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BLAIR WITCH (USA 2016)

von André Becker

Original Titel. BLAIR WITCH
Laufzeit in Minuten. 89

Regie. ADAM WINGARD
Drehbuch. SIMON BARRETT
Musik. ADAM WINGARD
Kamera. ROBBY BAUMGARTNER
Schnitt. LOUIS CIOFFI
Darsteller. JAMES ALLEN MCCUNE . CALLIE HERNANDEZ . CORBIN REID . BRANDON SCOTT u.a.

Review Datum. 2016-10-05
Kinostart Deutschland. 2016-10-06

Mit dem Low-Budget-Schocker THE BLAIR WITCH PROJECT fing alles an. Der Found-Footage-Film war geboren. Die spezifischen Merkmale dieses, vor allem im Horror-Sektor anzutreffenden, Subgenre dürften hinlänglich bekannt sein und sollen daher an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden. Nur so viel: Obwohl kaum einem anderen Trend im Horror-Genre derartiges Gemeckere entgegenschlug, erfreut sich der Found-Footage-Ansatz bei den Filmstudios nach wie vor großer Beliebtheit.

Dies resultiert u.a. daraus, dass die Filme, da meist super-kostengünstig produziert, ausgesprochen große Gewinne...Halt, Stop! Das übliche Blabla zu den Gründen für das Nicht-Abebben der Found-Footage-Welle wird eh in jeder zweiten Rezension rausgekramt. Zurück zum eigentlichen Thema. Das ist nämlich BLAIR WITCH. Eine direkte Fortsetzung zur Grusel-Orgie von 1999. Wobei, die Kategorie Fortsetzung trifft es nicht so ganz. Zwar greift der neue Reißer die Ereignisse des Erstlings auf, gleicht diesem in Ablauf und Dramaturgie aber dermaßen, dass man hier genauso gut von einem Remake sprechen könnte.

Rein handlungstechnisch gibt es kaum Neuerungen. Eine Handvoll junger Leute zieht es in die Black Hills-Wälder und wird dann sukzessive von der dort ansässigen Blair-Hexe in den Wahnsinn getrieben. Die Motive der Protagonisten sind jedoch diesmal (zum Teil) persönlicher Natur. Hier wird dann gleich die Brücke zum 1999-Blair Witch geschlagen, denn die zentrale Antriebsfeder der Hauptfigur James (James Allen McCune) ist das Verschwinden seiner Schwester Heather. Jener Filmstudentin, die vor Jahren zusammen mit ihren Freunden in den Wäldern verschwand und deren Videomaterial später gefunden wurde. James begibt sich, seine Freunde und zwei ortskundige Einheimische im Schlepptau also selbst in die Untiefen des Waldes um dem Geheimnis über das Verschwinden seiner Schwester und die sagenumwobene Blair-Hexe auf die Spur zu kommen.

Hätte es das Original nie gegeben würde das Urteil über BLAIR WITCH sicherlich milder ausfallen. Der von Adam Wingard inszenierte Film ist nämlich durchaus spannend und atmosphärisch in Szene gesetzt. Ein wirkungsvoll gedrehter Schocker, bei dem man merkt, dass die Macher den Sinn und Zweck des Found-Footage-Ansatzes verstanden haben. Kein Wunder, hat Regisseur Wingard doch bereits Erfahrung im FF-Genre gesammelt (V/H/S - EINE MÖRDERISCHE SAMMLUNG, S-VHS). Letztlich resultieren die Pluspunkte von BLAIR WITCH allerdings fast ausschließlich aus dem Abkupfern/Kopieren dessen, was das Original so auszeichnete. Das fängt schon damit an, dass die Fortsetzung annähernd alle Bedrohungsmomente des Erstlings einfach wiederholt, ohne dabei großartige Änderungen oder Erweiterungen vorzunehmen. Das Verlaufen im Wald, die mysteriösen Zeichen aus Ästen vor den Zelten, das Auftauchen eines alten Hauses usw.

Wingard traut sich nur vereinzelt Neuerungen in den Ablauf der Story und den Spannungsaufbau aufzunehmen. Diese sind zwar durchaus charmant, etwa das die Gruppe mittels Drohne die Gegend erkundet, fungieren aber nie als dominantes Abgrenzungsmerkmal zum Original. So fix die Drohne als zusätzliches Medium im Film auftaucht, so schnell ist sie auch wieder verschwunden. Das der Regisseur vereinzelt Ekel-Momente einsetzt (eine entzündete Wunde sorgt für dezentes Geschleime) bleibt ebenfalls eine Fußnote, die kaum davon ablenkt, dass man beständig das Gefühl hat, das alles schon mal irgendwie (besser) gesehen zu haben.

Das es Wingard versteht nervenzerreißende Spannung zu inszenieren wird leider gerade in den rar gesäten Abweichungen zum Original-Blar Witch sichtbar. Ohne in diesem Kontext zu viel zu verraten sei auf eine mörderisch einheizende Sequenz im finalen Drittel verwiesen. Hier bleibt einem gar nichts anders übrig, als die Nägel tief in den Kinosessel zu graben und heftig mit zu bangen. Dieses sehr unmittelbare Feeling konnte THE BLAIR WITCH PROJECT damals fast permanent für sich beanspruchen. Bei der 2016-Auflage sind diese Szenen aber viel zu selten. Und genau das ist es, was BLAIR WITCH in der Summe zu einem gescheiterten Film werden lässt.

Fazit: Adam Wingard, bislang eigentlich eine sichere Bank für Genre-Filme mit dem gewissen Etwas hat mit dem Reboot/Remake/Sequel/Whatever des genialen THE BLAIR WITCH PROJECT diesmal leider keinen Knaller abgeliefert. Für diejenigen die das Original nicht kennen mag BLAIR WITCH als akzeptabler Grusler durchgehen. Das Wingard hier ein wenig zeitgemäßer (Einsatz modernerer Technik, stärkerer Fokus auf Jump Scares) inszeniert ist dann wohl auch als Zugeständnis an die Teenager-Zielgruppe zu sehen. Alle anderen, vor allem diejenigen die sich bei der 2016-Fortsetzung mehr Eigenständigkeit und frische Ideen erhofft haben, sind besser beraten ihr Geld z.B. noch einmal in die Leihgebühr für das nach wie vor sehr vorzeigbare Original zu investieren und den Kinobesuch ausfallen zu lassen.











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