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DER SELTSAME FALL DES BENJAMIN BUTTON (USA 2008)

von Stefan Rybkowski

Original Titel. THE CURIOUS CASE OF BENJAMIN BUTTON
Laufzeit in Minuten. 166

Regie. DAVID FINCHER
Drehbuch. ERIC ROTH
Musik. ALEXANDRE DESPLAT
Kamera. CLAUDIO MIRANDA
Schnitt. KIRK BAXTER . ANGUS WALL
Darsteller. BRAD PITT . CATE BLANCHETT . JULIA ORMOND . FAUNE A. CHAMBERS u.a.

Review Datum. 2009-01-26
Kinostart Deutschland. 2009-01-29

Psychologen nennen es Déjà Vu, etwas, das einem irgendwie bekannt vorkommt, etwas, das man schon einmal erlebt beziehungsweise gesehen hat, auch wenn man nicht unbedingt weiß woher. Bei David Finchers DER SELTSAME FALL DES BENJAMIN BUTTON hingegen ist der Ursprung klar: FORREST GUMP nennt er sich, gewann 1995 ganze 6 Oscars und reiht sich bis heute in den Kanon unvergesslicher Hollywoodhöhepunkte ein. Diese "Ehre" könnte nun auch Finchers Film zuteil werden, denn die Academy hat ihn jüngst mit 13 Nominierungen bedacht, von denen der Großteil zwar alles andere als gerechtfertigt ist, dafür aber nur konsequent erscheint. Dies mag zwar durchaus paradox klingen, aber bedenkt man, dass der Film zu jeder Sekunde durchscheinen lässt, dass er auf ebenjene Nominierungen hin konzipiert wurde, kann man mit dieser Rezeptionseinschätzung eigentlich nicht wirklich falsch liegen. Das Ganze wird sogar noch schlimmer, zieht man in Betracht, dass es sich hier um jenen David Fincher handelt, der mit Filmen wie FIGHT CLUB, SIEBEN oder zuletzt ZODIAC keinen der Goldjungen gewinnen konnte, dies nun aber mit seinem wohl schlechtesten Film schaffen könnte. "Das Scorsese-Phänomen" wäre dafür wohl ein treffender Begriff, denn der gewann den Academy Award schließlich mit DEPARTED, ebenfalls alles andere als ein Glanzlicht seiner Filmografie.

Eine alte Frau liegt im Krankenhaus, es werden ihre letzten Stunden sein, das leitet sich von ihrer schwachen Stimme und ihrer Regungslosigkeit ab. Ihre Tochter (Julia Ormond) ist bei ihr, geht mit ihr durch diese schwere Zeit. Da kommt die alte Dame plötzlich auf die Idee, ihrer Tochter eine wahre Geschichte zu erzählen. Die Geschichte eines Mannes, der rückwärts alterte. Benjamin Button (Brad Pitt) heißt er und steht Forrest Gump in nichts nach, wie sich schnell herausstellt. Nicht, dass es der vermeintlich epische Erzählbogen aus dem Präsens heraus ist, der Parallelen erkennen lässt, nein, Pitt hat einen, welch Wunder, Südstaatenakzent, der ihn doch so viel einfacher und liebenswürdiger erscheinen lässt. Dass dieses Konzept aufgeht, das zeigen die nächsten zweieinhalb Stunden, in denen Benjamin bald kaum mehr von einem Forrest zu unterscheiden ist. Was mit einer schweren Kindheit beginnt endet zwar nicht in einer großen Erfolgsgeschichte, aber auch Benjamin beginnt die Vorzüge des Lebens zu erkennen und für sich zu nutzen. Ganz zufällig macht er dabei auch eine Reise durch die amerikanische Geschichte. Wird er am Tage des Endes des ersten Weltkrieges geboren, kämpft er alsbald schon im zweiten. Seinen vorläufigen Höhepunkt findet dieses Geplänkel in einer Kriegsszene, die an unfreiwilliger Komik nahezu unübertrefflich scheint. Auch die amerikanische Eroberung des Weltalls geht nicht spurlos an Benjamin vorbei.

Spurlos vorbei geht bei Finchers Neuem sowieso nichts, denn das im Vorfeld als große Meisterleistung angesehen Make-up wirkt über weite Strecken mehr schlecht als recht. Zu offensichtlich ist die digitale Unterstützung bei Pitts Alterungs- beziehungsweise Verjüngungsprozess. Was bei Pitt jedoch noch erträglich scheint, wandelt sich bei Cate Blanchetts buchstäblicher Gesichtsmaske einmal mehr in unfreiwillige Komik. Irgendwann sieht es dann nur noch nach massig viel Spachtelmasse aus, von ihrem Seniorenantlitz ganz zu schweigen. Das alles fiele nicht so stark ins Gewicht, würde der Film das erzählen, was er uns vorgaukelt zu tun. So sind die 166 Minuten dann auch weniger mit einer narrativ homogenen Geschichte gefüllt, als vielmehr mit einer groben Belanglosigkeit, deren Anliegen schon im ersten Drittel verpufft (und dass es bei dieser Laufzeit selbstverständlich auch Längen gibt, liegt in der Natur der Sache). Das Leben und alles, was es ausmacht, ist vergänglich. Ja, mehr ist es dann auch nicht, abgesehen von besagter Rahmenhandlung, die ob ihrer Relevanz - was spielt beispielsweise Hurrikan Katrina für eine Rolle, der immer wieder erwähnt wird? - ebenfalls danach schreit, lediglich ein weitere Punkt zum Abhaken auf der Liste eines Academy-Charmeurs zu sein.

Was bleibt, ist eine Idee, die an ihrer eigenen Umsetzung leider kläglich scheitert. Das einzige, das man Finchers DER SELTSAME FALL DES BENJAMIN BUTTON anrechnen kann, ist die Tatsache, dass die Kamera eindeutig seinen Stempel trägt. Alles ist in schönen Bildern festgehalten, die stets ein warmes Ganzes bilden. Man hätte Fincher aber auch wirklich ganz aufgeben müssen, hätte er auch diesen Aspekt in den Sand gesetzt. Dennoch bleibt der Film eiskaltes Kalkül, das man von einem David Fincher wohl als letztes erwartet hätte, das kann man nicht oft genug wiederholen. Ein artifizielles Kalkül, das schon jetzt mit einem Director's Cut droht.











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