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THE VILLAINESS (Korea 2017)

von André Becker

Original Titel. AK-NYEO
Laufzeit in Minuten. 129

Regie. BYUNG-GIL JUNG
Drehbuch. BYUNG-GIL JUNG . BYEONG-SIK JUNG
Musik. JA WAN KOO
Kamera. JUNG-HUN PARK
Schnitt. SUN-MI HEO
Darsteller. OK-BIN KIM . HA-KYUN SHIN . JUN SUNG . SEO-HYEONG KIM u.a.

Review Datum. 2018-01-02
Kinostart Deutschland. nicht bekannt

Regisseur Byung-gil Jung konnte 2012 mit CONFESSION OF MURDER viel internationales Lob einheimsen. Mittlerweile liegt gar ein japanisches Remake vor, eine englischsprachige Neuverfilmung lässt bestimmt nicht lange auf sich warten. Sein aktueller Film THE VILLAINESS wurde bei verschiedenen Filmfestivals ebenfalls sehr positiv aufgenommen. Erwartet die Zuschauer hier also ein Knaller vom Kaliber TRAIN TO BUSAN?

Die Antwort lautet leider Nein. Das Actiondrama hat zwar so seine Momente, insgesamt reicht das aber nicht für einen gänzlich überzeugenden Film. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Aber alles der Reihe nach. Worum geht es eigentlich in der südkoreanischen Big-Budget-Produktion? Wer den Trailer kennt, erlebt storytechnisch keine Überraschung. THE VILLAINESS erzählt von weiblichen Killern, Liebe und Betrug. Im Zentrum die Figur Sook-hee (ausdrucksstark: Ok-bin Kim), die von einer Regierungsorganisation zur Kampfmaschine ausgebildet wird, nach Jahren im Einsatz allerdings das Töten hinter sich lassen darf. Natürlich klappt das Leben als vermeintlich normale Bürgerin nicht wirklich gut. Zwar lernt Sook-hee einen adretten Mann kennen, als alte Bekannte ihren Weg kreuzen ist es aber vorbei mit dem Normalo-Leben.

Byung-gil Jung switcht in seiner neuesten Regiearbeit beständig zwischen knallharter Action und melodramatischen Einschüben, die das eine oder andere Mal tonal zu sehr über das Ziel hinausschießen. Mitunter fühlt man sich an alte Hong Kong-Filme der Spielart Heroic Bloodshed (man denke z.B. an BEYOND HYPOTHERMIA oder MY HEART IS THAT ETERNAL ROSE) erinnert, nur mit dem Unterschied, dass die südkoreanische Produktion streckenweise einfach zu stark auf die Tränendrüse drückt. Weniger wäre hier mehr gewesen. Vor allem weil eine wirkliche Charaktertiefe bei den Figuren nicht vorliegt. Insofern will einen das Liebesgeplänkel nicht richtig packen. Erst am Ende, wenn die Ereignisse immer dramatischer werden, ist man empathiemäßig wieder am Ball und fühlt (und leidet) mit der Hauptfigur.

Zur Action: Die erste Sequenz ist das klare Highlight des Films und gehört zum Besten was man die letzte Zeit so krawallmäßig im Kino zu sehen bekam. Komplett in POV-Manier gefilmt bahnt sich die Hauptdarstellerin ihren Weg durch eine ganze Armada von Feinden. Das ist ultra-rasant gefilmt, knüppelhart inszeniert und in Punkto kinetischer Power schlichtweg atemberaubend. Daneben gibt es aber glücklicherweise noch weitere flashige Krachszenen. Sei es ein Schwertkampf auf Motorrädern, ein missglücktes Attentat in einem beengten Restaurantbereich oder das Finale, das von einem wilden Shoot-out mit Pistolen und Schnellfeuergewehren in einen brachialen Axt-Fight in einem Bus mündet. Byung-gil Jung setzt dabei oftmals (nicht immer) auf eine betont dynamische Kamera, die sehr nah an den Bewegungen der Personen dran ist. Das führt dazu, dass hier im Rausch der Geschwindigkeit leicht unübersichtliche Einstellungen entstehen. Zwar gibt es diesbezüglich kein Schnitt-Chaos a la 96 HOURS - TAKEN 3, ab und an geht aber dennoch viel von der Choreographie der Kämpfe verloren.

Ein bisschen schade ist zudem, dass der Film einen wenig progressiven Blick auf die Geschlechterdimension wählt. Die Perspektive ist fast klassisch. Wie in Luc Bessons Action-Überhit NIKITA ist die weibliche "Heldin" stark und schwach zugleich. Männliche und weibliche Attribute gehen zunächst Hand in Hand. Im Bestreben ihr Glück, genauer gesagt ihr Familienglück, zu finden, beginnt für Sook-hee allerdings der Weg in ein Drama das gar existentialistische Züge annimmt. Das Ersehnen einer heilen Welt mit klaren geschlechtsspezifischen Rollen und Regeln wird diesbezüglich als allumfassend geltendes, offenkundig genuin weibliches, Bedürfnis skizziert. Sook-hee kann quasi gar nicht anders und gerade das führt in ihr Verderben. Darüber hinaus entsteht im Filmverlauf der Eindruck, dass ihr Glück bzw. Unglück gänzlich von den sie umgebenden männlichen Bezugspersonen abhängt, womit der Film der Hauptfigur ein Stück individueller Identität abspricht. Auch dies im Kanon der Assassinen-Movies seit Jahrzehnten ein gängiges Motiv, das von Byung-gil Jung leider nicht variiert geschweige denn gebrochen wird.

Auf den Punkt gebracht ist THE VILLAINESS somit nicht der erwartete Konsens-Film, im Vergleich mit der Konkurrenz aus Amerika und weiteren asiatischen Ländern aber immer noch vergleichsweise weit vorne. Wer über die teils mit dem Vorschlaghammer vorgetragenen melodramatischen Sequenzen und die für eine involvierende Liebesgeschichte unterentwickelten Charaktere hinweg sieht, wird mit einigen wuchtigen Actionszenen belohnt, die (mit Abstrichen) den einen oder anderen Wow-Moment produzieren. Kein zwingendes Must-see, aber mit der richtigen Erwartungshaltung noch brauchbares, in gewohnt formschöne Bilder verpacktes, Action-Entertainment aus Südkorea.

Der Film ist ab dem 05.01.2018 als DVD und Blu-ray von Splendid Film erhältlich!











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