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COLOMBIANA (USA/Frankreich 2011)

von Andreas Neuenkirchen

Original Titel. COLOMBIANA
Laufzeit in Minuten. 107

Regie. OLIVIER MEGATON
Drehbuch. LUC BESSON . ROBERT MARK KAMEN
Musik. NATHANIEL MECHALY
Kamera. ROMAIN LACOURBAS
Schnitt. CAMILLE DELAMARRE
Darsteller. ZOE SALDANA . AMANDLA STENBERG . BETO BENITES . JORDI MOLLA u.a.

Review Datum. 2011-09-08
Kinostart Deutschland. 2011-09-15

Kurze Geschichtsstunde für die jüngeren Jahrgänge: Luc Besson war vor etwas über 20 Jahren ein relevanter Filmemacher (nicht lachen!), der in seinen Regiearbeiten den Zeitgeist einfing und ihn im Gegenzug selbst formte wie nur wenige andere. Ein bisschen war er der etwas bravere kleine Bruder von Jean-Jacques Beineix. Irgendwann aber lernte er, dass sich mit lieblos hingerotztem Käse mindestens genauso viel, auf jeden Fall aber viel schnelleres Geld scheffeln lässt als mit Filmen, in denen Sorgfalt, Wahrheit und Herzblut steckt. Als Regisseur packte er seine sieben Sachen und zog nach Minimoy-Land, als Autor schrieb er fortan Drehbücher zu Action-Filmen, von denen kaum jemand weiß, dass sie überhaupt Drehbücher haben. Dass er als Regisseur mit dem bevorstehenden Suu-Kyi-Biopic wieder den Anschluss an seine relevante Zeit schaffen wird, darf man noch hoffen. Schließlich hat er es nicht selbst geschrieben. Den Autoren Luc Besson hingegen kann man inzwischen mit Fug und Recht abschreiben. COLOMBIANA ist ein weiterer Sargnagel. Dabei ist Sargnagel vielleicht nicht das richtige Nagelbild. Dieser Nagel sitzt tief im Herzen und tut weh. Es schmerzt viel mehr als bei irgendeiner TRANSPORTER- oder TAXI-Fortsetzung. Bessons Kfz-Filme haben als sündige Freuden einen gewissen, schambehafteten Reiz und damit eine eingeschränkte Daseinsberechtigung. Vor allem erwartet man von ihnen keinen neuen Robert Altman. Noch nicht mal einen echten Luc Besson. Bei COLOMBIANA sieht das eine schöne, trügerische, kurze Zeit lang anders aus.

Mit neun Jahren wird Cataleya (zunächst: Amandla Stenberg) zur Vollwaise, als der kolumbianische Drogenboss Don Luis (Beto Benites) ihre Eltern umbringen lässt. Sie beschließt noch an Ort und Stelle sich zu rächen, wenn sie mal groß ist. Aber erst flieht sie, aus dem Fenster, über die Dächer, durch die Straßen und die Kanalisation Bogotas, schließlich über die amerikanische Botschaft und durchs Flughafenklofenster zu ihrem zwielichtigen Onkel Emilio (Cliff Curtis) in Chicago, der aus ihr gefälligst eine Killerin machen soll.

Bis hierhin möchte man fast zum Glauben zurückkehren. Die Geschichte der kleinen Cataleya ist packend, actionreich, schlitzohrig. Nicht originell, aber sympathisch. Dies könnte die Ultra-Popcorn-Version von NIKITA oder LEON - DER PROFI sein. Für alle, denen NIKITA und LEON noch nicht Popcorn genug waren.

Aber, ach: Sie sind ja nur süß, solange sie klein sind. Eine völlig blöde, auch mit erhöhter Besson-Trash-Toleranz indiskutabel unglaubwürdige Szene, in der Onkel Emilio der jungen Cataleya zeigt, wie cool er auf offener Straße killen kann, ist ein Vorbote des einfalls- und lustlosen Unsinns, der auf die gelungene Eröffnung folgt.

15 Jahre später ist Cataleya (jetzt: Zoe Saldana) gut im Geschäft als waschechte Profikillerin. Bei jedem Mord hinterlässt sie eine Zeichnung der Blume, der sie ihren Namen verdankt. Es soll ein Zeichen für Don Luis und seine Schergen sein: Ich komme, euch zu holen.
Auf diesem Weg gibt es nicht die geringste Überraschung für den Zuschauer. Dass der Geliebte (Michael Vartan) zur Gefahr für Cataleyas Identitätsgeheimhaltung wird, bedarf ebenso wenig einer Spoiler-Warnung wie der unvermeidliche Umstand, dass auch ihre Chicagoer Zieheltern dran glauben müssen werden, bevor sie Rachevollzug melden kann. Selbstverständlich ist da auch noch der FBI-Agent (Lennie James), der eigentlich Gegenspieler ist, aber letztendlich doch Komplize im großen Ganzen.

So weit könnte es so kurzweilig sein, wenn einem nicht alle Figuren außer Cataleya so schrecklich egal wären. Insbesondere die Liebesszenen leiden zudem nicht nur an den faden Figuren und den schalen Dialogen, sondern vor allem auch unter der ganz schlimmen Streichersimulationsmusik von Nathaniel Méchaly.

Die relative Newcomerin Saldana, die bislang in erster Linie als AVATAR-Schlumpf unbekannt war, macht ihre Sache gut, ob im nippelfreundlichen Profikillerinnentarnanzug oder in Zivil. Den anderen Darstellern wird in ihren Papprollen schlicht nichts abverlangt, was positiv oder negativ hängen bliebe. Die Arbeit von Lohnregisseur Olivier Megaton (THE TRANSPORTER 3) gefällt in den selten originellen, aber immer reellen Action- und Suspense-Szenen. Aber immer, wenn gerade kein Lüftungsschacht durchkrochen und kein Mensch totgeschossen werden muss, macht die Inszenierung peinlich betreten. Dann muss etwa Cataleya zum Tabledance-Soundtrack im Gegenlicht grundlos durch die Wohnung tanzen, oder zu Johnny Cashs "Hurt" in den Sonnenuntergang fahren. Nicht nur die selbstgemachte Musik ist zu viel des nicht immer Guten, auch die eingekaufte Musik trägt viel zu dick auf die eh schon fetttriefenden Bilder auf.

Dieses wollte ich eigentlich gar nicht erwähnen, weil es so geeky und erbsenzählerisch ist: Kriegerprinzessin Xena, 1992 Cataleyas großes Vorbild, gab es erst 1995. Eine Kleinigkeit, aber symptomatisch für die Schlampigkeit, Faulheit und Gedankenlosigkeit, mit der hier bloß Versatzstücke zusammengekloppt werden, anstatt etwas Originäres zu schaffen.

Man erzählt sich, COLOMBIANA sei als Übersprunghandlung entstanden, weil Luc Besson nie die von ihm und anderen ersehnte LEON-Fortsetzung realisieren konnte. Sollte COLOMBIANA ein Indiz sein, wie diese Fortsetzung ausgesehen hätte, kann man sich glücklich schätzen, dass Wünsche nicht immer in Erfüllung gehen.











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