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J. EDGAR (USA 2011)

von Benjamin Hahn

Original Titel. J. EDGAR
Laufzeit in Minuten. 137

Regie. CLINT EASTWOOD
Drehbuch. DUSTIN LANCE BLACK
Musik. CLINT EASTWOOD
Kamera. TOM STERN
Schnitt. JOEL COX . GARY D. ROACH
Darsteller. LEONARDO DICAPRIO . NAOMIE WATTS . ARMIE HAMMER . JUDI DENCH u.a.

Review Datum. 2012-01-06
Kinostart Deutschland. 2012-01-19

Ödipus, dein neuer Name sei J. Edgar Hoover. Das als einziges Fazit aus dem neuen Film von Clint Eastwood zu ziehen, ist vielleicht ein bisschen gemein - aber es ändert nichts daran, dass die obsessive Liebe eines Sohnes zu seiner Mutter eines der zentralen Themen dieses Bio-Pics ist, das den Blick in das Innere einer der zentralen Figuren der amerikanischen Geschichte richten will. Doch das Innere eines Mannes wie J. Edgar Hoover, der das FBI mitbegründete und als oberster Polizist der USA jahrzehntelang die Verbrechensbekämpfung maßgeblich mitgestaltete, lässt sich nur schwer in einem Film fassen - selbst wenn der mit 137 Minuten nicht gerade kurz geraten ist.

Und weil er das nicht kann, sondern lediglich Annäherung und ein leichtes Kratzen an der Oberfläche ist, steigert sich der Film in bekannte Muster sogenannter Charakterstudien: Da gibt es die dominante Mutter, die von ihrem Sohn abgöttisch geliebt wird und nie zurückliebt, da gibt es das Streben nach Macht und Anerkennung für das zwar nicht über Leichen, aber immerhin über die Grenzen der Legalität gegangen wird, es gibt den Außenseiter, der sozial inkompetent und unfähig zu Emotionen ist und da gibt es den Homosexuellen, dessen Sozialisation ihm ein Ausleben seiner sexuellen Identität verbietet. Das alles also findet man in J. EDGAR - einem Film, der wahnsinnig viel erzählt und am Ende zwar das Bild eines exzentrischen, machtgierigen und traurigen Mannes zeichnet, damit aber eben nicht erklären kann, warum J. Edgar Hoover der Mensch war, der er eben war.

So bleibt der Film, der Hoovers Leben zwischen seiner Rekrutierung zur General Intelligence Unit im Jahr 1919 (da war Hoover 24 Jahre alt) und seinem Tod 1972 erzählt, ein reines Stationen-Drama, das zwar - so muss man doch zugeben - äußerst intelligent verschachtelt ist und seine Handlung nicht konsequent chronologisch, sondern eher in einer assoziativen Retrospektive erzählt, mit diesem Kniff aber letztlich einfach nur komplexer wirken will als es eigentlich ist. Trotzdem sollte man die Arbeit von Drehbuchautor Dustin Lance Black (MILK) honorieren - nur wenige schaffen es einen so unscharfen und oberflächlichen Blick auf eine Person durch kunstvolles Vermengen von verschiedensten Zeitebenen in ein dermaßen anspruchsvoll wirkendes Drehbuch zu verwandeln und dabei noch die Cojones zu haben, seine eigene Ahnungslosigkeit über das wahre Wesen seines Protagonisten als dramaturgisches Mittel einzubauen, sodass am Ende über dem Film ein riesiger Konjunktiv schwebt.

Inhaltlich ist J. EDGAR also ein Film, von dem man sich nicht allzu viel erwarten sollte, erzählt er doch eben nur ein paar zentrale Begebenheiten im Leben seiner Hauptperson nach und bleibt in der Erklärung für die Handlungen seines Protagonisten im Rahmen typischer Erklärungsmuster. Das macht er alles ganz solide und auch wenn die Verschachtelung gelegentlich nur haarscharf nicht konfus wird, macht gerade die Komplexität einen gewissen Reiz aus. Trotzdem hätten Dustin Lance Black und Clint Eastwood gelegentlich der non-verbalen Kommunikation etwas mehr Raum bieten können, denn J. EDGAR ist ein bisschen zu dialoglastig und hätte hier und da ein paar stille Momente ganz gut vertragen können.

In Sachen Schauspiel und Maske aber ist J. EDGAR ein wahres Fest: Sowohl Leonard DiCaprio, als auch Naomi Watts spielen ihre Charaktere in allen Altersstadien und wirken dabei äußerst überzeugend. Gerade DiCaprio, der es aufgrund seines immer noch recht jungenhaften Aussehens immer schwer hat, einen reifen Mann wirklich glaubwürdig zu spielen (man denke da nur an SHUTTER ISLAND), schafft es hier dank exzellentem Prosthetic makeup und subtilen Veränderungen in Körperhaltung und Sprache seinen Charakter wirklich in jedem Altersabschnitt perfekt und authentisch zu spielen. Einzig Armie Hammer als lebenslanger Begleiter Hoovers wirkt als vom Leben gezeichneter alter Mann zuweilen unfreiwillig komisch. Das ausgerechnet dann noch der Dustin Lance Blacksche Kitsch einsetzt, hilft nicht wirklich beim Unterdrücken eines inneren Kicherns.

Ein Meisterwerk sieht sicherlich anders aus, aber jenseits aller gerechtfertigten Kritik ist J. Edgar ein ziemlich solider Film geworden, dessen bestes Verkaufsargument eindeutig Leonardo DiCaprios brillante Performance ist. Kann man sich anschauen, muss man aber nicht.











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