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FILM.
Ein Magier, der sich enttäuscht vom Rest der Menschheit auf den Meeresgrund zurückgezogen hat, seine umtriebige Kinderschar, Goldfischkinder, von denen das aufsässigste und unbändigste Mädchen unbedingt in die Freiheit will, Sosuke, ein kleiner Junge, der sich mit diesem Mädchen anfreundet... Hayao Miyazaki , Großmeister des Animationsfilms (PRINZESSIN MONONOKE, CHIHIROS REISE INS ZAUBERLAND), taucht wieder tief in die Märchenwelt ein.
PONYO ist ein erklärter Kinderfilm. Die Geschichte, an Hans Christian Andersens kleiner Meerjungfrau angelehnt, ist entsprechend einfach strukturiert. Auf der Suche nach Sosuke, der Suche nach Freundschaft, entfesselt Ponyo einen die Erde fast komplett verschlingenden Tsunami. Bei der gemeinsamen Expedition nach Sosukes verschollener Mutter versuchen die beiden, sich in der überfluteten Welt neu zu orientieren.
Die Prüfungen, die die beiden bestehen müssen, um sowohl zu sich zu finden als auch die Welt wieder in ein Gleichgewicht zu bringen, sind kindgerecht wenig dramatisch.
Auch die gesprochene Sprache ist auf das Kindliche ausgerichtet. Sie ist direkt und verbindlich und geprägt von einem liebevollen Respekt zwischen Kindern und Erwachsenen. Das sorgt für eine ungemein erholsame Klarheit: kein Subtext, kein Dechiffrieren, keine Missverständnisse! Genau das, was Kinder brauchen und auch Erwachsenen, zur Abwechslung mal, gut tut. Zumal die deutsche Synchronisation ausgezeichnet ist.
Auch der Zeichenstil wirkt übersichtlicher, flächiger, einfacher. Gleichzeitig ist PONYO mit über 170.000 Einzelbildern Miyazakis aufwändigster Film. Die Reduzierung im Stil sorgt nämlich nicht für eine reduzierte Wirkung. Im Gegenteil, PONYO lässt einen oft genug völlig überwältigt zurück, sowohl im Großen als auch im Kleinen. Zum Beispiel die zauberhafte Unterwasserwelt in ihrer detailversessenen Größe und opulenten Farbenpracht. Sie wirkt fast schon psychedelisch.
Oder die kleinen Beobachtungen der Charaktere, bis hin zu den Nebenfiguren, die so präzise, gleichwohl liebevoll sind (das weise-griesgrämig dreinblickende Baby, die unzufriedene alte Dame, die quirlige, zwischen Frustration und Durchhalte changierende Mutter, vor allem der ernsthaft neugierige kleine Junge Sosuke und die um ihre Identität kämpfende Ponyo).
Die eindringlichste Sequenz des Films ist der Moment, als sich Ponyo aus der Gefangenschaft ihres Vaters befreit, um ihren neuen Freund Sosuke wiederzufinden. Sie entfesselt auf der Suche nach ihm einen gewaltigen Tsunami, der sie immer näher dem Land bringt, der Klippe, auf der Sosuke und seine Mutter in einem kleinen Häuschen leben. Wasserberge türmen sich auf, bilden riesige fischförmige Wellenspitzen, die Ponyo voller ungehemmter kindlicher Freude reitet, an ihnen entlang springt, sie immer weiter und höher treibt, nur um Sosuke immer näher zu kommen und ihn und seine Mutter gleichzeitig auch immer weiter zu gefährden. Das Wasser umkreist das kleine Häuschen, schließt es ein, umtost es, höher, als die Klippe selbst. Ein Bedrohungsszenario, das sowohl eindrucksvoll ist, durch die souveränen und entspannten Figuren eigentümlich unkonkret wirkt.
In dieser Szene, deren Bildgewalt einen förmlich wegbläst, manifestiert sich Miyazakis Meisterschaft. Dieser Mann versteht das Handwerk der Überwältigung, ohne sie als reine Effekthascherei einzusetzen. Die Liebe zu seinen Figuren, die Lebensnähe, mit der sie reden, handeln, agieren, erdet allen Bombast, gibt ihm Sinn und Verstand und vor allem eine Haltung.
Miyazakis Filme sind in all ihrer Märchenhaftigkeit ehrlich, menschlich, einfach groß, also das Gegenkonzept zu einer eher verlogenen, süß-klebrig verlitschte Disney-Welt. Und gerade dieser Disney-Konzern hat sich PONYO geschnappt, um ihn auf dem amerikanischen Markt zu verticken. Eine ironische Volte, die Miyazaki gefallen könnte. Ambivalent halt.
DVD.
Tolles Bild, toller Ton, und vor allem die sehr gute Synchronisation sorgen für ungetrübten Filmgenuss. Auch wenn der Film schon von 2008 ist, also ruhig etwas eher hätte heraus kommen können.
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