Im September 2019 heißt es wieder "Fear Good Movies" in sieben deutschen Städten. Das langjährige Motto des Fantasy Film Fest ist wörtlich zu nehmen. Auch in diesem Jahr ist das Programm vollgestopft mit heißersehnten Genre-Flicks, vielversprechenden Newcomer-Werken und den aktuellen Filmen bereits etablierter Regisseure (Takashi Miike, Tetsuya Nakashima, die Soska Sisters, Rob Zombie).
In Berlin findet das Festival seit mehreren Jahren im Cinestar Sony Center am Touri-Hotspot Potsdamer Platz statt. Hinsichtlich der Atmosphäre kann das Kino zwar nicht mit den Spielstätten einiger anderer Städte mithalten (in Hamburg werden die Filme im schicken Savoy Filmtheater gezeigt), dennoch sind einige Vorteile nicht von der Hand zu weisen. Der ausgewählte Saal 8 ist schön groß, die Technik auf dem neuesten Stand und die Sitze sind herrlich bequem und bieten massig Beinfreiheit. Und nicht zu vergessen: Die Buchhandlung um die Ecke hat eine sehr gut sortierte Abteilung für Literatur rund um Film und Fernsehen, so dass man (besonders) nachmittags, wenn nötig, die eine oder andere Minute Wartezeit zwischen den Vorstellungen hervorragend überbrücken kann.

Die Opening Night am Mittwochabend startete mit einem recht ungewöhnlichen Eröffnungsfilm. Die britisch-amerikanische Ko-Produktion der wiedererstarkten, legendären Hammer-Studios THE LODGE von Veronika Franz und Severin Fiala (ICH SEH ICH SEH, THE FIELD GUIDE TO EVIL) erwies sich vor allem im Vergleich mit den stark auf Krawall-Entertainment gepolten Eröffnungsfilmen der Vorjahre (man denke an MANDY im Jahr 2018 oder ES in 2017) als durchaus mutige Wahl der Festivalmacher.
Der Film des gegenwärtig schwer gehypten österreichischen Regieduos ist auf den Punkt inszeniertes Genre-Kino der Extraklasse. Hochspannend, ohne effekthascherische Elemente und voller Bezüge auf Religion und den Mikrokosmos Familie. Ein ausgesprochen bedrückendes Kammerspiel mit einer sehr einnehmenden Bildgestaltung und einem heftig pulsierenden Sounddesign, dass im annährend vollbesetzen Kinosaal für aufgestellte Nackenhaare sorgte. Ein überwiegend leiser, in seiner niederschmetternden Konsequenz und Tragik aber sehr lauter Film. Dennoch blieben die ganz euphorischen Reaktionen im Saal aus. Im anschließenden Q&A zeigten sich die beiden Regisseure als höchst sympathische, sehr bescheidene Zeitgenossen, bei denen man deutlich merkte, dass sie mit Herzblut dabei sind. Mit einigen Statements zum Produktionsprozess und der Zusammenarbeit mit den Schauspielern und vor allem dem Kameramann Thimios Bakatakis (u.a. hinter der Kamera bei THE KILLING OF A SACRED DEER) lieferten die Österreicher ebenfalls einige interessante Einblicke in die Entstehungsgeschichte des Films. Und das die im Film zu sehenden Ausschnitte aus DAS DING AUS EINER ANDEREN WELT von John Carpenter nicht nur eine Referenz sind, sondern das Filmgeschehen auf gewisse Weise teils spiegeln war eine Interessante Fußnote, die man so nicht unbedingt erwartet hätte.
Als zweiten Film des Eröffnungsabends startete mit RIOT GIRLS ein Debütwerk durch, bei dem vor allem die dezidiert feministische Perspektive auffiel. Die folgenden Festivaltage boten dann ein bunt gemischtes Programm, das von abgedrehter Comedy (EXTRA ORDINARY) über epochale Historienaction (SHADOW von Zhang Yimou) bis hin zu stilistisch überbordenden Drogentrips (BLISS des sträflich unterschätzten Joe Begos) reichte und bereits in den ersten Tagen einige Highlights parat hielt.

Reichlich enttäuschend war hingegen DREAMLAND, der neueste Output von Bruce McDonald (PONTYPOOL). Das schwerfällig dahintreibende Crime-Drama um einen Auftragskiller der ein junges Mädchen aus einem Menschenhändlerring befreien will, konnte trotz solider Schauspieler (v.a. Henry Rollins) nicht überzeugen. Auch die Versuche die simple Rahmenhandlung durch vereinzelte Horrorfilm-Motive, Traumsequenzen oder obskure Nebenfiguren (ein Killerkommando aus Straßenkindern) zu bereichern, schafften es nicht das vollkommen spannungsfreie Altmänner-Rührstück in irgendeiner Weise aufzuwerten.
Vom ersten Wochenende des Festivals blieb schließlich noch VIVARIUM von Lorcan Finnegan in guter Erinnerung. Ein mit Jesse Eisenberg und der derzeit vielbeschäftigten Imogen Poots (GREEN ROOM) starbesetztes Verwirrspiel, dass trotz des Settings keinesfalls als Werbung für das Leben in einer Reihenhaussiedlung geeignet ist. Finnegan inszeniert seinen schwer greifbaren Psychothriller als konsequente Fortführung kafkaesker Ideenwelten. Nicht selten formten sich dabei riesengroße Fragezeichen beim Publikum. Mit wenigen, aber dafür sehr pointiert eingesetzten WTF-Momenten zog der Film allerdings in genau den richtigen Momenten den Zuschauern den Boden unter den Füßen weg. Und Imogen Poots bewies mit ihrer tollen Darstellung der willensstarken Hauptfigur, dass sie zu den talentiertesten Schauspielerinnen ihrer Generation gehört.
Die ersten Festivaltage haben aufgrund der fast durchgängig hohen Qualität der Filme die Vorfreude auf die nächsten Tage noch einmal gesteigert. Insbesondere bei den in diesem Jahr erstaunlich zahlreich vertretenden asiatischen Produktionen (v.a. aus Südkorea und Japan) sind die Erwartungen groß.
Der zweite Teil.
Der dritte Teil.
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