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Mit vier Oscars spazierte vor fast einem Jahr Tom Hoopers THE KING'S SPEECH nach Hause. Höchste Ehren für ein ziemlich konservativ inszeniertes Stück britischen Films - und damit womöglich Vorreiter für Nachahmer. Überbordende Vorschußlorbeeren eilen seit Monaten DAME, KÖNIG, AS, SPION voraus, einer ziemlich konservativen Filmadaption des Romans von John le Carré. Tomas Alfredson, hochgelobter Regisseur von SO FINSTER DIE NACHT, versammelte die Crème de la Crème des britischen Kinos um sich: vom ausgezeichneten Stotterer Colin Firth und allgegenwärtigen Mark Strong über SHERLOCK-Darling Benedict Cumberbatch, bis hin zu Charakterdarstellern wie Ciarán Hinds und Toby Jones oder die BATMAN-Mimen Gary Oldman und Tom Hardy. Und hier liegt auch einer der Gründe des Scheiterns.
Alfredsons zweistündiger Film quillt über vor Figuren, die oftmals wenig bis gar nichts zu tun kriegen - und schon gar keinen Raum zur dreidimensionalen Entfaltung. Kein Wunder hatte die BBC den Roman 1979 als fünfstündige und siebenteilige Miniserie umgesetzt. Weitaus raffinierter wirkte dort Alec Guiness' aufs Abstellgleis geschobener George Smiley, sehr viel vielschichtiger und komplexer auch die eigentliche Handlung um jenen russischen Doppelagenten, der die höchsten Ränge des britischen Auslandsgeheimdienstes (SIS oder auch: MI6) infiltriert haben soll. Neue Ent- und Aufdeckungen bedurften einer Entwicklung und wurden nicht im Vorbeigehen innerhalb weniger Minuten ausgekotzt. Und allen voran wusste der Zuschauer nicht bereits durch das Casting der Figuren, wer von ihnen letztlich nur konsequent als jener KGB-Spion zum Vorschein kommen konnte. Kurzum: Alfredsons Film ist unspannend wie Sau.
Exemplarisch zeigt sich dies in einer Szene, in der Cumberbatchs treuer Adjutant Peter Guillam in das Archiv des SIS einbrechen und eine Akte entwenden soll - natürlich ohne das dies jemand mitkriegt. Was in der BBC-Serie packende und bemerkenswert minimalistische Anspannung erzeugte, wirkt im Film müde und leblos. Letzteres kann jedoch auch an den Puppenäuglein von Cumberbatch liegen, der wenig überzeugend durch das Geschehen stakst, was aber schlichtweg seiner Fehlbesetzung zu verdanken ist. Ähnlich belanglos wie der Aktendiebstahl geraten auch die Rückblenden rund um Tom Hardys Agenten im Außendienst, der sich innerhalb weniger Stunden in eine Informantin verliebt und dadurch die eigentliche Handlung lostritt. Cumberbatch und Hardy sind vielleicht profiliertere Schauspieler als seinerzeit Michael Jayston und Hywel Bennett, ihre Figuren lassen dafür umso mehr Profil vermissen.
Ohnehin geht DAME, KÖNIG, AS, SPION im Allgemeinen die Tiefe und Bedeutung ab. Über zwei Jahrzehnte nach Ende des Kalten Kriegs wirken Mätzchen mit den Russen reichlich dated. Hatte le Carré in seinem Roman sein eigenes Ausscheiden aus dem Geheimdienst Anfang der 1960er Jahre aufgrund eines russischen Spions der damaligen Cambridge Five verarbeitet, wirkte auch die BBC-Serie von 1979 noch im Zeitgeschehen verankert. Sicherlich muss deswegen in Alfredsons Film nicht Russland durch beispielsweise China ersetzt werden, nur ist die potentielle und subversiv vorhandene Gefahr nie wirklich greifbar. Ebenso wenig die Dringlichkeit von Smileys Ermittlungen. Selten schafft es Alfredson, über längere Dauer das Interesse des Zuschauers zu fesseln - und wie auch, dauert doch kaum eine Szene (zum Beispiel die Auftaktszene von Jim Prideaux in Ungarn) - mehr als zwei oder drei Minuten.
Technisch sieht das zwar alles ganz schick aus, schön "retro" was die Anzüge und Haarschnitte angeht. Aber eine nette Kameraführung und ein gefälliges Set Design trösten nicht darüber hinweg, dass DAME, KÖNIG, AS, SPION die Tuchfühlung mit seinem literarischen Material fehlt. Die Vielzahl der eindimensionalen Figuren sind in Kombination mit der unspannenden und durchgehetzten Spionage-Handlung somit zum Scheitern verurteilt. Gary Oldman entwickelt dabei so gut wie nie die Präsenz eines Alec Guiness, während auch seine vier potentiellen Spione lediglich bloße Gesichter ohne Maske bleiben. Infolgedessen kann Alfredsons Film lediglich als stilistische Fingerübung überzeugen, doch auch die hübscheste Bühne produziert kein Meisterstück, wenn die Handlung falsch strukturiert und von unterforderten Schauspielern vorgetragen wird. Und so könnte dieses konservative britische Stück Film im Gegensatz zu THE KING'S SPEECH auf die Schnauze fliegen - denn bei den Golden Globes wurde es schon mal ignoriert.
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