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DARK SHADOWS (USA 2012)

von Sebastian Moitzheim

Original Titel. DARK SHADOWS
Laufzeit in Minuten. 113

Regie. TIM BURTON
Drehbuch. SETH GRAHAME-SMITH
Musik. DANNY ELFMAN
Kamera. BRUNO DELBONNEL
Schnitt. CHRIS LEBENZON
Darsteller. JOHNNY DEPP . MICHELLE PFEIFFER . HELENA BONHAM CARTER . EVA GREEN u.a.

Review Datum. 2012-05-10
Kinostart Deutschland. 2012-05-10

Tim Burton stand einmal für überbordende Kreativität und originelle, eigenwillige Ideen, doch seit einigen Jahren scheint er sich in erster Linie darauf spezialisiert zu haben, bekannte Stoffe in seinem bewährten, noch immer unverwechselbaren Look neu zu interpretieren und dabei möglichst prominent Johnny Depp zu besetzen, was mal mehr (SWEENEY TODD), mal weniger (ALICE IM WUNDERLAND) gute Ergebnisse mit sich bringt. Man käme jedenfalls ein paar Jahre zu spät, würde man Burtons neuestem Werk DARK SHADOWS, einer Adaption der gleichnamigen 70er-Jahre Soap Opera, nun mangelnde Originalität vorwerfen - tatsächlich beweist er mit der Wahl dieses Stoffes, obwohl die Serie in den USA durchaus einen gewissen Kultfaktor besitzt, immerhin wieder eine gewisse Liebe zum Obskuren und zum Camp. Burtons schlechtester Film seit seinem PLANET DER AFFEN-Remake ist DARK SHADOWS dennoch, denn trotz Burtons Erfahrung und unbestreitbarem Können lässt der Film so Grundsätzliches wie eine erkennbare Struktur und einen konsistenten Ton vermissen.

Der Film eröffnet im Liverpool des 18. Jahrhunderts: Barnabas Collins (Johnny Depp) bricht das Herz der jungen Hexe Angelique Bouchard (Eva Green), woraufhin diese seine Geliebte Josette du Pres (Bella Heathcote) in den Tod treibt, Barnabas in einen Vampir verwandelt und ihn in einen Sarg sperrt, damit er für immer unter dem Tod seiner großen Liebe leiden muss. Im Jahre 1972 öffnen Bauarbeiter den Sarg und befreien Barnabas, der daraufhin zum Schloss seiner Familie, deren Nachfahren noch immer dort leben, zurückkehrt und den einst stolzen Fischereibetrieb am Rande des Ruins vorfindet. Schuld daran ist Konkurrentin Angie - niemand anderes als die jung gebliebene Angelique.

Es ist nicht so, als wäre DARK SHADOWS frei von guten Ansätzen: Jedes einzelne Mitglied der Collins-Familie hätte das Potential, zu einem interessanten Charakter zu werden, doch all ihre (teils ohnehin nur angedeuteten) Subplots und Entwicklungen verlaufen entweder im Sande oder enden abrupt und ohne jeden Aufbau von Spannung. Streckenweise verliert Burton einzelne Figuren komplett aus den Augen, sodass man, wenn sie dann wieder auftreten, beinahe überrascht ist, dass es sie überhaupt noch gibt. Die Anwesenheit von Helena Bonham Carter als versoffene Psychiaterin, die dauerhaft bei der Familie lebt, lässt sich nur dadurch erklären, dass Burton irgendwie seine Partnerin unterbringen wollte und diese Figur aus der Serie noch frei war - Konsequenzen für den Plot oder einprägsame Szenen bekommt sie nicht.
Die Beziehungen der Figuren untereinander bleiben ohnehin nur behauptet: Barnabas' Fürsorge zum 10jährigen David (Gulliver McGrath) wird am Ende als wichtige Charaktermotivation verkauft, dabei fällt es schwer, sich überhaupt an irgendeine gemeinsame Szene der beiden zu erinnern; seine Liebe zu Davids Erzieherin Victoria (ebenfalls Bella Heathcote) ist nur dadurch zu erklären, dass sie wie seine verstorbene Geliebte aussieht, denn außer ein paar Einstellungen während einer Montage macht Burton, der auf Basis eines Drehbuchs von Seth Grahame-Smith (PRIDE AND PREJUDICE AND ZOMBIES) arbeitet, keine Anstalten, eine Beziehung zwischen den beiden zu etablieren.

Was den Ton angeht, drängt sich immer wieder die Vermutung auf, dass Burton hier nicht so konnte wie er wollte: Es gibt Momente, in denen ist DARK SHADOWS düster, gruselig und ein bisschen blutig. Wenn Barnabas nach seiner Befreiung die Bauerarbeiter tötet, erinnert das ein wenig an die Vampir-Angriffe in SO FINSTER DIE NACHT und generell ist es erfrischend, einen Vampir zu sehen, der tatsächlich Blut saugt und tötet. Doch im Kontrast dazu steht banalste, alberne fish out of water-Comedy (Barnabas hält Autos für Teufelswerk und Fernseher für Zauberei. Weil er aus dem 18. Jahrhundert kommt. Get it?) und Barnabas' Gewissensbisse, die angesichts seiner erkennbaren Freude am Töten wie Lippenbekenntnisse wirken, wie durchschaubare Versuche, mehr Charaktertiefe vorzugaukeln als wirklich da ist - sein Bedürfnis, menschlicher zu werden, verschwindet letztlich so unvermittelt wie es aufkommt.

Sicher, manches an DARK SHADOWS unterhält leidlich: Barnabas zitiert mit Hingabe und Gravitas Steve Millers The Joker. Angelique verführt ihn, was zu einer stellenweise bizarren Sexszene führt. Das Finale, in dem Burton dann noch einmal richtig dick aufträgt. Und Johnny Depp-Fans werden sich - obwohl der zweifelsohne talentierte und, wenn er denn will, auch recht wandlungsfähige Darsteller in Tim Burtons neueren Werken grundsätzlich seine uninteressantesten Leistungen abliefert, indem er wieder und wieder dieselbe Rolle recyclet - wahrscheinlich erneut an dessen Performance erfreuen.
Doch all das sowie der einzigartige Look retten am Ende wenig: Was nützt es, wenn Charaktere weiße Schminke und seltsame Frisuren tragen und in liebevoll designten Sets agieren, wenn man sich als Zuschauer nicht für sie interessiert? Was nützt der hier und da aufblitzende Willen, einen erwachsenen, eigenartigen, campy Film zu drehen, wenn das Ziel letztlich doch ein harmloser, "familienfreundlicher" Kompromissfilm zu sein scheint - und nicht einmal das wirklich zufriedenstellend erreicht wird? DARK SHADOWS ist unentschlossen, mutlos und konfus und damit, selbst gemessen an den in Folge von Burtons jüngsten Filmen heruntergeschraubten Erwartungen, eine herbe Enttäuschung.











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