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THE GRUDGE (USA 2020)

von André Becker

Original Titel. THE GRUDGE
Laufzeit in Minuten. 93

Regie. NICOLAS PESCE
Drehbuch. NICOLAS PESCE . JEFF BUHLER
Musik. THE NEWTON BROTHERS
Kamera. ZACK GALLER
Schnitt. KEN BLACKWELL . GARDNER GOULD
Darsteller. ANDREA RISEBOROUGH . DEMIAN BICHIR . JOHN CHO . BETTY GILPIN u.a.

Review Datum. 2020-01-09
Kinostart Deutschland. 2020-01-09

Anfang der 2000er-Jahre kamen schlaue Produzenten auf die Idee den japanischen Erfolgsfilm RINGU von Hideo Nakata als Remake für den westlichen Markt neu zu verfilmen. Der Rest ist Geschichte. Der bahnbrechende Erfolg von RING führte zu einer bis zum heutigen Tag kaum überschaubaren Schwemme von Remakes, Fortsetzungen und Neuinterpretationen japanischer Horror-Filme. Auch die Macher der Original-Filme konnten von diesem Trend profitieren. Japan-Horror war plötzlich en Vogue und bescherte den Regisseuren Einladungen nach Hollywood, wo sie die Gelegenheit bekamen eigene Stoffe umzusetzen.

Die zentralen Merkmale der Remakes dürften hinlänglich bekannt sein. Shintoistische Motive und Themen, die vor allem den Geisterglauben japanischer Prägung transportieren, treffen auf die Filmästhetik Hollywoods und werden schrittweise an westliche Sehgewohnheiten angepasst. Im Endergebnis blieb so immer noch genug Exotik übrig um das Kinopublikum mit einer andersartigen Welt zu konfrontieren. Einer Welt, die in dieser Form noch nicht in die Kinosäle Einzug erhalten hatte und das Genre-Kino daher mit neuen Impulsen versorgte. Nichtsdestotrotz achteten die Filmemacher stets darauf keine allzu große Überforderung aufkommen zu lassen. Look und Erzählstruktur blieben gefällig, Ambivalenzen bei der Figurenzeichnung wurden geflissentlich ausgespart.

THE GRUDGE (2004), das ultra-schnell realisierte Remake des Originals von 2002 gilt zusammen mit der Neuverfilmung von RINGU als eine der besten Umsetzungen der am Japan-Horror orientierten Arbeiten. Insbesondere die Verpflichtung von Takashi Shimizu, der ebenfalls das Original drehte, sowie die Verlagerung der Story nach Japan erwies sich als Glücksgriff. Shimizus Remake sackte überwiegend gute Kritiken ein und bescherte dem produzierenden Studio satte Einnahmen. Nach der Fortsetzung blieb es zunächst relativ ruhig. Die Japan-Horror-Welle ebbte langsam ab und machte Platz für neue Trendbewegungen im Genre-Kino. Eine Konstante hielt sich allerdings hartnäckig. Remakes, Reboots und Neuinterpretationen asiatischer Original-Stoffe waren (und sind) nach wie vor ausgesprochen beliebt. Insofern war es keine riesengroße Überraschung als vor ein paar Jahren erste Gerüchte über einen Neustart rund um den Rachegeist aus THE GRUDGE auftauchten. 2017 wurde es dann konkret als bekannt gegeben wurde, wer federführend beteiligt ist und das der neue Film eher als Reboot und weniger als Remake umgesetzt werden sollte.

Als Regisseur für THE GRUDGE (2020) fiel die Wahl auf Nicolas Pesce. Eine Entscheidung, die zumindest aufhorchen ließ, da Pesce sich mit seinen vorangegangen Werken THE EYES OF MY MOTHER und der edgy Verfilmung von Ryu Murakamis Roman PIERCING als einer der vielversprechendsten Newcomer-Regisseure der letzten Jahre positionieren konnte. Auch die Beteiligung von Sam Raimi als Produzent, sorgte für ein lautes Zungenschnalzen in der Filmcommunity und unter Fans der Original-Stoffe. Was kann da schon schief gehen?

Eine Menge, muss man leider sagen. Die Neuinterpretation unterscheidet sich nämlich nur in Nuancen von den meist vollkommen austauschbaren Fließband-Produktionen der sonst auf diese Art Film spezialisierten Blumhouse-Studios. Pesce wählt als Schauplatz der Handlung (abgesehen von einer kurzen Sequenz in Japan) die USA und strickt rund um den Mythos eines rachsüchtigen Geistes eine papierdünne Alibi-Handlung, die mittels verschiedener Zeitebenen künstlich aufgeblasen wird. Im Zentrum der Geschichte steht ein Cop-Duo (Andrea Riseborough und Demián Bichir) das auf eine Mordserie stößt und dabei entdeckt, dass die Todesfälle mit einem verfluchten Haus und einem mysteriösen Geisterwesen zusammenhängen. Wie so oft liegt der Schlüssel für die schaurigen Geschehnisse in der Vergangenheit. In den Abgründen ungesühnter Verbrechen, die großes Leid verursacht haben und die Geisterwelt nicht ruhen lassen. Es kommt somit, wie es kommen muss. Die Ermittler selbst geraten in einen abtraumhaften Strudel grauenvoller Ereignisse, der nicht nur sie sondern auch ihre Familien bedroht.

Pesce legt den Fokus des Films vor allem auf die erschreckend lieblos aneinandergereihte nicht enden wollende Abfolge von Jump scares. Diese sind nicht nur wenig aufregend inszeniert, sondern meist arg vorhersehbar aufgebaut. Trotz der hervorragenden Kamera von Zack Galler (der ebenfalls bei PIERCING als Kameramann tätig war) gelingt es Pesce nur sehr selten so etwas wie Atmosphäre oder Stimmung aufzubauen. Besonders fatal ist es jedoch das THE GRUDGE sein Publikum für dümmer hält, als es ist. Da werden ganze Szenen wiederholt um die zeitlichen Bezüge deutlich zu machen und ständige Erklärungen ersticken die in der Story angelegten Mehrdeutigkeiten von vornherein im Keim.

Trotz guter Darsteller (u.a. noch John Cho und Urgestein William Sadler) wird zudem die Möglichkeit verschenkt aus den unterschiedlichen Nebenhandlungen und den damit verknüpften menschlichen Schicksalen eine emotionale Grundierung herzustellen. Ähnlich wie der Großteil der japanischen Originale will auch das Reboot von menschlichen Tragödien, tiefen Traumata, zwischenmenschlichen Konflikten und den damit einhergehenden negativen Folgeschäden erzählen. Im Gegensatz zu den gelungenen Vertretern der Japan-Horror-Movies ist das zugrundeliegende Drehbuch (an dem der derzeit schwer angesagte Jeff Buher gewerkelt hat) viel zu oberflächlich geraten um aus den gezeigten Einzelschicksalen heraus mehr zu vermitteln als das bereits auf den ersten Blick offensichtliche.

THE GRUDGE ist damit mal wieder ein Reboot, dass die Welt nicht braucht und ein trauriger Beweis dafür, dass selbst mit einem fähigen Regisseur an Bord sehr viel sehr falsch laufen kann. Kein guter Start für das Kinojahr 2020, bei dem uns mit Sicherheit noch das eine oder andere Remake bevorsteht.











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