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VALERIAN - DIE STADT DER TAUSEND PLANETEN (Frankreich/USA 2017)

von Andreas Günther

Original Titel. VALERIAN AND THE CITY OF A THOUSAND PLANETS
Laufzeit in Minuten. 137

Regie. LUC BESSON
Drehbuch. LUC BESSON
Musik. ALEXANDRE DESPLAT
Kamera. THIERRY ARBOGAST
Schnitt. JULIEN REY
Darsteller. DANE DEHAAN . CARA DELEVINGNE . CLIVE OWEN . RIHANNA u.a.

Review Datum. 2017-07-19
Kinostart Deutschland. 2017-07-20

Manche Filme sind nur Feuerwerk für die Dauer ihrer Laufzeit; schon beim Abspann macht sich Ernüchterung breit. Anderen folgt das Auge mit mildem Interesse, aber nachher sorgen sie für eine unerwart beschwingte Stimmung.VALERIAN - DIE STADT DER TAUSEND PLANETEN ist so einer. Nach dem verkrampft visionären LUCY,der eindeutig über den Horizont seines Schöpfers ging, bringt Luc Besson nun Gute-Laune-Science-Fiction ins Kino, deren Qualitäten nicht sogleich zu erkennen, sondern eher zeitnah retrospektiv zu fühlen sind.

Freilich fällt schon der Einstieg einfallsreich und tiefgehend aus. David Bowie singt die Nachricht des 'Major Tom to Ground Control', während Begegnungen im All Revue passieren. Ein faszinierender Kontrast ist das zwischen einer sonoren und enrückten, schläfrig-melancholischen Stimme und dem gezügelten Enthusiasmus, mit dem zunächst Menschen einander und dann die seltsamsten Wesen den Erdbewohnern die Hand schütteln, die sich freilich ebenfalls verändern. Mit Dokumentaraufnahmen des ersten Kontakts zwischen Russen und Amerikanern im Weltraum beginnt Besson und gleitet von dort in seine eigene Geschichte mit immer gewaltigeren Raumschiffen, die aneinander andocken, bis ins 28. Jahrhundert hinein.

Besson setzt hier schon mal die Tonlage des Films, genauer gesagt, ihr aufreizendes Oszillieren zwischen der fast schon langweiligen Selbstverständlichkeit, zu der die Raumfahrerei bei Major Tom geworden ist und im 28. Jahrhundert geworden sein könnte, und der Verblüffung und Neugier, mit der sich die fremden Kulturen gegenüberstehen. Und, das ist der zweite wichtige Punkt in Bessons Konzeption, friedlich. VALERIAN- DIE STADT DER TAUSEND PLANETEN bekundet eine entschiedene Abkehr der Space Opera vom Kriegsfilm. Es gibt Kämpfe, aber wichtiger sind Versöhnung und Wiedergutamchung, Austausch des Wissens und friedliche Koexistenz. Das All mag bei Besson sündhaft sein, aber es ist auch werthaltig.

Freilich müssen die Hauptfiguren von den Werten, für die sie stehen, erst eingeholt werden. Während des virtuellen Sonnenbadens erwacht Valerian (Dane Dehaan) aus einem Alptraum, in dem dunkle Mächte den Lebensraum einer in Harmonie lebenden Zivilisation vernichten. Doch Valerian ist zu beschäftigt, seiner hübschen Kollegin Laureline (Cara Delevingne) nachzustellen, um sich darüber Gedanken zu machen. Von der Regierung mit der Aufrechterhaltung der Ordnung im Universum beauftragt, sollen Valerian und Laureline einer Bande von Kriminellen einen Konverter abjagen, mit dem sich alle Arten wertvoller Dinge schaffen lassen. Sie ahnen nicht, dass sie damit die Bemühungen der in Valerians Alptraum angegriffenen Zivilisation durchkreuzen, ihr Eigentum zurückzuerlangen.

Der Einsatz von Valerian und Laureline ist erfolgreich. Sie bringen den Konverter nach Alpha, genannt Stadt der tausend Planenten, weil hier alle Völker füreinander arbeiten und ihr Wissen austauschen. Unvermittelt wird Commander Arun Filitt (Clive Owen) entführt, und der Konverter verschwindet ebenfalls. Valerian stößt auf ein Wesen, wie er es in seinem Alptraum gesehen hat, nimmt die Verfolgung auf und wird nicht mehr gesehen. Gegen den Willen ihrer Vorgesetztenn begibt sich Laureline auf die Suche nach Valerian. Sie findet ihn, gerät aber selbst in Gefahr. Für ihre Rettung braucht Valerian die Gestaltwandlerin und Tänzerin Bubble (Rihanna).

Das edle, fast ausgemerzte Volk, das sich mit dem Konverter einen neuen Lebensraum aufbauen will, unterscheidett sich äußerlich kaum von den Gestalten in James Camerons AVATAR - AUFBRUCH NACH PANDORA. Rihannas Rolle als Halbweltmädchen, das unter ihrer Verwandlungshaube Valerian promiskuitiv nahe an sich drückt, bietet nicht mehr als das klassische Klischee des Gossenmädchens - ein schwarzes noch dazu -, das sich für ein weißes Glück aufopfert. Besson kann es sich nicht verkneifen, rassistische Stereotypen zu bedienen, so wie er sich in 96 HOURS konservativer Moral angebiedert hat.

Aber das sind Nebentöne, eigentlich bloß Zitate, die nicht davon ablenken, dass VALERIAN - DIE STADT DER TAUSEND PLANETEN mit sanft dosiertem Humor ein BARBARELLA-barockes Fest der Liebe und der Verständigung, der Hoffnung und des grenzenlosen Abenteuers einer ins Intergalaktische projizierten Globalisierung feiert, und das in äußerst plastischem 3-D. Der Film gibt viel, fordert aber auch auf eine ungewohnte Weise die Phantasie-Beteiligung des Zuschauers.

So schwebt über der Jagd nach dem Konverter nichst weniger als der desillusionierende Verfremdungseffekt à la Bertolt Brecht. Als Touristen verkleidet, bewegen sich Valerian und Laureline in einer Wüstenlanschaft. Aber der Schein - oder die Wirklichkeit? -trügt. Durch die Virtual-Reality-Brille gesehen, entpuppt sich die Einöde als Kasbah unzähliger Gassen und Hinterhalte. Genüßlich schneidet Cutter Julien Rey hin und her zwischen dem Standoff unter Gangstern in einem Hinterzimmer und Valerian auf dem Wüstenboden, der seine Hand mit der Pistole durch ein kleines Kästchen zwängen muss, um sie in der virtuellen Welt einsetzen zu können. Lichtjahre entfernt von der Ereignishektik der STAR WARS-Hauptfilme gibt Besson Zeit, um den Wechsel von einer Realitätsebene in die andere zu verstehen, gibt Zeit zur Reflexion darüber, dass es unser Blick ist und nichts sonst, der die Wunder des Kinos erschafft.

Bei so wenig Stromlinienenförmigkeit in der Dramaturgie kommt Sorge auf, dass VALERIAN - DIE STADT DER TAUSEND PLANETEN nicht die verdiente Aufmerksamkeit des Massenpublikums erhalten könnte. Aber die gigantischen Schlachtgemälde müssten eigentlich schon soviel Überdruß produziert haben, dass Bessons Bravourstück auf Basis der weltweit erfolgreichen französischen Bande-dessinée-Serie "Valérian & Laureline" aus den Federn von Pierre Christin und Jean-Claude Mézières vielleicht genau zur richtigen Zeit kommt, um neue Wege zu öffnen und Möglichkeiten jenseits der Lichtschwerterschamützel zu erkunden. Mit einer Arena bunter, skurriler, putziger, aber auch respekteinflößender Alienherrlichkeit, in der das größte Problem der Mensch ist.

Es ist ein besonderer Kunstgriff, dass Valerian und Laureline in ihrem Auftreten dem Publikum ähneln könnten, das sie erwartet. Dehaan und Delevingne verleihen ihren Charakteren die Blasiertheit von jungen Menschen, die schon alles gesehen zu haben glauben und nun auf eine neue, intensive Erfahrung stoßen dürfen. Eine wahrlich außergewöhnliche Begegnung.











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