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GEDRUCKTES IST TOT

DARIO ARGENTO - ANATOMIE DER ANGST (2013, 1. Auflage)
von André Becker

Original Titel. DARIO ARGENTO - ANATOMIE DER ANGST
Seiten. 304

Autor. MICHAEL FLINTROP . MARCUS STIGLEGGER

Review Datum. 2014-07-28
Erscheinungsdatum Deutschland. 2013-08-01
Verlag. BERTZ + FISCHER

Erscheinungsformat. PAPERBACK
Sprache. DEUTSCH

Verkannt, verteufelt, marginalisiert und oftmals schlicht ignoriert: Die Filme des italienischen Filmemachers Dario Argento hatten insbesondere im deutschsprachigen Feuilleton seit jeher einen schweren Stand. Eine wirklich gehaltvolle Auseinandersetzung über die Themen und Stilmittel des Genrevisionärs fand hierzulande lange Zeit lediglich in Fanzines statt. Der Herausgeberband DARIO ARGENTO - ANATOMIE DER ANGST ist insofern eine kleine Sensation. Die Herausgeber Michael Flintrop und Marcus Stiglegger haben eine beachtliche Anzahl von Textbeiträgen hochkarätiger Filmwissenschaftler zusammengetragen (inklusive Vorwort von Jörg Buttgereit), die sich allesamt mit großer Sorgfalt und Filmkenntnis dem Schaffen des Regisseurs nähern.

Das Buch unterteilt sich diesbezüglich in zwei Textebenen. In der ersten Hälfte beschäftigen sich die Autoren und Autorinnen mit den thematischen, ästhetischen und sonstigen kinematografischen Bezügen der Werke Argentos. Die Bandbreite der Themen ist dabei äußerst vielschichtig. Der mehrfach ausgezeichneter Regisseur Dominik Graf widmet sich beispielsweise der Musik der frühen Argento-Filme. Ivo Ritzers geht den unterschiedlichen Gender-Motiven und ihren Bedeutungsebenen auf den Grund. Sebastian Selig begibt sich wiederum zu den Drehorten von SUSPIRIA und damit auf eine stark realitätsbezogene Reise.

Besonders lesenswert ist der Beitrag von Marcus Stiglegger, der so etwas wie eine Einführung in die Karriere des Regisseurs darstellt und außerordentlich detailreich die unterschiedlichen Stilismen und wiederkehrenden Schlüsselmotive in Argentos Filmen entwirrt und interpretiert. Äußerst interessant und sehr unterhaltsam zu lesen ist ebenfalls der Text zur (langjährigen und andauernden) Zensurgeschichte ausgesuchter Werke Argentos. Michael Flintrop gibt hier sehr erhellende Einblicke in die Indizierungs- und Beschlagnahmeverfahren sowie die Kürzungen der deutschen Veröffentlichungen.

Im zweiten Teil erfolgt eine sehr umfassende Perspektive auf die jeweiligen Filme, ihre Alleinstellungsmerkmale und die ästhetischen, inhaltlichen und auch dramaturgischen Besonderheiten. Positiv anzumerken ist hier dass nicht nur die besonders in Fankreisen kultisch verehrten Werke SUSPIRIA (1977), INFERNO (1980) und PROFONDO ROSSO (1975) ausführlich besprochen werden, sondern auch aktuelle Filme wie DRACULA 3D (2012) oder die Beiträge zur Masters of Horror Reihe JENIFER (2005) und PELTS (2006) gleichberechtigt analysiert und gewürdigt werden.

Vorwerfen kann man DARIO ARGENTO - ANATOMIE DER ANGST, dass die versammelten Autoren und Autorinnen kaum Raum für kritische Betrachtungen zulassen und die offenkundigen Defizite vieler Argento-Werke eher ausgeblendet werden. Das ist einer der wenigen Wermutstropfen der ansonsten sehr vorbildlichen Veröffentlichung, denn gerade diesbezüglich scheint es notwendig wissenschaftlich fundiert und fernab von Fanboy-Gebaren klare Worte zu finden und Erklärungsansätze für den speziell in Fankreisen heraufbeschworenen Qualitätsverfall der späten Werke Argentos zu liefern.

Grundsätzlich bietet der 16. Band der Reihe Deep Focus jedoch einen sehr aufschlussreichen Einblick in die reichhaltige und nunmehr mehrere Jahrzehnte umfassende Filmographie des italienischen Genre-Regisseurs. Für Einsteiger, die mit den Werken Argentos noch nicht allzu vertraut sind, empfiehlt sich zunächst vor allem die Lektüre der Texte zu den einzelnen Filmen. Viele der im ersten Buchabschnitt aufgegriffenen Themen und Schlussfolgerungen lassen sich dadurch besser kontextualisieren.

Besonders schön ist, dass DARIO ARGENTO - ANATOMIE DER ANGST auf anschauliche Weise zahlreiche ungeahnte Bedeutungs- und Rezeptionsebenen aufdeckt und so (fast) jeder Beitrag eine kleine Entdeckungsreise darstellt und Lust auf eine erneute Sichtung der entsprechenden Filme macht. Auch wenn einige Texte sprachlich nicht leicht zugänglich sind und den Leser/die Leserin herausfordern, so manchen Abschnitt erneut zu lesen, vermeidet es das Buch überwiegend in allzu verkopfte akademische Diskurse abzudriften.

Insofern hat sich das Warten also definitiv gelohnt. Im qualitativ sehr hochwertigen Verlagsprogramm von Bertz + Fischer auf jeden Fall einer der lohnenswertesten Titel. Für Argento-Jünger natürlich ein absoluter Pflichtkauf, darüber hinaus aber auch für alle an Filmanalyse interessierten Leser und Leserinnen ein bemerkenswert informativer und vorbildlich recherchierter Band, der eine vertiefende Auseinandersetzung lohnt und zum wiederholten schmökern einlädt.


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