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ERINNERUNGEN AN MARNIE (Japan 2014)

von Florian Lieb

Original Titel. OMOIDE NO MÂNÎ
Laufzeit in Minuten. 103

Regie. HIROMASA YONEBAYASHI
Drehbuch. KEIKO NIWA . MASASHI AND? . HIROMASA YONEBAYASHI
Musik. TAKATSUGU MURAMATSU
Kamera. ATSUSHI OKUI
Schnitt. RIE MATSUHARA
Darsteller. SARA TATSUKI . KASUMI ARIMURA . NANAKO MATSUSHIMA . HANA SUGISAKI u.a.

Review Datum. 2015-11-08
Kinostart Deutschland. 2015-11-12

Kaum ein Studio leistete über so viele Jahre derart bahnbrechende visuelle Arbeit wie das japanische Studio Ghibli rund um Hayao Miyazaki. Der verabschiedete sich 2014 mit WIE DER WIND SICH HEBT in die Rente, was nicht ohne Folgen für Ghibli blieb. Das Studio erklärte, erstmal eine Produktionspause einlegen zu wollen - eine Rückkehr scheint nicht unwahrscheinlich, aber auch nicht sicher. Infolgedessen könnte ERINNERUNGEN AN MARNIE, der jüngste Film des Studios, womöglich auch sein letzter sein. Und sollte es so kommen, gibt es wahrlich schlechtere Filme, die am Ende einer ruhmreichen Filmografie wie der von Ghibli stehen könnten.

Erneut ließ sich Ghibli dabei literarisch vom Westen inspirieren. Griff Miyazaki selbst für PONYO teils auf Hans Christian Andersens "Die kleine Meerjungfrau" zurück, verwertete Hiromasa Yonebayashi für seinen Debütfilm ARRIETTY vor einigen Jahren Mary Nortons Kinderbuch-Klassiker "Die Borger" (1952). Und auch für ERINNERUNGEN AN MARNIE ließ sich Yonebayashi wieder inspirieren, indem er Joan Robinsons "Damals mit Marnie" (1967) adaptierte. Der Film erzählt von der 12 Jahre alten Anna, die von Asthma geplagt ein Außenseiter-Dasein fristet. Ein eigens auferlegtes, ist das junge Mädchen doch von Selbsthass geplagt, beschreibt sich als hässlich, dumm, widerwärtig und mürrisch.

Einst sei sie gefühlvoll gewesen, verrät ihre Pflegemutter Yoriko eingangs nach einer Asthmaattacke des Waisenkindes Anna deren Arzt. Das introvertierte Verhalten der Tochter kann sie sich nicht recht erklären, schickt diese zur Erholung aber erstmal an die Küste zu ihrer Verwandtschaft. Eher widerwillig fügt sich Anna, wird jedoch an ihrem Urlaubsort sogleich von einem mysteriösen Anwesen auf der anderen Uferseite angezogen. Angeblich seit Jahren leer stehend macht Anna nicht nur gegen Abend Lichter in dem Haus aus, sondern auch ein blondes Mädchen in ihrem Alter. Annas Neugier führt zu einer Begegnung mit Marnie, die sich alsbald intensiviert. "Ich kann es kaum erwarten, dich näher kennenzulernen", freut sich Marnie, die ähnlich zurückgezogen wie Anna lebt - allerdings nicht aus freien Stücken.

Beide Mädchen stehlen sich die nächsten Tage bei Einbruch der Dämmerung aus ihren Häusern und verbringen die Nächte zusammen. "Du bist mein kostbares Geheimnis", sagt Marnie zu Anna. Und versichert ihr: "Ich liebe dich mehr als jedes andere Mädchen, das ich je kannte." Eine Wertschätzung, die der kurzhaarigen 12-Jährigen sichtlich gut tut. Anna blüht in Marnies Gesellschaft etwas auf, wird zu dem gefühlvollen Mädchen, das Yoriko eingangs beschrieben hat. Doch Eifersucht und familiäre Widrigkeiten bedrohen die Freundschaft der beiden Mädchen, während der Zuschauer nach und nach tiefere Einblicke in Annas private Probleme erhält. Spät gibt es somit Indizien für Annas Verhalten zu Beginn des Films, die im Zeichen ihrer Identitätskrise und Selbstfindung stehen.

Inhaltlich beschreitet Ghibli mit ERINNERUNGEN AN MARNIE trotz der Kinderbuchvorlage mal wieder reichlich erwachsene Wege, die die Animationskonkurrenz von Disney über Pixar bis DreamWorks auf diese Weise keineswegs ebenso wählen würde. Die 2D-Animation ist dabei so wunderschön und detailreich wie man es von den Japanern seit jeher gewohnt ist, erinnert dabei aber durchaus mehr an Yonebayashis Vorgänger als an die Werke Miyazakis. Speziell zum Schluss packt Ghiblis jüngster/letzter Film dann eine emotionale Wucht aus, wenn dramatische Entwicklungen über Anna hereinprasseln, die durchaus berührend geraten. Ein ergreifender Abschluss unter Ghiblis beeindruckendes Portfolio, das hoffentlich nach wirklich nur einer kurzen Pause fortgesetzt wird.











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