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FILM.
Mit dem kontrovers diskutierten THE LIVING AND THE DEAD hat sich der Brite Simon Rumley auf zahlreichen Festivals einen Namen gemacht. Auch sein gerade auf DVD und Blu-Ray erschienener RED, WHITE & BLUE dürfte wieder für reichlich Gesprächsstoff sorgen. Das fängt beim Genre an: Welches Label man ihm auch aufdrücken will, nichts fühlt sich wirklich passend an.
Der Inhaltsangabe nach möchte man laut "Psychodrama" schreien: Das Leben der Einzelgängerin Erica (Amanda Fuller) dreht sich hauptsächlich um Sex. Sie "fickt keinen Kerl zweimal", dafür hat sie fast jeden Abend einen anderen Mann an der Angel. Geschützt? "Kondome sind für Homos." Ihre Tage verbringt sie auf dem Spielplatz, wo sie sich um einen kleinen Jungen kümmert, oder mit Gelegenheitsjobs, bei denen sie weiter auf Männerfang geht. All dies gerät aus den Fugen, als sie ihren schrägen Nachbarn Nate (Noah Taylor) kennenlernt, der ihr Schutz und ein wenig Geborgenheit geben kann. Doch auch diese Phase währt nicht lange: Urplötzlich steht Rockmusiker Franki (Marc Senter) auf der Matte, mit dem Erica vor einiger Zeit Sex hatte. Und der hat noch eine Rechnung mit ihr offen ...
"Three lives … bound together in blood." Die Tagline deutet in die Richtung, in die das Ganze laufen wird. Und Blut und Gewalt liefert Rumleys Film, drastisch und ungezügelt, doch Gore-Fans aufgepasst: Wer hier ein HOSTEL wittert, wird schnell merken, dass er sich in ein anderes Etablissement verirrt hat. Eines, das zwar vor Härtespitzen nicht zurückschreckt, das jedoch ein anderes Klientel bedient. Brutalität serviert RED, WHITE & BLUE nicht in polierter Hochglanzoptik, sondern schmerzhaft unschön und dicht an der Grenze des Erträglichen. Torture Porn? Wohl kaum. Terrorfilm? Vielleicht, aber auch das trifft den Nagel nicht auf den Kopf.
Der triste Mikrokosmos der texanischen Hauptstadt Austin dient nur als austauschbares Hintergrundbild, die akribisch durchexerzierten Konflikte könnten sich überall abspielen. Diese als Zuschauer zu verfolgen, ist nicht einfach: RED, WHITE & BLUE ist so sperrig, dass man sich gerne einen anderen Weg zur Abendunterhaltung suchen will. Er ist bisweilen so rau und ungeschliffen, dass man fürchten muss, sich die vom Mainstream weichgespülten Sehnerven daran aufzuscheuern.
Erklärungsversuche helfen nicht viel, man muss sich wohl sein eigenes Bild machen, um die ganze Widersprüchlichkeit des Films zu erfahren. Muss die von kühlem Realismus geprägten Aufnahmen selbst sehen, die von Dissonanzen zerrissene Filmmusik selbst hören, die Reduktion auf das Wesentliche, das Fühlbare, selbst erfahren. Rumleys Dialoge unterstützen die Interpretation nicht, sie behindern sie. Denn inmitten all der Fragezeichen, die RED, WHITE & BLUE hinterlässt, ist eines doch sicher: Kommunikation findet nicht statt. Kann und soll nicht stattfinden, weil es an tröstenden Worten und ausgesprochenem Mitgefühl mangelt; weil hier jeder sich selbst der Nächste ist und die Kollision von Wünschen und Zielen der einzelnen Charaktere vorprogrammiert ist.
Apropos Charaktere: Laut eigenen Angaben im Booklet der toll aufgemachten Störkanal-DVD war Simon Rumley besonders darauf bedacht, die potenziellen Story-Klischees zu umschiffen. Bei seinen Figuren war er weniger vorsichtig, und dies ist auch einer der wenigen wunden Punkte des Films: Die Beweggründe der Protagonisten sind zwar nachvollziehbar, jedoch wirken sie zum Teil wie aus dem Handbuch der Westentaschenpsychologie entlehnt oder bei der Altcharaktersammlung aufgelesen.
Wen solch kleine Makel nicht stören, kann beruhigt zugreifen. Oder besser: Kann beunruhigt zugreifen. Denn RED, WHITE & BLUE ist ein starkes Stück Kunstfilm - aber ein rohes, das schwer auf den Magen schlagen kann.
DVD.
Rein optisch überzeugt die von I-ON New Media veröffentlichte Störkanal-DVD durch den edlen Pappschuber und das informative, eingeklebte Booklet. Doch auch die inneren Werte sind weitgehend gelungen: Das Bild ist gut, und auch den Ton kommt druckvoll aus den Boxen. Allerdings sollte man sich Rumleys Werk nicht in der deutschen Synchro antun, die mit lahmen Sprechern und mieser Übersetzung nervt. Unter den Extras fällt hauptsächlich der Audiokommentar positiv auf, der Rest - (überflüssige) Deleted Scenes, (unlustiges) Goofreel, (zu viel über die Handlung verratender) Trailer sowie eine Trailershow - ist Standardkost.
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