Facebook Twitter

das manifest¬  kontakt¬  impressum¬  verweise¬  übersicht¬ 
[   MEINUNGSMACHER  |   GEDRUCKTES IST TOT  |   KAPITELWAHL  |   UNENDLICHE TIEFEN
   MENSCHEN  |   GESPRÄCHE  |   FEGEFEUER DER EITELKEITEN  |   MIT BESTEN EMPFEHLUNGEN   ]
MEINUNGSMACHER

ARRIETTY: DIE WUNDERSAME WELT DER BORGER (Japan 2010)

von Alexander Karenovics

Original Titel. KARI-GURASHI NO ARIETTI
Laufzeit in Minuten. 94

Regie. HIROMASA YONEBAYASHI
Drehbuch. HAYAO MIYAZAKI . KEIKO NIWA
Musik. CÉCILE CORBEL
Kamera. ATSUSHI OKUI
Schnitt. RIE MATSUHARA
Darsteller. MIRAI SHIDA . RYUNOSUKE KAMIKI . TATSUYA FUJIWARA . SHINOBU OTAKE u.a.

Review Datum. 2011-07-02
Kinostart Deutschland. 2011-06-02

Nach einer Reihe ausgesprochen wilder Ausflüge ins Reich der Phantasie kehrt das Studio mit der Lizenz zum Verzaubern aller Altersgruppen mit seinem neuesten Anime-Kunstwerk auf den Boden zurück, bleibt dabei aber so einfallsreich und leichtfüßig wie eh und je. Hier ist die Chance (und nicht nur für Kinder), einfach mal innezuhalten und einen Blick durch die Lupe in ein wahres Wunderland zu werfen, über welches man jeden Tag achtlos hinwegstapft, sich aber noch nie die Zeit genommen hat, seine faszinierende Infrastruktur aus nächster Nähe zu bestaunen.

Des Öfteren schon haben Miyazaki und seine Zauberlehrlinge sich von europäischen Kinderbuch-Klassikern inspirieren lassen, Pate für ARRIETTY standen diesmal die Geschichten der Britin Mary Norton über die Borger: Borger sind kleine Leute, die sich hinter den Wänden von Menschen-Behausungen ihr Miniatur-Reich errichtet haben; nachts kommen sie heraus, um sich Dinge zu "borgen", die sie zum Leben brauchen und die niemand vermißt: einen Zuckerwürfel, ein Stück Bindfaden, eine Wäscheklammer, einen Teller aus einem Puppenhaus ...

Einige der schönsten Märchen aus dem Hause Ghibli erzählen gar nicht von epischen Aufgaben in fremden, phantastischen Ländern, sondern lenken den Blick auf den Mikrokosmos unseres eigenen täglichen Lebens; KIKIS KLEINER LIEFERSERVICE zum Beispiel, oder MEIN NACHBAR TOTORO. Auch im vorliegenden Film wird der Garten hinterm Haus zum Abenteuer-Spielplatz: ein herzkranker Junge freundet sich mit dem Borger-Mädchen Arrietty an, und lernt dabei, daß nicht jede Kreatur ihren selbstverständlichen Platz auf dieser Erde hat. Behutsam werden die Sinne der Zuschauer für solche Fragen geschärft: nicht jeder Mensch ist den Borgern freundlich gesonnen, steht von Natur aus allem Neuen erstmal feindlich gegenüber, und um zu überleben muß das Geheimnis um die Existenz solcher Wesen bewahrt werden.

Hiromasa Yonebayashi hat sich seine Sporen bislang als Key-Animator (PONYO, CHIHIRO, DAS WANDELNDE SCHLOSS) verdient, und bleibt auch in seinem Regie-Debüt dem ehernen Ghibli-Grundsatz "Handarbeit vor CGI" treu: der Film begeistert mit kunstfertig gestalteten Hintergründen, denen man die Sehnsucht zum verträumten Konzept einer Natur im harmonischen Zwiegespräch mit der Zivilsation in jedem Pinselstrich anmerkt. Und wie das nunmal so ist mit japanischem Zeichentrick: die Gesichter kennt man - einzigartig und lebendig werden die Geschichten erst mit den Animationen und einer Fülle an Details der Umgebung. Bewegung ist Leben, und in ARRIETTY raschelt's, kreucht und fleucht es in allen Ecken und Winkeln. Zwei Welten mußten erschaffen werden: einmal die Welt, wie wir sie sehen, zum anderen die Welt, wie wir sie kennen und die Borger sie sehen: eine Welt, in der der Raum zwischen Küchenregal und Tisch zum weitläufigen Canyon wird, die Katze zum fauchenden Ungeheuer, und ein Tropfen aus dem Wasserhahn eine ganze Teekanne füllt. So akribisch beobachtet und vom kindlichen Entdecker-Drang beseelt, als hätte man ein ganzes Kamerateam auf Stecknadelgröße geschrumpft und auf Scouting-Tour geschickt.

Stimmungsmäßig ist am ehesten TOTORO angesagt: eine sanft abgerundete Spannungskurve, hin und wieder darf es regnen, aber selten gesellen sich Donner und Blitz zum Unwetter. Wenn zum Ende hin Kammerjäger zur Jagd auf die Borger-Familie blasen, darf kurz mitgefiebert werden, längerfristig fürchten muß sich jedoch niemand. Für die ganz Kleinen ist das angemessen, die ältere Generation bleibt hier zwar etwas auf der Strecke, kann sich aber immer noch an prachtvollen Bildern sattsehen und in freundlicher Atmosphäre die Seele baumeln lassen - und hin und wieder ist das auch sehr schön. Vor allem jener bittersüße Hauch von Wehmut, der trotz glücklichem Ausgang sachte hinüber in den Abspann weht, sorgt dafür, daß ARRIETTY nicht nur ein flüchtiger Tagtraum bleibt, sondern als Abdruck länger in den Gedanken verweilt, und - sofern er dort auf fruchtbaren Boden fällt - über Nacht gedeiht und zu etwas ganz Großem heranwächst ... ein bißchen wie der Zaubersamen in TOTORO.











Facebook | Twitter :: Datenschutzerklärung | Impressum :: version 1.20 »»» © 2004-2024 a.s.