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DEPARTED: UNTER FEINDEN (USA 2006)

von Hasko Baumann

Original Titel. THE DEPARTED
Laufzeit in Minuten. 152

Regie. MARTIN SCORSES
Drehbuch. WILLIAM MONAHAN . SIU FAI MAK . FELIX CHONG
Musik. HOWARD SHORE
Kamera. MICHAEL BALLHAUS
Schnitt. THELMA SCHOONMAKER
Darsteller. LEONARDO DICAPRIO . MATT DAMON . JACK NICHOLSON . MARK WAHLBERG u.a.

Review Datum. 2006-10-14
Kinostart Deutschland. 2006-12-07

"Gimme Shelter" also. Mal wieder. Erneut greift Martin Scorsese auf den Stones-Klassiker zurück, den er schon in CASINO zum Einsatz brachte. Nur dieses Mal mit erheblich größerem Effekt. Denn in seinem neuen Film THE DEPARTED ist jeder absolut schutzlos. Während also Mick Jagger um Schutz fleht, führt Jack Nicholsons Offstimme in den vielleicht mit der größten Spannung erwarteten Film des Kinojahres 2006.

Nach all dem Gerede um einen weiteren an "Marty" vorbeigezogenen Oscar und der wohl mit Fug und Recht zu stellenden Frage, ob der einstige Meister überhaupt noch zu den Größten seiner Zunft zu zählen ist, nun also ein Remake des Hongkong-Neoklassikers INFERNAL AFFAIRS. Es sollte Scorseses bester Film seit GOODFELLAS werden. Das ist er nicht. Es ist aber immerhin sein bester Film seit CAPE FEAR.

William Monahans Drehbuch transportiert den Thrillerplot nach Boston, hält sich aber ansonsten erstaunlich eng an die Vorlage. Das bedeutet vor allem, daß Kenner von INFERNAL AFFAIRS herzlich wenig Überraschungen in den zahlreichen Plotwendungen von THE DEPARTED finden werden. Auch hier gibt es den desillusionierten Undercover-Cop (Leonardo DiCaprio), den hinterlistigen Detective (Matt Damon) und einen ultrabrutalen Gangster (Jack Nicholson): Auch bei Scorsese geht es um falsche Identitäten, dehnbare Moralbegriffe und die Strudelwirkung der falsch verstandenen Selbstsuche. Von der Virilität und dem Einfallsreichtum vergangener Großtaten des Regisseurs ist in THE DEPARTED nicht allzu viel zu sehen, nur in wenigen Momenten - wie etwa der Verfolgung von Damon durch DiCaprio - glänzt der Altmeister durch präzise und originelle Inszenierung. Continuity scheint ihm kein verfolgungswürdiges Ziel mehr zu sein - der Film ist zum Teil erbarmungswürdig nachlässig geschnitten - und Michael Ballhaus verreißt auch gleich den ersten Aufzoom. Legt man nicht die Maßstäbe von GOODFELLAS und TAXI DRIVER an, kann man sich aber über eine mehr als solide Umsetzung und hohes Tempo freuen. Gerade der Vergleich mit dem jüngsten Copdrama MIAMI VICE läßt THE DEPARTED sehr gut aussehen.

Was Scorsese an Visualität vermissen läßt, hat er dankenswerterweise in die Figuren und die Schauspielführung gesteckt. Er hat Leonardo DiCaprio und Matt Damon zu den bislang größten Leistungen ihrer Karrieren angestachelt. Es ist absolut faszinierend, mit anzusehen, wie diese zwei Darsteller sich die moralischen Konflikte ihrer Figuren erarbeiten und Monahans ebenso vulgäre wie ausgefeilten Dialoge zum Leben erwecken. Scorsese hat weiterhin den Comeback-Stars Martin Sheen und Alec Baldwin weitere Glanzrollen verschafft und uns endlich wieder daran erinnert, wieso genau wir Mark Wahlberg einmal für einen guten Schauspieler hielten. Einzig Jack Nicholson, auf dessen Rückkehr zum bad guy sich viele freuten, hat er nicht in den Griff bekommen. Nicholson, zweifelsfrei einer der großartigsten Leinwandschauspieler aller Zeiten, zieht in THE DEPARTED seine Jack-Show ab. Das macht zwar immer wieder Spaß, kommt diesem Film aber nicht zugute. Nicholsons eigene Ideen - der Umschnalldildo im Pornokino, die vielbesprochene Kokain-Szene ("Don't move 'til you're numb") - wirken schlichtweg aufgesetzt. Erst als seine Figur Frank Costello allmählich Kontrolle und Verstand zu verlieren beginnt, besinnt sich Nicholson auf seine größten Talente. In einer Barszene, in der er den Unschuldsbeteuerungen DiCaprios mit lallender Unberechenbarkeit begegnet, erreicht er selten gewordene Bedrohlichkeit und Intensität.

Martin Scorsese gibt sich mit THE DEPARTED dem Klischee viel stärker hin als INFERNAL AFFAIRS. Der große Gangsterboß beim Opernbesuch? Das brauchen wir doch in einem amerikanischen Film nicht mehr, oder? Auch die Gewaltdarstellung nähert sich mit ihren Blutfontänen schon fast dem Cartoonesken, besonders im Showdown, der andererseits in seiner Brillanz MIAMI VICE erneut wie einen Diavortrag aussehen läßt.

Wie schon bei CAPE FEAR lädt Scorsese einen Genre-, ja fast schon klassischen B-Film mit seinem Leumund und einer vermeintlichen Essenz auf. Und wie CAPE FEAR ächzt und keucht THE DEPARTED unter dieser Last. Und genau wie bei CAPE FEAR ist es überaus faszinierend, ihm dabei zuzusehen.











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