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Al Quaida kann machen was es will, aber die Pole Position der Filmbösewichter haben die Araber noch nicht eingenommen. Zwar versucht sich Hollywood redlich darin, den neuen Feind aus dem Mittleren und Nahen Osten als Antagonisten einzusetzen – wie Filme der Größenordnung DER MANN, DER NIEMALS LEBTE oder OPERATION: KINGDOM aufzeigen - doch damit gelingt es höchstens, die Russen von Platz Zwei zu verdrängen. Die Lieblingsbösewichter jenseits des Atlantiks bleiben aber die Nazis. Die Inbrunst des Bösen. Die Kinder Satans. Bryan Singers OPERATION WALKÜRE hat gerade erst gezeigt, dass ja doch nicht alle Nazis böse waren, für Edward Zwicks Guerilla-Epos DEFIANCE spielt dies allerdings keine wirkliche Rolle.
Das Wort defiance bedeutet im Englischen soviel wie Trotz, Widerstand oder auch Herausforderung, der Film DEFIANCE basiert auf Nechama Tecs Buch Defiance: The Bielski Partisans. Hierbei handelt es sich um eine Niederschrift der Taten und Aufopferungen dreier jüdischer Brüder aus dem Gebiet des heutigen Weißrussland. Als die Nazis dieses Gebiet 1941 besetzten, wiesen sie die einheimische nicht-jüdische Obrigkeit an, alle Juden zu versammeln und hinzurichten. Darunter auch die Familie Bielski. Alle Bielskis? Nein, vier Brüder konnten dem Massaker entgehen. Unter ihnen der Älteste, Tuvia Bielski (Daniel Craig), seines Zeichens ehemaliger Soldat der polnischen Armee. Gemeinsam mit seinen Brüdern Zus (Liev Schreiber), Asael (Jamie Bell) und dem Jüngsten zieht sich Tuvia in die Geborgenheit des Waldes zurück. Als sie hier auf weitere Überlebende stoßen, formt sich bald die Bielski Brigade heraus. Eine Partisanengruppe, die gegenüber den Nazis auf Rache aus ist.
Regisseur Edward Zwick inszeniert seinen Film dabei grundsätzlich sehr klassisch. Mal von einer sehr liebevollen Einleitung, die aus scheinbaren dokumentarischen Aufnahmen heraus in das fiktive Geschehen hinüberführt. Die drei Brüder Tuvia, Zus und Asael werden als unterschiedliche Charaktere dargestellt. Tuvia, der gutherzige und pflichtbewusste Bruder, und ihm gegenüber Zus, der erregbare und ungeduldige. Asael steht als verschüchterter Hänfling zwischen den Fronten. Dass Konfliktpotential zwischen Tuvia und Zus absehbar ist, wird früh offensichtlich. Nachdem beide älteren Brüder vom Tod ihrer Frauen erfahren haben, geht Zwick den Weg des einfachsten Widerstandes und versorgt alle drei Bielskis schon zu einem recht frühen Zeitpunkt mit ihren individuellen love interests. Da ist für jeden was dabei, am sorgfältigsten werden Asael mit der jungen Chaya (Mia Wasikowska) und Tuvia mit der emanzipierten Lilka (Alexa Davalos) versorgt. Denn was wäre schon Krieg ohne seinen romantischen Frieden?
"Nach wahren Begebenheiten" reibt Zwick dem Publikum gleich zu Beginn unter die Nase und scheint sich hiermit selbst ein Ei ins Nest gelegt zu haben. Speziell in Polen wurden Stimmen von Experten und Historikern laut, die DEFIANCE historische Ungenauigkeit vorwerfen. Davon abgesehen, dass Asael der Zweitälteste nach Zus war und nicht umgekehrt, stellt Zwick seine Bielskis wohl sehr viel "trotziger" da, als diese in Wirklichkeit waren. Anstatt jeden Nazikonvoi anzugreifen und brandschatzend und Selbstjustiz ausübend durch die Dörfer zu ziehen, sollen die Bielskis und die restlichen Überlebenden sich vielmehr auf jenen Aspekt fokussiert haben: das Überleben. Es wirkt auch ohne dieses Wissen sehr seltsam, wenn ein Dutzend Juden ohne Waffenkenntnis beginnt, im großen Stil an Straßen Nazikonvois aufzulauern. Von der Welle der Selbstjustiz – die der Film seinen Bildern zufolge praktisch gutheißt – einmal abgesehen.
Es stellt sich somit heraus, dass hier wieder mal der Begriff "wahre Begebenheit" weit gefasst ist. Zwick und sein Drehbuchautor Clayton Frohman erzählen dem Publikum das von Tuvia Bielski, was sie das Publikum wissen lassen wollen. Denn die Bielskis waren keine Juden, die sich darauf beschränkten zu sterben, wie Zus an einer stelle des Filmes mitteilt. Sondern sie waren Juden, die Krieg führten. Heutzutage in Zeiten von Angriffen auf den Gazastreifen keine Seltenheit mehr. Während des Zweiten Weltkrieges schon. Von einem Massaker in Naliboki an der polnischen Bevölkerung und einer potentiellen Beteiligung der Bielski-Partisanen wissen Zwick und Frohman anscheinend nichts. Oder was sie wissen, ließ sich schwer mit dem von ihnen gezeichneten Bild der Bielskis vereinbaren.
In über zwei Stunden, die mit zahlreichen unnötigen Szenen ausstaffiert wurden, konzentriert sich Zwick dann auf das, was er am besten kann. Pompöse Geschichten auf historischem Grund ohne inhaltliche Tiefe zu erzählen. Denn formal ist DEFIANCE weitestgehend in Ordnung, wenn auch die Violinenuntermalung eines James Newton Howard auf die Dauer nervig wird. Letztlich will sich Zwick wie immer nur in sein großes Finale retten, das dann auch mit reichlich Bumm-Bumm und einigen Logiklöchern daherkommt. Grundsätzlich bleibt Zwick sich jedoch treu und weiß DEFIANCE bestens in seine Filmographie neben Werke wie GLORY oder AUSNAHMEZUSTAND einzuordnen. Für mehr ist sein Film aber zu einfach nach den gängigen Genreklischees konstruiert. Zwick geht sogar so weit, Craig auf ein weißes Pferd zu setzen und vor versammelter Menge einen pathetischen Monolog halten zu lassen.
Schauspielerisch geht die Besetzung in Ordnung. Zwar sehen Craig, Schreiber und Bell weder den echten Bielskis noch einander ähnlich, doch für Zwicks eindimensionale Charakterstruktur reicht es allemal. Bell ist quasi beheimatet in der Rolle des schüchternen Hänflings, Craig wird mit dem Urteil zu kämpfen haben, dass James Bond nun Nazis bekriegt. Der Fluch des Bond hat auch ihn ereilt, die Rolle haftet ihm nun an und lässt erkennen, dass er in dieser auch weitaus besser beheimatet ist, als in Werken wie DEFIANCE. Letztlich verkommt Zwicks Neuer zu reiner Staffage, dessen Inhalt man dann bereits wieder vergessen hat, wenn der Abspann beginnt einzusetzen. Vielleicht täte sich der Amerikaner gut daran, ein leichteres oder seichteres Genre zu fokussieren. Auf dem Actiondrama-Gebiet hat er nämlich ermüdender Weise nicht mehr viel Neues zu bieten.
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