams explosiven OPERATION RED SEA, düstere Coming-of-Age-Alpträume wie die japanische Manga-Verfilmung LIVERLEAF oder den Horrorfilm KASANE von Yûichi Satô, der mit dem Publikumspreis ausgezeichnet wurde. Highlights aus dem nicht-asiatischen Raum waren z.B. HEREDITARY – DAS VERMÄCHTNIS oder der schön spleenige UNDER THE SILVER LAKE von David Robert Mitchell.

2018 endet also mit vielen Festival-Highlights und vergleichsweise wenigen Stinkern im Spielplan. Gefehlt hat übrigens ein neuer Film von Takashi Miike. Oder habe ich den in irgendeinem Programm übersehen? Auch vom Retro-Hype der letzten Jahre gab es nur wenige Überbleibsel (etwa SUMMER OF 84 auf dem Hard:Line Festival). Wie so oft hat ein Großteil der Titel einen deutschen Starttermin. Nichtsdestotrotz ist zu beobachten, dass mehr und mehr Festival-Filme trotz Auszeichnungen keinen Verleih finden (etwa KASANE) oder zunehmend als Exklusiv-Titel in Streaming-Portalen (z.B. der indonesische Horror-Schocker SATANS SLAVES, der erstmal nur bei Shudder verfügbar ist) vertrieben werden. Wer kein Abo abschließen will, bleibt somit außen vor, da die jeweiligen Produktionen weder in den Verkaufsregalen noch in den Videotheken auftauchen. Der damit einhergehende Kulturwandel ist aber ein anderes Thema und soll hier nicht vertieft werden. Für 2019 kann man auf jeden Fall bereits zum jetzigen Zeitpunkt jedem Filmfan den Gang zu den einschlägigen Festivals empfehlen. Erste Titel (z.B. für die Fantasy Film Fest White Nights im Januar) stehen schon fest und Filme wie die Verfilmung der Short-Story von Haruki Murakami BURNING klingen ausgesprochen vielversprechend.

 



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