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FILM.
Eine Warnung vorweg: ONG BAK 3 ist die Fortsetzung von ONG BAK 2. Das könnte verunsichern, zumal ONG BAK 2 an der Oberfläche rein gar nichts mit ONG BAK (über die Jahre ist der Serie ein Bindestrich verloren gegangen) zu tun hatte. War der erste Teil ein konservativer, kontemporärer Kampfkunstfilm über das redliche und friedfertige Landei, das in der großen und korrupten Stadt handgreiflich werden muss, war der zweite Teil ein mittelalterlicher Abenteuerfilm mit mystischem Einschlag. So begab es sich, dass Menschen, die Überraschungen und Veränderungen nicht zu schätzen wissen, ganz, ganz gemeine Sachen über ONG BAK 2 sagten, obwohl der Film unter allen filmischen Gesichtspunkten weitaus gelungener war als sein namentlicher Vorgänger. ONG BAK 3 geht den Fantasy-Weg weiter. Er beginnt genau dort, wo Teil 2 offen endete, was beide Filme eigentlich zu einem macht. Der eine hätte ohne den anderen kein Ende, der andere keinen Anfang. Darüber hinaus wird für die etwas langsameren Zuschauer noch einmal länger und genauer darauf hingewiesen, was 2 und 3 mit 1 zu tun haben. Als Meta-Handlung wird hier nämlich die Entstehungsgeschichte des Dorfes erzählt, in dem ONG BAK beginnt und endet, und die Ong-Bak-Statue eingeführt, die im ersten Teil der McGuffin für all das Hauen, Treten, Rennen und Springen ist. Außerdem ist Tien wohl nicht nur klanglich nah an Ting. So ist aus dem ganzen tatsächlich eine veritable Trilogie geworden anstatt dreier Filme mit ähnlichen Titeln.
Nachdem der Rachefeldzug des jungen Kämpfers Tien (Tony Jaa) gegen die Mörder seiner Familie nur von einem Teilerfolg gekrönt war, gerät er in die Gefangenschaft des despotischen Herrschers Rajasena (Sarunyu Wongkrachan), der ihn schlimm foltern lässt. So gut wie tot findet Tien seinen Weg zurück in sein Wahlheimatdorf. Während die Dorfbewohner ihn aufpäppeln, greift ein zorniger Krähendämon (Dan Chupong) nach der Macht und schwingt sich zum Herrscher anstelle des Herrschers auf. Ihm muss sich Tien stellen, als er wieder einigermaßen stehen kann. Und so ein Dämon ist von Natur aus furchteinflößender als ein Gegner aus Fleisch und Blut.
Von Tiens Folter über seine wackeligen Schritte zurück ins Leben und dem traditionellen Khon-Tanz bis zu den üblichen Stunt-Schlägereien und Über-Elefanten-Hüpfereien ist ONG BAK 3 eher ein Film über den Körper als über den Kampf. Wo Körper ist, ist Geist nicht weit, und so geht es auch um die Beziehung von beidem. Noch tiefer als beim Vorgänger taucht die Geschichte ins Metaphysische und Religiöse ein. Tien muss nicht nur seine körperlichen Gebrechen überwinden, sondern auch seinen Lebensantrieb, seine spirituelle Bedeutung für sich selbst und die Gemeinde neu finden und definieren. Dass Hauptdarsteller, Choreograf, Ko-Autor, Ko-Produzent und Ko-Regisseur Tony Jaa einen Großteil des Films kampflos bestreitet, ist logische Konsequenz aus Story und Figur. Tien erinnert in seiner Zerrissenheit zwischen Rachegelüsten und buddhistisch-pazifistischer Grundhaltung an Michael Moorcocks Konzept vom Ewigen Helden, der sich munter durch alle Zeiten und Universen inkarniert und reinkarniert. Wo der Ewige Held dazu verdammt ist, kämpferisch die Balance zwischen Ordnung und Chaos zu halten, kämpft Tien sowohl gegen die materielle Welt des Adels als auch gegen die mystischen Sphären des Schamanismus. Dass sich das nicht immer mit einer zünftigen Kopfnuss lösen lässt, ist einzusehen.
Die Gerüchteküche macht eher Lust- und Formlosigkeit denn künstlerisches Konzept für Jaas kämpferische Zurückhaltung verantwortlich, angesichts der Zickenkriege, die die Dreharbeiten dieses wie des letzten ONG BAK-Films laut Kolportage begleiteten. Wer unbedingt einen Formverlust in den Film hineinsehen möchte, kann das ohne Schwierigkeiten tun. Jaa eignet sich für jedes neue Unternehmen einen neuen Kampfstil an, diesmal lässt er ihn auf rituellen Tanzfiguren basieren. Das ist abstrakter und weniger heftig, als man es von ihm gewohnt ist.
Insbesondere im Mittelteil ist Jaas Spezi Dan Chupong (BORN TO FIGHT) hauptverantwortlich für die Knochenbrecherei, und auf den ist Verlass. Hipster mit Kristallkugel sehen in ihm ohnehin den nächsten Tony Jaa. Bis dahin muss er aber noch ein wenig an Profil gewinnen, denn Tony Jaa ist nicht nur da, wo er ist (wo immer das momentan sein mag), weil er Leuten so schwungvoll sein Ellbogengelenk auf die Schädelplatte hauen kann. Die Vergleiche mit Bruce Lee, die früh auf ihn hinabprasselten (und die heute von einigen Wankelmütigen als verfrüht revidiert werden), bekommen immer mehr Relevanz, je weiter die beiden sich voneinander entfernen. Denn die Entfernung verdeutlicht die wichtigste Gemeinsamkeit: Beide sind bzw. waren verbissene Kontrolleure nicht nur ihrer Arbeit, sondern auch ihres Bildes in der Öffentlichkeit. Gab Lee den zeigefreudigen kalifornischen Sonnyboy, nimmt Jaa die Gegenposition als verschlossener orientalischer Grübler ein. Beide Inszenierungen sind leicht als solche zu durchschauen, was umso wüstere Spekulationen über die tatsächlichen Menschen dahinter befeuert. Tony Jaa ist wohl ein schwuler, schwarzmagisch begabter, täglich Tiere opfernder buddhistischer Mönch, wenn man alles glauben mag. Hoffentlich stimmt‘s. Er ist ein seltsamer kleiner Mann, und genau das macht ihn spannend. Möglicherweise ist nicht jeder Manns genug, ihm zu folgen. Aber wer offenen Herzens und freien Geistes und ohne Furcht vor Überraschungen ist, sollte es versuchen. Welche krause Idee auch immer sich als nächstes in Jaas Kopf manifestieren wird, es ist bestimmt nicht SPY DADDY.
DVD.
Die oft gar düstren Bilder und die hörenswerte Filmmusik kommen auf der technisch makellosen DVD bestens weg, die deutsche Synchronisierung ist solala. Auf der zweiten Scheibe der Special Edition befinden sich überdurchschnittlich aussagekräftige B-Roll-Aufnahmen und Interviews. Man erfährt einiges zum Entstehungsprozess der Kampf- und Effektszenen (B-Roll) und den historischen, philosophischen und religiösen Hintergründen von Story und Figuren (Interviews). Natürlich ist keine Rede von dem, was eigentlich interessiert: Den legendären Egokämpfen hinter den Kulissen.
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