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DAS GESETZ DER EHRE (USA 2008)

von Marc Zeller

Original Titel. PRIDE AND GLORY
Laufzeit in Minuten. 125

Regie. GAVIN O'CONNOR
Drehbuch. JOE CARNAHAN . GAVIN O'CONNOR
Musik. MARK ISHAM
Kamera. DECLAN QUINN
Schnitt. LISA ZENO CHURGIN . JOHN GILROY
Darsteller. EDWARD NORTON . COLIN FARRELL . JOHN VOIGHT . NOAH EMMERICH u.a.

Review Datum. 2009-01-16
Kinostart Deutschland. 2009-01-22

Polizeifilme sind fest im amerikanischen Kino (nicht nur) der Gegenwart verankert. Die Cop-Thematik wird immer mal wieder aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet und im Bezug auf die Aspekte des Polizistendaseins neu ausgelotet. Oft wird aber auch Altbackenes und schon Angegammeltes einfach nur noch kurz auf den Grill geschmissen, damit man das Ganze wieder als knackiges Brötchen verkaufen kann. Frisch wird es dadurch nicht, wie DAS GESETZ DER EHRE deutlich macht.

Es gibt genau zwei Aha-Momente in diesem Film, und die sind nach der ersten halben Stunde vorüber. Der erste: Gleich nach dem Vorspann, als die Leichen von vier New Yorker Polizisten gefunden werden, die bei einer Razzia scheinbar in einen Hinterhalt geraten sind. Dies setzt die Ereignisse in Gang und bildet den "Aha, es ist ein Film, in dem die anderen Bullen richtig sauer sind, weil ein paar von ihnen abgemurkst wurden"-Effekt. Danach kommt eine Weile die übliche Einführung: Die toten Polizisten waren aus der Truppe von Jimmy Egan (Colin Farrell), der wiederum dem Kommando von Francis Tierney jr. (Noah Emmerich) untersteht. Dessen Vater, Francis Tierney sr. (Jon Voight), ist Polizeichef von Manhattan und in diesem Fall nicht nur von Amtswegen an der Aufklärung interessiert, sondern auch wegen der persönlichen Tragweite – zumal Jimmy Egan ja auch noch mit seiner Tochter liiert und somit ebenfalls Familienmitglied ist. Also kommt der nächste Tierney ins Spiel, nämlich Ray (Edward Norton), ein weiterer Sohn des Polizeichefs und zugleich ein Cop mit einer nebulösen tragischen Vorgeschichte. Dieser wird von seinem Vater in die Task Force geholt, die die undurchsichtige Tragödie untersuchen soll. Als Ray und die Zuschauer langsam begreifen, dass Schwager Jimmy ziemlich viel Dreck am Stecken hat und eventuell mehr über die vier ermordeten Polizisten weiß, als er sagt, folgt der zweite Effekt: "Aha, gute und böse Cops, darum geht es also". Der Rest wird dann leblos heruntergespult, und wer auf Überraschungen steht, sollte sich vor dem Kinobesuch lieber eines dieser bekannten weiß-roten Schokoeier kaufen, denn im Kino wird er in den folgenden, überlang erscheinenden eineinhalb Stunden keine finden. Es geht folglich nur noch darum, wie Ray zu der Sache stehen wird – ob er die eigene Familie schützen will wie ein anständiger Amerikaner oder im Namen der Gerechtigkeit alles aufdecken muss wie der klassische Gutmenschencop der früheren Polizeifilme. Dass die Wahrheit irgendwo dazwischen liegen wird, gilt wohl kaum als Spoiler. Drumherum gibt es noch allerlei Probleme, die inhaltliche Tiefe vorgaukeln sollen: Die krebskranke Ehefrau von Francis jr., das Alkoholproblem des Familienoberhaupts, die verlorene Liebe von Ray – alles angefangene Nebenschauplätze ohne Belang, die bis zum Ende in Vergessenheit geraten werden.

Die Macher-Brüder, Regisseur Gavin und Produzent Greg O'Connor (MIRACLE - DAS WUNDER VON LAKE PLACID), entstammen selbst einer Polizeifamilie und wollten mit diesem Film die schwierige Gratwanderung zwischen Frustration, Eigeninteressen und dem Ideal der Gerechtigkeit aufzeigen, die für die Staatsdiener ihrem Verständnis nach zum Alltag gehört. Vielleicht ein ehrenwertes Ziel, aber da sind die beiden sicher nicht die einzigen – und schon gar nicht die ersten. Manchmal ist es fast niedlich, mit welcher Inbrunst hier irgendwelche ollen Kamellen von Moral und Ehre weiter totgelutscht werden, obwohl sie schon lang nicht mehr schmecken. Einen inhaltlichen und qualitativen Vergleichsfilm der letzten Jahre zu finden, ist gar nicht so einfach – HELDEN DER NACHT zum Beispiel hatte zwar auch eine Polizei-Familiengeschichte, war aber besser. Und Scorseses THE DEPARTED, der zumindest die Good Cop vs. Bad Cop-Thematik mit DAS GESETZ DER EHRE teilt, erwähnt man besser erst gar nicht – denn wenn ersterer das Dachgeschoss ist, muss man letzteren wohl als Einliegerwohnung im Keller bezeichnen.

Das eine Problem des Films ist einfach, dass er genau das erzählt, was man von ihm erwarten würde – ohne Neues einzuflechten oder Altem wenigstens andere Facetten abzugewinnen. Auch die Darsteller agieren erwartungsgemäß in ihren stereotypen Charaktervorgaben: Colin Farrell darf gefühlte 500 Mal "fuck" oder "fucking" sagen und einen Drecksack von Polizisten spielen, der wehrlose Verdächtige sowie Frauen schlägt und nicht einmal davor zurückschreckt, einem Baby das heiße Bügeleisen vors Gesicht zu halten, um Informationen aus dem Vater herauszupressen; Edward Nortons dunkle Augenringe spielen die blasse Rolle des eigentlich starken Schauspielers von ganz alleine; Jon Voight gibt mal wieder den alten Mann, der um jeden Preis die Welt in Ordnung halten möchte; und allesamt bleiben sie hinter ihren Möglichkeiten zurück. Am ehesten begeistert noch Noah Emmerich, aber auch er kann die plötzliche Veränderung seines Charakters am Schluss, die man wie alles am Film irgendwie kommen sieht, nicht glaubwürdig machen.

Dieser Twist demonstriert auch gut das zweite, fast noch größere Problem von DAS GESETZ DER EHRE: Die Wandlung des Juniors ist nicht nachvollziehbar; sie wirkt unmotiviert und aus der Luft gegriffen. Und so ist es mit manchem an der Geschichte. Auch das anfängliche Drama mit den massakrierten Cops ist mehr oder minder einem dummen Zufall geschuldet, und selbst die Eskalation der Ereignisse gegen Ende basiert auf einer Szene, die keine kausale Verknüpfung mit dem Rest der Handlung hat. Dies ist dem dürftigen Drehbuch geschuldet, das zumindest teilweise aus der Feder von Joe Carnahan stammt, der schon den zunächst vielversprechenden SMOKIN' ACES zu einem unverständlichen und kaum logischen Wirrwarr verhunzte. Weiter wirken immer wieder auftretende schleimig-pathetische Floskeln und leere Allerweltsphrasen merklich magenschädigend, sodass man sein Popcorn schnell leer essen sollte, um vor allem in der zweiten Hälfte eine Kotztüte zur Hand zu haben. Das heißt, falls man das überhaupt noch mitbekommt und zwischenzeitlich nicht von der durch den Saal schwingenden Moralkeule niedergeschlagen wurde.

Wirklich, nicht alles ist mies an DAS GESETZ DER EHRE. Aber das meiste. Immerhin müssen sich weder Komponist Mark Isham noch Kameramann Declan Quinn oder die Cutter Lisa Zeno Churgin und John Gilroy Vorwürfe machen lassen. Leider es eben so, dass diese Nebendisziplinen zwar positiv auf das Gesamtbild wirken, jedoch keinesfalls das brüchige Fundament ersetzen können. Oder anders ausgedrückt: Wenn ein Film so groß und massig ist wie ein Kreuzfahrtschiff, sich aber keinen Zentimeter von der Stelle bewegt, weil er von einem Drehbuch mit der Power eines Trabimotors angetrieben wird – wen interessiert dann noch, ob der Kahn hübsch angestrichen oder gut ausgeleuchtet ist?











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