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VERGEBUNG (Schweden/Dänemark/Deutschland 2009)

von Björn Lahrmann

Original Titel. LUFTSLOTTET SOM SPRÄNGDES
Laufzeit in Minuten. 148

Regie. DANIEL ALFREDSON
Drehbuch. JONAS FRYKBERG . ULF RYBERG
Musik. JACOB GROTH
Kamera. PETER MOKROSINSKI
Schnitt. MATHIAS MORHEDEN
Darsteller. MICHAEL NYQVIST . NOOMI RAPACE . LENA ENDRE . ANDERS AHLBOM u.a.

Review Datum. 2010-05-17
Kinostart Deutschland. 2010-06-13

Zur richterlichen Sorgfaltspflicht gehört es, auch offenkundigste Sünder erst dann zu verurteilen, wenn ihre Schuld akribisch nachgewiesen ist. Ein Kinopublikum teilt diese Pflicht in der Regel nicht, zumal dann, wenn die Moral von der Geschicht ohnehin feinsäuberlich in schwarz und weiß getrennt ist. Niemand lässt sich gern stundenlang en detail vorführen, dass schwarz schwarz ist und weiß weiß. Das Problem von VERGEBUNG – dem Abschluss von Stieg Larssons auch auf Zelluloid äußerst einträglicher Millennium-Trilogie – besteht darin, dass trotz des pompös christelnden Titels der biedere Geist juristischer Aktenkunde in ihm wohnt. Dem direkten Vorgänger, wo bereits vage eine schwedische Regierungsverschwörung angeklungen war, fügt der dritte Teil über weite Strecken bloß einen erklärenden Indizien-Appendix bei.

Ohne Chance für Neueinsteiger macht VERGEBUNG nahtlos weiter, wo VERDAMMNIS aufhörte: Vom Schlachtfeld des Zalachenko-Anwesens werden die fälschlich des Mordes bezichtigte Lisbeth Salander (Noomi Rapace) und ihr diabolischer Gangstervater, beide von den gegenseitig zugefügten Wunden schwer gezeichnet, ins Krankenhaus transportiert. Zalas Spießgesellen, von akuter Enthüllungspanik befallen, lassen im Hospital schnurstracks ein zünftiges Blutbad anrichten; eine Sequenz, die entfernt an HALLOWEEN II erinnert. Während Lisbeth auf der Isolierstation ihres Prozesstermins harrt, stößt Mikael Blomkvist (Michael Nyqvist) auf die umstürzlerischen Machenschaften einer dubiosen Gruppe namens "Sektion". Damit gerät er alsbald nicht nur selbst ins Visier der Verschwörer, sondern auch seine Kollegen von der Millennium-Redaktion.

Stieg Larsson wird posthum gern als man on a mission dargestellt, der den Pulp seiner Romane als massentaugliches Aufklärungsvehikel nutzte. Sein Schweden gleicht einer faschistoiden Herrenrunde, deren Realität die dreckigsten Fantasien längst überholt hat. Exemplarisch und glänzend funktionierte die Mischung aus klassischer Murder Mystery und nachtschwarzer Gesellschaftsdiagnose in VERBLENDUNG, dem ersten und weiterhin besten Teil der Filmreihe. In VERDAMMNIS und, stärker noch, VERGEBUNG beschleicht einen jedoch das dumpfe Gefühl, dass Larssons zornige Moral auf wenig mehr hinaus läuft als: Sack auf, Politiker rein, draufhauen, trifft immer den Richtigen. Dieser simplen Stammtischlogik fehlt indes, was gute Paranoia-Thriller ausmacht: Zweifel. Nicht auf gespanntes Harren ist die Geschichte aus, sondern auf beipflichtendes Nicken. Die Ergebnisse von Blomkvists Recherche, in der zweiten Filmhälfte vor Gericht extensiv nachbereitet, sind hinreichend grob vorgezeichnet, als dass die Feinheiten noch überraschen könnten. Die Bösen, das sind die grauhaarigen Männer in Teakholz-Büros: Als Pointe eines summa summarum fünfstündigen Krimi-Elaborats ist das ein wenig mau.

Hinlänglich bekannt sind die Aktivposten der Reihe, will sagen: ihre Darsteller. Nyqvist und vor allem Rapace - beides Drahtseilkünstler zwischen unerschütterlicher No-Nonsense-Attitüde und höchster Sensibilität - sind mit ihren Rollen mittlerweile derart verwachsen, dass man die Casting-Agenten von David Finchers geplantem US-Remake wahrlich nicht beneiden kann. Bedauerlich ist erneut, wie wenig Zeit die beiden auf der Leinwand miteinander verbringen dürfen, bedauerlicher noch, dass der passive Part diesmal Salander zukommt: Ans Krankenhausbett gefesselt, kann sie kaum mehr tun als wütend in ihren Laptop zu hacken und sich der unbeholfenen Avancen ihres Arztes zu erwehren. Ein krachendes Wiedersehen gibt's mit Ronald Niedermann (Micke Spreitz), Lisbeths wasserstoffblondem Monstrum von Bruder, dessen gimmickhafte Überzeichnung an eine Mischung aus Tor Johnson und Richard "Beißer" Kiel erinnert. Eher dem soliden Understatement verpflichtet ist Daniel Alfredsons Regie, die durchscheinen lässt, dass die Teile 2 und 3 ursprünglich mal als Miniserie im Fernsehen geplant waren. Angesichts der recht zähen, epiloghaften zweieinhalb Stunden von VERGEBUNG wäre das vielleicht die bessere Lösung gewesen.











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