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OPERATION WALKÜRE - DAS STAUFFENBERG-ATTENTAT (USA/Deutschland 2008)

von Björn Lahrmann

Original Titel. VALKYRIE
Laufzeit in Minuten. 122

Regie. BRYAN SINGER
Drehbuch. CHRISTOPHER MCQUARRIE . NATHAN ALEXANDER
Musik. JOHN OTTMAN
Kamera. NEWTON THOMAS SIGEL
Schnitt. JOHN OTTMAN
Darsteller. TOM CRUISE . KENNETH BRANAGH . BILL NIGHY . TOM WILKINSON u.a.

Review Datum. 2009-01-16
Kinostart Deutschland. 2009-01-22

Unter den zahllosen Pressemarginalien, die der angestrengte Vorberichts-Bohei rund um OPERATION WALKÜRE in den letzten zwei Jahren produziert hat, ist jene mir die liebste, die kolportiert, United Artists habe aus PR-Zwecken ein Foto des echten Claus von Stauffenberg digital nachbearbeiten lassen, damit es Tom Cruise ähnlicher sähe. Diese Meldung ist symptomatisch für die öffentliche Interessenverlagerung vom Protagonisten der Geschichte (bzw. dessen korrekter filmischer Behandlung) zu seinem Darsteller, die man höchstens im Scheitern ganz gern vereint sähe – dem historisch verbürgten tragischen einerseits, dem hämisch erhofften professionellen andererseits. Die Verkuddelung von Film und Sujet geht an anderer Stelle gar so weit, dass ein Teil der Kulissen bereits in die Dauerausstellung des Dresdner Militärmuseums übernommen wurde.

Beinahe unnötig zu sagen: Don't believe the anti-hype. Das fertige Produkt ist weder sonderlich geglückt noch allzu missraten. Für keinen der illustren Beteiligten taugt der Film zum Karrierekiller, für einen Oscar oder eine Goldene Himbeere freilich ebensowenig, auch nicht zum Entrüstungs- oder Verzückungssturm in deutschen Feuilletons, und zur medialen Geschichtsreflexion schon gar nicht. Man wird OPERATION WALKÜRE vielmehr sehen, man wird ihn mehrenteils okay finden, man wird wieder gehen und hinterher, wenn's hoch kommt, ein kleines Gedenkbier trinken. Beim Bezahlen wird man ihn schon wieder vergessen haben.

Dabei ist der Stoff um das missglückte Hitler-Attentat vom 20. Juli 1944, zumal in den Händen des Qualitätshandwerkers Bryan Singer, eigentlich maßgeschneidert für klassisches Spannungskino, und die Bombe unter dem Tisch – das Hitchcock'sche Suspense-Paradigma überhaupt – ist dabei nur die naheliegendste Ingredienz. Die Geschichte birst vor Verschwörung und Verrat, vor multiplen Countdowns, haarsträubenden Mißverständnisse und um Haaresbreite vertanen Chancen. Singer entschließt sich dementsprechend für eine Erzählstruktur, die die wohlbekannte Vorlage in episodische Mini-Thriller zerteilt – eine Art Best-of der letzten großen Anschlagspläne auf Hitler. Angefangen bei Henning von Tresckows zündungsgehemmter Cognacflaschenbombe hangelt sich der Film chronisch-chronologisch und mit hinreichender Akkuratesse an den einzelnen Konspirationsetappen ab: Der heiklen Bemühung, den opportunistischen Ersatzheeresleiter Fromm (Tom Wilkinson) für die Sache der Verschwörer zu gewinnen, folgt die Einschleusung Stauffenbergs in Hitlers engsten Kreis sowie sein Versuch, den Führer von einer Umschrift der "Operation Walküre" zu überzeugen – jenem Einsatzbefehl also, der den Kollaborateuren nach Hitlers Tod das Errichten einer Schattenregierung ermöglichen soll. Die zweite Filmhälfte schließlich erzählt minutiös und mäßig aufregend die Ereignisse des 15. und 20. Juli sowie das Chaos des anschließenden Putschversuchs nach, zu dessen Verbildlichung Singer allerdings nichts besseres einfällt als das stumpfe Abfilmen von wild umherstürmenden Soldatentrupps und ebenso wild tackernden Telegrafenapparaten.

Unter den zumeist nüchtern und geradlinig inszenierten Sequenzen finden sich immer mal wieder auch solche, die geradezu vorbildlich funktionieren, nahezu wortlos, allein mit knackigem Schnitt und angespannten Blicken, die zwischen Stauffenberg und seinen Mitstreitern hin und her huschen. Dass es immer die gleichen Blicke sind, fällt erst mit der Zeit störend auf: Selten war der große Overactor Tom Cruise dermaßen ausdrucksneutral und monoton wie in diesem Film. Das mag daran liegen, dass das ideenlahme Drehbuch Stauffenberg als ebenso makel- wie eigenschaftslose Figur zeichnet, als personifizierte Entschlossenheit, der kaum eine irrationale, geschweige denn emotionale Regung zugestanden wird. In nahezu fetischistischer Verbrämung werden seine Wunden – das zerstörte Auge, die amputierte Hand – zu Stigmata des unbedingten Widerstands erhoben: der stoisch-starre Blick des Glasauges, die handlose Verballhornung des Hitlergrußes. Tresckow (feist: Kenneth Branagh) vergleich ihn an einer Stelle gar mit jenem Gerechten, um dessentwillen Gott Sodom und Gomorrha verschont hätte, hätte es ihn bloß gegeben. Von charakterlichen Ambivalenzen keine Spur.

Stauffenbergs wichtigster Kontaktmann Olbricht (Bill Nighy) – die einzige halbwegs ausformulierte Nebenfigur –, verkommt dagegen in seiner notorischen Zögerlichkeit zum bloß typenhaften Gegenbild des großen, aufrechten, leeren Helden. Die übrigen Darsteller – insbesondere Branagh, Wilkinson und Christian Berkel – agieren durch die Bank überzeugender als Cruise, haben aber ob der Profillosigkeit und Marginalität ihrer Rollen kaum eine Chance, das tote Zentrum des Films auszugleichen.

Ausgerechnet in der sonst so parodiebelasteten Darstellung Hitlers gelingt OPERATION WALKÜRE eine kleine Überraschung, und wie schon beim Stauffenberg-Cruise-Dilemma hat sie mit dem Verhältnis von Original und Kopie zu tun: Letztere hängt in Form von herrischen Führerporträts in jedem einzelnen Offizierszimmer, thront über den Köpfen jener, die buchstäblich unter ihm dienen, und wird von der Regie immer wieder geschickt zwischen den handelnden Figuren ins Bildzentrum gerückt. Der tatsächliche Hitler, gespielt vom englischen Fernsehdarsteller David Bamber, tritt hingegen nur selten auf und bietet einen jammervollen Anblick: ein fahriger alter Mann mit bleiernen Augenringen und wirrem Haar, der in der Offiziersmesse unglücklich über einem Teller Blumenkohl und Möhrchen hockt. Das ist selbstredend in nicht minderem Maße Travestie als sämtliche Hitlerdarstellungen seit Chaplin; doch kommt im überdeutlichen Gegensatz von Bild und Vorlage ein Ungleichgewicht zum Ausdruck, das auch zum Scheitern der Verschwörung beigetragen haben mag: Die Bündelung aller Energien auf die Ermordung eines einzelnen Mannes verstellt den Blick für die Massen, die sein Porträt noch im Zimmer hängen haben. "Das Bild wird abgehängt, der Mann wird aufgehängt", sinniert Stauffenberg an einer Stelle über das Ende des Krieges. Er macht es sich, natürlich, zu leicht.

Und die Kritiker von Tom Cruise, die Ähnliches prognostizieren? Die, Gott bewahre, auch.











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