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Nach dem überragenden fünften Teil war die Messlatte für einen weiteren Film der FAST & FURIOUS-Reihe sehr hoch gelegt. Schließlich war die Gangster-Mär einer der besten Actionfilme des Jahres 2011. An diese Klasse ragt jedoch Justin Lins neuer Eintrag in die Reihe zu keiner Zeit heran. Denn obwohl FAST & FURIOUS 6 ein durchaus unterhaltsamer Actionfilm ist, wird er sein Publikum in mancherlei Hinsicht enttäuschen.
Der Grund dafür liegt bereits in der narrativen Struktur: FAST FIVE war eine Emanzipation von den vorangegangenen Teilen, eine Weiterentwicklung des Sujets weg von einem reinen Film über Autorennen, Kriminalität und heiße Frauen zu einem Gangsterfilm, der Elemente moderner Actionfilme wie der BOURNE-Reihe mit klassischen Narrativen des Gangsterfilm kreuzte. Diese Zeiten sind mit FAST & FURIOUS 6 vorbei. Regisseur Justin Lin macht eine 180°-Wendung und kehrt zu den Wurzeln der Reihe zurück. Für Fans der ersten Stunde mag das sicherlich eine tolle Nachricht sein, für jene aber, die sich nach der Hetzjagd durch Rio von der Reihe mehr erhofft hatten als heiße Babes und Autostunts, dürfte das wohl eher keine frohe Botschaft sein.
Denn mit der 180°-Wendung kehrt auch all das zurück, was der Reihe einen nicht gerade guten Ruf eingebracht hat. Das beginnt z.B. bei den Stunts. Wo sie real gedreht sind, können sie zwar nicht unbedingt mit der Tresor-Szene aus dem fünften Teil mithalten, spielen aber zumindest in der gleichen Liga. Problematisch wird es jedoch immer dann, wenn Justin Lin auf den Computer zurückgreift. Dann nämlich verlässt FAST & FURIOUS 6 den Boden der Physik und unternimmt eine Traumexkursion ins Gaga-Land. Das wirkt unfreiwillig komisch und zerstört vollkommen den positiven Eindruck, den man durch die reale Action gewinnt. Die platten Sprüche, eine riesige Menge Pathos und eine erzkonservative Vorstellung von Familienzugehörigkeit, die locker als Steilvorlage für einen Ehrenmord dienen könnte, tun ihr übriges, dass man den Film gerne ironisch lesen möchte - auch wenn er das eigentlich nicht will. Man merkt es schon: ideologiekritisch darf man dem Film nicht begegnen. Und Feministinnen sollten sich auch lieber das Ticket sparen.
Nun sind aber diese Menschen gar nicht die Zielgruppe des Films. Vielmehr wendet er sich ganz konkret an Fans der Reihe. Das wird bereits dadurch deutlich, dass er kaum etwas über die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Charakteren erklärt und sich Psychologisierungen auch nur als Randphänomen erlaubt. Es gibt zwar zu Beginn und während des Films immer wieder kurze Rückblicke, aber diese fungieren eher als Erinnerungstrigger. Wer den vierten Film der Reihe, FAST & FURIOUS von 2009, nicht gesehen hat und somit das Drama um Letty (Michelle Rodriguez) nicht kennt, für den wird die Motivation von Dominic Toretto (Vin Diesel) mehr als rätselhaft bleiben.
Für die Fans aber dürfte FAST & FURIOUS 6 ganz gut funktionieren, denn trotz seiner zahlreichen Schwachstellen weiß er zu unterhalten. Die Action der etwas dürftigen Handlung wird nie langweilig, die Schauwerte gefallen und die gesamte Produktion macht einen aufwendigen Eindruck, was gerade bei den realen Autostunts sehr deutlich wird. Auch wenn FAST FIVE der bisher beste Film bleibt, macht Justin Lin mit FAST & FURIOUS 6 der Reihe keine Schande. Und selbst wenn, wäre es ohnehin egal: Teil Sieben ist ja bereits in Arbeit.
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